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Esslinger Gesundheitsmagazin 11
gen werden mussten. Den ersten implantierbaren Herzschritt­
macher setzten 1958 schwedische Ärzte in Stockholm einem
Patienten ein. Diese ersten Schrittmachen waren noch relativ
groß und wogen rund 300 Gramm. Moderne Schrittmacher sind
deutlich kleiner und vollgestopft mit Elektronik. Sie überprüfen
permanent den Herzschlag und geben bei Bedarf oder regelmä­
ßig über eine oder mehrere ins Herz eingesetzte Elektroden
einen Impuls ab.
Jährlich 500 bis 600 Schrittmacher
Die Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie des Kli­
nikums Esslingen ist eines der drei größten Zentren in Süd­
deutschland für die moderne Schrittmachertherapie. „Wir füh­
ren pro Jahr 500 bis 600 Implantationen von Herzschrittmachern
und Defibrillatoren durch, etwa zwei Drittel sind komplexe Zwei-
und Drei-Kammersysteme“, berichtet der Chefarzt der Klinik,
Professor Dr. Matthias Leschke. „Hinzu kommt unsere Schritt­
macher- und Defibrillator-Ambulanz, in der pro Jahr rund 2.500
Patienten behandelt werden.“ Entsprechend groß ist die Erfah­
rung mit dem Einsatz der verschiedenen Schrittmacher-Typen.
Die Implantation des Herzschrittmachers ist heute ein ver­
gleichsweise kleiner Eingriff. Unter örtlicher Betäubung wird das
eigentliche Schrittmachergerät durch einen etwa fünf Zentime­
ter langen Hautschnitt unterhalb des Schlüsselbeins eingesetzt.
Durch eine Vene führt der Arzt die biegsamen Elektroden bis in
Herz, verankert sie dort und verbindet sie mit dem Herzschritt­
macher. Zu unterscheiden ist zwischen reinen Herzschrittma­
chern für langsame Herzrhythmusstörungen und sogenannten
Defibrillatoren, die zusätzlich auch schnelle, bösartige Rhyth­
musstörungen der Herzkammern behandeln können. „Moderne
Schrittmacher und auch Defibrillatoren lassen sich heute sehr
differenziert programmieren“, sagt Oberarzt Dr. Armin Wöhrle.
„Ziel ist es dabei, das Gerät individuell auf den einzelnen Pati­
enten und seine Herzerkrankung einzustellen.“ Das geschieht
gleich nach der Implantation. Bei den folgenden Nachuntersu­
chungen kann der Schrittmacher oder Defibrillator dann bei
Bedarf von außen weiter nachjustiert werden.
Viele der eingesetzten Geräte sind auch heute noch Systeme,
die über eine Elektrode bei Bedarf Impulse nur in der rechten
Herzkammer setzen. „In den letzten 15 Jahren haben wir aller­
dings gelernt, dass diese einseitige, disharmonische Stimulation
zu einer Herzschwäche führen kann“, berichtet Professor
Leschke. Moderne Zwei- und Dreikammersysteme, die mit einer
zusätzlichen Elektrode in beziehungsweise auf der linken Herz­
kammer den Herzrhythmus überwachen und stimulieren, können
die körperliche Leistungsfähigkeit der Patienten durch die Har­
monisierung der beiden Hauptherzkammern verbessern. Die Aus­
wahl des für den individuellen Patienten am besten geeigneten
Systems von derzeit sechs Herstellern der Schrittmachersysteme
in Europa erfordert daher genauso wie die anschließende Pro­
grammierung viel Know-how und Erfahrung.
Regelmäßig, zunächst alle sechs Monate müssen die Herzschritt­
macher-Träger zur Kontrolle. „Im Anfang machen wir in unserer
Herzschrittmacher-Ambulanz diese Kontrolluntersu­
Der Herzschrittmacher wird
unter dem Schlüsselbein plat-
ziert, die Verbindung zum Her-
zen geschieht über Elektroden,
die in einer Vene verlaufen
Die im Herzen verankerte Elektrode
oder Sonde, die den Impuls des Schritt­
machers in den Herzmuskel überträgt,
ist eine Schwachstelle. Sie kann bre­
chen oder sich lösen und muss dann
aufwändig neu eingesetzt werden.
Abhilfe könnte hier ein neuartiges
Herzschrittmachersystem schaffen,
das ohne Sonde auskommt, weil es
direkt im Herzmuskel verankert wird.
Die Klinik für Kardiologie, Angiologie
und Pneumologie des Klinikums Esslin­
gen wurde als eines der ersten 20 Zen­
tren in Deutschland ausgewählt, das
neue sondenlose Schrittmachersystem
einzusetzen. „Der neue Herzschrittma­
cher ist sehr klein und kann ohne Ope­
ration im Herzkatheterlabor durch die
Gefäße bis ins Herz vorgeschoben und
dort direkt in der rechten Herzkammer
verankert werden“, nennt Oberarzt Dr.
Armin Wöhrle einen weiteren wichti­
gen Systemvorteil. Noch gibt es dafür
aber keine Freigabe. Frühestens im
nächsten Jahr könnte der erste Patient
in Esslingen mit dem neuen System
versorgt werden. Wenn sich das Sys­
tem bewährt, schätzt er, dass etwa
zehn Prozent der Patienten für den
Einsatz des sondenlosen Herzschritt­
machers
geeignet
w ä r e n.
Ein großes
Problem ist
der zeit noch
der im Vergleich
zu konventionellen Herzschrittma­
chern fünf- bis zehnfach höhere Preis.
Da sich das System als sogenannte
neue Untersuchungs- und Behand­
lungsmethode noch in der klinischen
Prüfung befindet, werden die Kosten
auch noch nicht von den Krankenkas­
sen übernommen.
Neuartiges sondenloses Herzschrittmachersystem
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