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Esslinger Gesundheitsmagazin
1 2013
platziert und dann freigesetzt. Er entfal­
tet sich und schaltet so das Aneurysma
aus“, erklärt Gefäßchirurg Liewald. Nach
einem solchen minimalinvasiven Eingriff
sind die Patienten wesentlich schneller
wieder fit, der stationäre Aufenthalt in der
Klinik verkürzt sich um mehrere Tage.
Überdurchschnittlicher Erfolg
Bei Aneurysmen der Brustschlagader ist
diese Operationsmethode inzwischen der
Standard und auch bei Erweiterungen der
Bauchschlagader versucht Professor Lie­
wald, der sich mit seinem Team auf dieses
Verfahren spezialisiert hat und über viel
Erfahrung sowie die entsprechende appa­
rative Ausstattung verfügt, immer öfter
das endovasculäre Vorgehen: „Das Stent­
graft-Verfahren geht nicht bei allen Pati­
enten, da bestimmte Voraussetzungen
gegeben sein müssen. Aber rund 70 Pro­
zent unserer Patienten mit einem Bauch­
aortenaneurysma können wir inzwischen
auf diese Weise behandeln.“ Und das mit
großem Erfolg: Bei elektiven Patienten,
also Patienten mit geplanter Operation,
lag im Klinikum Esslingen im Jahr 2011
die Komplikationsrate nach dem Eingriff
bei 1,7 Prozent, im Jahr 2012 bei null Pro­
zent. „Das ist weit besser als der bundes­
weite Durchschnitt“, freut sich Chefarzt
Liewald.
Nach erfolgter und erfolgreicher Opera­
tion hat der Patient wieder Ruhe in der
Blutbahn. Die Nachsorge erfolgt beim
Hausarzt und besteht vor allem im Ein­
stellen des Blutdrucks. Außerdem sollte,
vor allem wenn das Stentgraft-Verfahren
durchgeführt wurde, einmal jährlich eine
Kontrolluntersuchung stattfinden.
Eine Ruptur bedeutet höchste
Lebensgefahr
Auch bei einer Ruptur wird, wenn zeitlich
möglich, ein Stent gesetzt. „Für das endo­
vasculäre Verfahren benötigen wir eine
CT-Aufnahme. Das dauert 10 bis 20
Minuten, die wir aber nur haben, wenn es
der Zustand des Patienten zulässt“, erklärt
Professor Liewald. Steht der Patient dage­
gen schon unter Schock, wird sofort
offen-chirurgisch eingegriffen. „Das muss
dann so schnell gehen wie bei einem
Herzinfarkt.“
Die Ruptur der Aorta ist ein absoluter Not­
fall. Es beginnt mit plötzlichen und sehr
starken Schmerzen, die schnell in einen
lebensbedrohlichen Schockzustand über­
gehen. Über Leben und Tod entscheidet
dabei oft der Ort der Ruptur. „Wenn die
Bauchschlagader in Richtung der freien
Bauchhöhle einreißt, dann kommt es zu
sehr starken Bauchschmerzen. Durch den
massiven Blutverlust folgt sehr schnell
ein Kreislaufschock. In aller Regel kom­
men dann auch ärztliche Maßnahmen zu
spät“, erklärt Dr. Kachler. Passiert der Ein­
riss dagegen an der Rückseite der Bauch­
schlagader, dann kann das umliegende
Gewebe die Aortenwand für einen gewis­
sen Zeitraum noch stabilisieren. „Dann
treten häufig sehr plötzliche Rücken-
und Flankenschmerzen auf. Durch einen
raschen Notfalleingriff besteht dann
noch eine gewisse Chance, die Blutung
in den Griff zu bekommen“, so der Inter­
nist. Die Überlebensrate ist aber auch in
diesen Fällen nicht sehr hoch: „Etwa die
Hälfte der mit einer Ruptur ins Kranken­
haus eingelieferten Patienten überlebt
dieses Ereignis nicht“, bedauert Profes­
sor Liewald.
Plädoyer für ein regelmäßiges
Screening
Um die hohe Todesrate bei rupturierten
Aorten zu verringern, plädieren Professor
Liewald und Dr. Kachler für ein regelmä­
ßiges Screening, wie es in der Brust- oder
Darmkrebsvorsorge üblich ist. „Bei Brust­
krebs liegt die Wahrscheinlichkeit, etwas
zu finden, bei 2.000 zu 1, bei der Darm­
vorsorge bei 1.100 zu 1, beim Aorten­an­
eurysma bei 380 zu 1“, rechnet Professor
Liewald vor, „eine solche Reihenuntersu­
chung würde sich also auf jeden Fall loh­
nen.“ Für Dr. Kachler spricht zudem der
geringe Aufwand für ein Screening: „Ein
geübter Untersucher kann in kürzester
Zeit die Bauchschlagader im Ultraschall
darstellen und sie exakt vermessen.“
Noch allerdings gibt es ein solches Scree­
ning-Programm nicht, noch muss jeder
selbst aktiv werden – vor allem ältere
männliche Raucher mit Bluthochdruck
sollten intensiv darüber nachdenken.
wb
Professor Dr. Florian Liewald
Dr. Helmut Kachler
Aufnahme eines Bauch­
aortenaneurysmas vor der
Operation (links) und nach
der endovasculären Be­hand­
lung, bei der ein Stent
gelegt wurde. Verwendet
wurde ein Y-Stent, dessen
untere Äste in die Bein­arte­
rien reichen 
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