1 2015
Esslinger Gesundheitsmagazin 37
„Wir untersuchen die körperliche,
geistige und seelisch-psychische
Entwicklung und beziehen auch
das soziale Umfeld mit ein.“
Im Team und extern
vernetzt, bunt mit
Experten aus unter-
schiedlichen Berei-
chen besetzt, mit
einem stabilen
Gerüst für nachhal-
tige Arbeit, das ist
das SPZ symboli-
siert durch den
„Ball“, den Dr. Novak
in der Hand hält
Es ist schon unglaublich, wie Kinder sich in den ersten Monaten
und Jahren entwickeln, wie sie ihre Umwelt erkunden, auf eige-
nen Beinen stehen und permanent hinzulernen, begreifen und
immer selbständiger werden. Dabei läuft die Entwicklung bei
jedem Kind etwas anders ab. Der eine fängt früh an zu plappern
und redet schon bald ganze Sätze, die andere steht schon kaum
ein Jahr alt sicher auf den eigenen Beinen. Nicht selten sind die
Eltern, die diese Fortschritte ganz genau beobachten, auch ver-
unsichert, wenn die gleichaltrige Tochter der Nachbarn viel wei-
ter zu sein scheint. Oder wenn der Sohn der Freunde schon viel
größer und kräftiger ist. Meist kann der Kinder- und Jugendarzt
bei den regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen die Eltern beru-
higen. In manchen Fällen kann es aber auch Sinn machen, den
Stand der kindlichen Entwicklung genauer zu untersuchen. Im
Kreis Esslingen überweist der niedergelassene Kinder- und
Jugendarzt die Familie dann an das Sozialpädiatrische Zentrum
(SPZ) am Klinikum Esslingen.
Seit 2003 gibt es das SPZ. Die niedergelassenen Kinder- und
Jugendärzte hatten sich unter anderem dafür eingesetzt, ein
solches Zentrum als Anlaufstelle für Eltern mit ihren Kindern zu
gründen. „Für die betroffenen Familien ist eine frühe Diagnose
und eine therapeutische Unterstützung an einem Ort mit kurzen
Wegen und in enger Abstimmung mit den niedergelassenen Kin-
derärzten von großemWert“, urteilt Professor Dr. Christian von
Schnakenburg, Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche,
an die das SPZ angeschlossen ist.
Interdisziplinäres Team
„Wichtigster Teil unserer Arbeit ist die
Mehrbereichsdiagnostik“, erläutert SPZ-
Leiter Dr. Novak. „Wir untersuchen die
körperliche, geistige und seelisch-psychi-
sche Entwicklung und beziehen auch das
soziale Umfeld mit ein.“ Neben zwei Kin-
der- und Jungendmedizinern gehören
Psychologen, Physiotherapeuten, Heilpä-
dagogen, Ergotherapeuten und Logopä-
den zum Team des SPZ, so dass eine umfassende Diagnostik über
alle Bereiche möglich ist. Besonders wichtig ist eine frühzeitige
Diagnose, um beispielsweise eine chronische Erkrankung recht-
zeitig zu erkennen. „Dann ist es oft möglich Entwicklungsstö-
rungen abzumildern, die durch die Erkrankung entstehen kön-
nen, und die kindliche Entwicklung in gute Bahnen zu lenken“,
sagt Dr. Novak.
Bei Frühgeborenen gehört die Vorstellung im SPZ in Esslingen
automatisch zur Nachsorge. „Bei den Frühchen besteht schon
durch ihre Lebensstartbedingungen die Möglichkeit, dass sie von
einer Entwicklungsstörung bedroht sind.“ Durch die Nachsorge-
untersuchung im SPZ werden mögliche Störungen rechtzeitig
erkannt oder können ausgeschlossen werden – und das ist auch
eine wichtige Beruhigung für die Eltern.
Wie überhaupt die Eltern im SPZ auch immer im Blick sind. „Kin-
der- und familienzentrierte Betreuung“, lautet das Konzept, nach
dem alle Sozialpädiatrischen Zentren arbeiten. Das SPZ am Kli-
nikum Esslingen ist die einzige derartige Einrichtung im Land-
kreis. Neben der engen Zusammenarbeit mit den niedergelas-
senen Ärzten sowie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin,
der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Psychosomatik des
Klinikums Esslingen, ist das SPZ auch mit den sozialen Diensten
des Landkreises, den Frühförderstellen und den Schulen ver-
netzt. „Für die Eltern ist der Alltag mit einem chronisch kranken
Kind oft schwierig und belastend“, sagt Dr. Novak. „Wir arbeiten
deshalb eng zusammen, um die Situation für die Betroffenen zu
meistern.“
Denn neben der Diagnostik ist die Begleitung und Behandlung
der Betroffenen der zweite Arbeitsschwerpunkt des SPZ. Die
betreuten Kinder leiden unter unterschiedlichen Entwicklungs-
störungen oder neurologischen Erkrankungen, Epilepsie, Mus-
kelerkrankungen oder chronischen Kopfschmerzen. Behandelt
werden auch Verhaltensauffälligkeiten, Störungen des Sozial-
verhaltens sowie psychische und psychosomatische Symptome.
Angesprochen werden zudem familiäre Probleme, Vernach
lässigung oder Misshandlungen und Störungen des sozialen
Umfeldes. Kinder von der Geburt bis zum 18. Lebensjahr können
im SPZ behandelt und betreut werden. Der Schwerpunkt liegt
allerdings bei kleinen Patienten bis zum Schulalter, die nicht sel-
ten während ihrer gesamten Entwicklung regelmäßig mit ihren
Eltern ins Esslinger SPZ kommen.
Für die wollen Dr. Novak und sein Team das Angebot des SPZ
nun weiter ausbauen. Vorstellbar sind beispielsweise spezielle
Sprechstunden für Kinder, die häufig über Kopfschmerzen kla-
gen oder unter chronischen Kopf- und Bauchschmerzen leiden.
Auch eine „Schreisprechstunde“ ist denkbar, also ein spezielles
Angebot für Kleinkinder mit frühkindlichen Regulations- und
Interaktionsstörungen. Vor einer Untersuchung oder Behand-
lung im SPZ ist in jedem Fall aber eine Überweisung durch einen
niedergelassenen Arzt für Kinder- und Jugendmedizin erfor-
derlich.
so