Ausgabe 1>2014 - page 19

1 2014
Esslinger Gesundheitsmagazin 19
Bei
80
bis
90%
der Lungenkrebsfälle
bei Männern ist Rauchen
die Hauptursache
zum Beispiel nach einer schweren Lun-
genentzündung gebildet hat, ergänzt oft
eine Operation, bei der der Chirurg einen
Eiterherd aus der Lunge entfernt, die Be-
handlung durch den Pneumologen.
Professor Hetzel in Bad Cannstatt gilt
zudem als Spezialist für eine besondere
Therapieform des schweren Lungenem-
physems. Ein Lungenemphysem entsteht,
wenn durch eine chronische Entzündung
Lungengewebe zerstört wird. Dadurch
wird zum einen die Lungenoberfläche
kleiner. Die Lunge kann weniger Sauer-
stoff aufnehmen und an das Blut abge-
ben. Zum anderen verlieren die Lungen-
flügel an Gewebespannung, wodurch die
kleinen Atemwege in der Lunge kollabie-
ren und die eingeatmete Luft in der Lunge
gefangen bleibt. Die Patienten haben das
Gefühl, an der eigenen Atemluft zu ersti-
cken. Mit Spiralen, sogenannten Coils,
faltet Professor Hetzel kleine Bereiche der
Lunge zusammen, wodurch das umlie-
gende Lungengewebe wieder elastische
Gewebspannung erhält und die kleinen
Atemwege offen gehalten werden. Etwa
zehn dieser Coils werden bronchoskopisch
über einen Katheter in den betroffenen
Lungenlappen eingesetzt. Nach der
Behandlung können die Patienten wieder
deutlich besser ausatmen. Über 700
Behandlungen hat Professor Hetzel bis-
lang mit den Coils durchgeführt, darunter
allein 330 im vergangenen Jahr. „In aller
Regel verläuft die Therapie ohne Kompli-
kationen. Sollte doch etwas passieren,
weiß ich Professor Liewald mit seinem
Chirurgenteam imHintergrund“, sagt Pro-
fessor Hetzel. Zudemmacht es bei einigen
Patienten auch Sinn, vom Emphysem
betroffene Bereiche der Lunge chirurgisch
zu entfernen.
Einen weiteren Schwerpunkt bildet im
TESS die Diagnostik und Behandlung von
Patienten mit Lungenkrebs. Das Klinikum
Esslingen und das Krankenhaus Bad
Cannstatt haben dazu ein Lungenkrebs-
zentrum gegründet, in dem neben
Chirurgen und Pneumologen auch
Onkologen, Radiologen, Strahlen-
therapeuten, Palliativmediziner und
Pathologen zusammenarbeiten.
Einmal in der Woche treffen sich
die Experten zur Tumorkonferenz,
in der Untersuchungsergebnisse und
Krankheitsverlauf jedes einzelnen
Patienten besprochen werden und eine
Therapieempfehlung gegeben wird. Pro-
fessor Hetzel ist dann aus Bad Cannstatt
über ein Videokonferenzsystem zuge-
schaltet. 2010 wurde das Lungenkrebs-
zentrum von der deutschen Krebsgesell-
schaft zertifiziert. „38 Zentren in ganz
Deutschland haben die Zertifizierung
bislang erhalten“, berichtet Professor
Liewald. Im Rahmen einer Rezertifizie-
rung Ende Februar 2014 wurde dem
Zentrum das jüngst bestätigt.
Thoraxchirurgen mit viel
Erfahrung
Bei der Lungenkrebsbehandlung sind oft
zunächst die Thoraxchirurgen gefragt.
Allein 2013 wurden in der Klinik rund 100
Lungentumore operiert. „In frühen
Tumorstadien operieren wir minimal­
invasiv mit der sogenannten Schlüssel-
lochtechnik“, berichtet Professor Liewald.
Oft können die Chirurgen den Eingriff so
planen, dass möglichst viel Lungenge-
webe übrig bleibt. Hat sich der Tumor aber
schon weit ausgebreitet, sind umfangrei-
chere Operationen nötig. An die Opera-
tion des Lungentumors schließen sich
dann meist Chemo- und Strahlentherapie
an, um die Krebserkrankung möglichst
weit zurückzudrängen. Aber auch beim
Lungenkrebs gilt, je früher die Erkrankung
entdeckt wird, desto besser sind die Hei-
lungschancen. Professor Liewald plädiert
deshalb dafür, dass sich vor allem Men-
schen aus Hochrisikogruppen alle fünf
Jahre einer Untersuchung im sogenann-
ten „Low Dose Computertomographen“
unterziehen sollten. Auch kleine ver-
steckte Tumoren können damit frühzeitig
entdeckt werden. Zu den Hochrisikogrup-
pen werden Menschen gezählt, in deren
Familie es bereits Lungenkrebsfälle gab.
Ein berufliches Risiko hat auch, wer bei-
spielsweise mit Asbest umgegangen ist.
Genauso sind starke Raucher gefährdet,
an Lungenkrebs zu erkranken. Mit dem
Präventionsprogramm „Ohne Kippe“ ver-
suchen die Ärzte des Lungenkrebszent-
rums deshalb, schon 12- bis 15-jährige
für die Gefahren des Rauchens zu sensi-
bilisieren. Über 10.000 Schülerinnen und
Schüler haben inzwischen an den Vorträ-
gen mit erschreckenden Bildern von Lun-
genuntersuchungen und Berichten von
Patienten teilgenommen.
„Unsere chirurgischen Möglichkeiten in
der Behandlung von Lungenerkrankungen
haben sich in den letzten Jahren deutlich
erweitert“, berichtet Professor Liewald.
Möglich war das unter anderem auch
deshalb, weil die Cannstatter Pneumolo-
gen im TESS mit ihrem zertifizierten
Weaningzentrum zur Verfügung stehen.
Der englische Begriff Weaning kann mit
Entwöhnung übersetzt werden. Beim
Weaning geht es darum, Patienten, die
lange künstlich beatmet wurden, von der
Beatmungsmaschine zu entwöhnen. Vor
allem nach sehr großen Lungenopera­
tionen kann das notwendig werden.
„Die Schwierigkeit ist der Übergang zur
Spontanatmung“, erläutert Professor
Hetzel. Unter Beobachtung eines Atem-
therapeuten wird bei den Patienten die
Beatmungsmaschine in immer längeren
Intervallen abgeschaltet, zunächst minu-
tenweise, dann einige Stunden, bis zum
ganzen Tag. Bis zu drei Monaten kann es
dauern, bis sich die Atemmuskulatur
soweit erholt hat, dass die Patienten wie-
der ohne Maschine atmen können.
Nach inzwischen mehr als sieben Jahren
hat sich die Zusammenarbeit im Thorax-
zentrum Esslingen Stuttgart bewährt,
urteilen die beiden Chefärzte. Die Ärzte
der beteiligten Kliniken tauschen sich
regelmäßig aus. Professor Liewald fährt
zudem ein- bis zweimal in der Woche im
Krankenhaus vom Roten Kreuz vorbei –
zur Visite bei den Patienten, die im Klini-
kum Esslingen operiert werden sollen. Die
Patienten erhalten so eine umfassende
Behandlung, die alle Möglichkeiten der
modernen Lungenmedizin nutzt.
so
Der Tumor in der Lunge ist im
Computertomogramm als
weißer Fleck gut zu erkennen
1...,9,10,11,12,13,14,15,16,17,18 20,21,22,23,24,25,26,27,28,29,...52
Powered by FlippingBook