1 2013
Esslinger Gesundheitsmagazin 35
Sie ist nur 1,5 Millimeter groß, aber
gefährlich wie kaum ein anderes Tier in
Deutschland: die Zecke. Der winzige Blut­
sauger lauert in etwa einem Meter Höhe
auf Grashalmen, in Büschen und im
Unterholz und kann durch seinen Zecken­
stich schwere Krankheiten übertragen.
Kein anderes Tier verursacht hierzulande
jährlich so viele Erkrankungen. Praktisch
der gesamte Süden Deutschlands, Öster­
reich, die Schweiz und viele, vor allem
östliche Länder Europas gehören zu den
Risikogebieten für die Frühsommer-
Meningo-Enzephalitis (FSME), einer
entzündlichen Erkrankung des Gehirns
oder der Hirnhäute, die durch das FSME-
Virus ausgelöst werden kann. Der Erreger
befindet sich in den Speicheldrüsen der
Zecke und wird sofort beim Stich in die
Wunde übertragen.
Zwar sind nur vier Prozent der Zecken
tatsächlich befallen, aber: „Das Fatale an
der FSME ist, dass es für sie keine
Behandlungsmöglichkeit gibt“, erklärt der
Esslinger Internist und Reisemediziner Dr.
Jens-Uwe Deiters. Die Krankheit kann mit
Zeichen eines grippalen Infektes mild ver­
laufen. In rund zehn Prozent der Fälle
werden jedoch schwere Verläufe beob­
achtet. Zwei Prozent dieser Fälle enden
tödlich, rund zwanzig Prozent behalten
bleibende Schäden. „Der einzig verlässli­
che Schutz ist eine FSME-Impfung“, so
Dr. Deiters. Die Gesundheitsbehörden
empfehlen allen, die in den FSME-Risiko­
gebieten leben oder dort Urlaub machen,
sich impfen zu lassen. Denn 90 Prozent
der an FSME erkrankten Menschen infi­
zieren sich in ihrer Freizeit, zum Beispiel
beim Wandern, Zelten, Joggen oder bei
der Gartenarbeit.
Die FSME-Impfung besteht aus drei Injek­
tionen. Die ersten beiden werden im
Abstand von ein bis drei Monaten verab­
reicht, die dritte Impfung folgt nach neun
bis zwölf Monaten. Der Impfschutz
beginnt etwa 14 Tage nach der zweiten
Impfung und hält drei bis fünf Jahre – je
nach Alter der Person und Impfstoff-Her­
steller. Dann genügt aber eine einzige
Auffrischungsspritze.
Keine Impfung gegen
Borreliose
Zecken können noch weitere gefährliche
Krankheiten übertragen. Die für Deutsch­
land wichtigste: die Borreliose. Hier han­
delt es sich um das Bakterium Borrelium
burgdorferi, gegen das es keine Impfung
gibt. Die Bakterien können bei Infizierten
jedes Organ, das Nervensystem, die
Gelenke sowie das Gewebe befallen. Sie
können zwar gut mit Antibiotika behan­
delt werden, doch in manchen Fällen wird
die Erkrankung zu spät diagnostiziert, so
dass sie chronisch werden kann.
Wichtig ist deshalb, nach einemAufenthalt
im Freien seinen Körper nach Zecken zu
abzusuchen und diese so schnell wie mög­
lich vomKörper zu entfernen. Die Borrelien
liegen nämlich im Mitteldarm der Zecke
und wandern erst etwa 24 Stunden nach
dem Stich aktiv in die Speicheldrüsen der
Zecke. Erst dannwerden sie normalerweise
in die Stichwunde übertragen.
Fern oder nah: Tetanus- und
Diphtherie-Impfungen sind ein
Muss
Wen es im Urlaub eher in die Ferne zieht,
der sollte nicht nur an Reisepass und Son­
nencreme denken, sondern sich unbedingt
über die empfohlenen Impfungen für das
jeweilige Reiseland informieren. „Grund­
sätzlich sollte auch in Deutschland jeder
gegen Tetanus und Diphtherie geimpft
sein“, so Dr. Deiters. Wer es bisher nicht
ist, der sollte rechtzeitig vor Reiseantritt
eine Grundimmunisierung durchführen.
Dazu gehören beim Tetanus zwei Imp­
fungen im Abstand von vier bis sechs
Wochen. Idealerweise sollte eine dritte
Impfung sechs bis zwölf Monate danach
erfolgen. Gleiches gilt für Diphtherie.
Nach einer Grundimmunisierung sind
Auffrischimpfungen alle zehn Jahre
empfohlen.
Hepatitis A und B
Auch Hepatitis A und B gehören zum
Standard-Impfschutz in Deutschland.
Hepatitis-Viren lösen eine Leberentzün­
dung aus. Kinder und Jugendliche werden
hierzulande bereits routinemäßig geimpft,
auch bestimmte Berufsgruppen unterlie­
gen einer dringenden Impfempfehlung.
Hepatitis A gilt allgemein als die wich­
tigste reisemedizinische Impfung. Zwar
heilt die Krankheit in der Regel folgenlos
aus, allerdings kann der mehrwöchige und
belastende Krankheitsverlauf durch die
Impfung sicher vermieden werden. Gerade
in Südosteuropa ist das Virus auf dem
Vormarsch. „Im Falle der Hepatitis B ist
bei Infektion eine Chronifizierung der
Erkrankung zu befürchten“, so Dr. Deiters.
Diese könne in einem Leberversagen
enden und erhöhe das Risiko für Leber­
krebs.
Dringend wird eine Impfung gegen Hepa­
titis A und B vor Fernreisen nach Asien,
Süd- und Mittelamerika sowie nach
Afrika empfohlen. Um einen dauerhaften
Schutz aufzubauen, sind drei Kombinati­
onsimpfungen notwendig. Für diese ist ein
halbes Jahr Vorlaufzeit einzuplanen. Auf­
frischimpfungen sind je nach Impfstoff
erst nach 10 bis 25 Jahren erforderlich.
Poliomyelitis
Obwohl die Poliomyelitis (Kinderlähmung)
in vielen Teilen der Welt als ausgestorben
gilt, wird die Impfung immer noch für
einige Länder empfohlen. Polio tritt noch
immer in Afghanistan, Pakistan und Nige­
ria auf. Ohne ausreichend geimpfte Bevöl­
kerung könnte die Kinderlähmung auch
nach Deutschland zurückkehren. Deshalb
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90
Prozent
der an FSME erkrankten
Menschen infizieren sich in
ihrer Freizeit.
„Das Fatale an der FSME ist, dass
es für sie keine Behandlungsmög­
lichkeit gibt.“
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