2 2014
Esslinger Gesundheitsmagazin 9
„Rhythmusstörungen können
Warnblinker sein für eine andere
gravierende Herzerkrankung.“
In Deutschland
leiden bis zu
1,6 Millionen
Menschen unter
Vorhofflimmern
In Ruhe schlägt
unser Herz etwa
60 bis 90 Mal pro
M i n u t e u n d
pumpt sauerstoff
reiches Blut bis in
den letzten Winkel
unseres Körpers. Stren
genwir uns an, bei schwe
rer körperlicher Arbeit, beim
Joggen oder Radfahren, wird mehr
Energie benötigt. Das Herz erhöht die Pumpfrequenz bis auf das
Doppelte und stellt den Muskelzellen so mehr Sauerstoff zur
Verfügung. Elektrische Impulse, die sich von den Herzvorhöfen
zu den Herzkammern ausbreiten, sorgen dafür, dass sich der
Herzmuskel in regelmäßigem Rhythmus zusammenzieht und das
Blut in die Schlagadern pumpt. Ein ganzes Leben lang arbeitet
der Herzmuskel so pausenlos, kontinuierlich und meist auch sehr
regelmäßig.
Immer mal wieder kommt der Motor des Lebens jedoch aus dem
Takt. Meist geschieht das völlig unbemerkt. Manchmal aber spü
ren wir ein Stolpern des Herzens, zusätzliche Herzschläge oder
auch einen Aussetzer. Bei einem Schreck, einer Aufregung kann
das Herz plötzlich „bis zum Hals schlagen“. All das sind weitge
hend harmlose Herzrhythmusstörungen. „Viele Herzen machen
pro Tag mehrere Tausend kleine Hopser oder Stolperer, die oft
gar nicht bemerkt werden“, berichtet Dr. Harald Marschang, Lei
tender Arzt für Interventionelle Elektrophysiologie in der Kar
diologischen Klinik des Klinikums Esslingen. Manche Menschen
jedoch reagieren sehr sensibel auf den veränderten Herzschlag,
werden unruhig oder haben Schweißausbrüche.
Unangenehm wird es, wenn der Herzrhythmus über einen län
geren Zeitraum aus dem Takt gerät, wenn das Herz ohne Grund
rast oder zu flattern scheint – oder es zu einem völligen Still
stand kommt. Die Palette der Herzrhythmusstörungen reicht
von unangenehm, aber harmlos bis zum lebensbedrohlichen
medizinischen Notfall. Am häufigsten treten Rhythmusstörun
gen der Vorhöfe auf. In Deutschland leiden ein bis zwei Prozent
der Bevölkerung, also bis zu 1,6 Millionen Menschen unter Vor
hofflimmern. Die Wände des Vorhofes bewegen sich bei diesen
Flimmerattacken etwa 350 bis 600 Mal pro Minute. Mit zuneh
mendem Alter steigt die Zahl der betroffenen Patienten. Bei den
unter 40-Jährigen sind statistisch etwa 0,5 Prozent der Bevöl
kerung betroffen, während bis zu 10 Prozent der über 80-Jäh
rigen unter Vorhofflimmern leiden. „Herzrhythmusstörungen
und vor allem das Vorhofflimmern sind mit der häufigste Grund
dafür, dass der Notarzt gerufen wird“, sagt Dr. Marschang. Aber
nicht nur in der Klinik, auch bei den niedergelassenen Kardiolo
gen melden sich sehr viele Patienten, die über Herzrhythmus
störungen klagen. „Die Patienten sind beunruhigt und wollen
den Grund dafür wissen, warum ihr Herz immer wieder aus dem
Takt gerät“, sagt der Esslinger Kardiologe Dr. Ralf Hartenstein.
Andere Patienten klagen über typische Symptome wie Luftnot
und Schwindel oder sind plötzlich selbst zu kleinen Anstrengun
gen nicht mehr fähig. „Das Vorhofflimmern selbst aber haben
sie gar nicht bemerkt.“
Tachykardie oder Bradykardie
Grundsätzlich unterscheiden die Ärzte zwischen dem zu schnell
schlagenden Herz, medizinisch Tachykardie und dem zu langsa
men Herzrhythmus, der Bradykardie. Das Vorhofflimmern zählt
in den meisten Fällen zu den Tachykardien und ist akut nicht
lebensbedrohlich. Auf die Dauer schädigt es aber den Herzmus
kel, wodurch etwa das Risiko einer Herzschwäche steigt. „Wenn
jedoch die Herzkammer zu schnell schlägt und schließlich flim
mert ist das ein lebensbedrohlicher Notfall, der zum sogenann
ten plötzlichen Herztod führen kann“, erklärt Dr. Marschang.
Auch die Bradykardie, also Aussetzer oder das zu langsame Herz
kann problematisch sein. Den Patienten wird schlecht und
schwindelig. „Plötzliche Ohnmachtsanfälle können ein Symptom
für längere Aussetzer sein“.
Fast alle Herzrhythmusstörungen sind heute gut behandelbar.
Zunächst aber ist eine genaue Diagnose nötig und die ist bei den
oft anfallsweise auftretenden Herzrhythmusstörungen schwie
rig. „Im EKG sehen wir die Rhythmusstörung nur, wenn sie akut
auftritt. Ein Vorhofflimmern aus der Vergangenheit können wir
nicht erkennen“, erläutert Dr. Hartenstein. Also werden die Pati
enten im nächsten Schritt mit einem Langzeit-EKG ausgerüstet.
Eine Woche lang zeichnet das Walkmann-große Gerät über drei
Elektroden auf der Haut den Herzrhythmus auf. Wenn das nicht
reicht, kann ein sogenannter Ereignisrekorder über einen län
geren Zeitraum eingesetzt werden, der vom Patienten selbst
aktiviert wird, wenn er eine Herzrhythmusstörung bemerkt. So
können schließlich Art, Umfang und Dauer der Rhythmusstö
rung diagnostiziert werden. Daneben aber untersucht der Kar
diologe immer auch alle anderen Herzfunktionen. Denn:
„Rhythmusstörungen können Warnblinker sein für eine andere
gravierende Herzerkrankung“. Hoher Blutdruck, ein zurücklie
gender Herzinfarkt, eine allgemeine Herzschwäche oder eine
defekte Herzklappe kommen als Ursachen in Frage, die im Rah
men der Untersuchung entdeckt werden. „Auch eine
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