Ausgabe 1>2015 - page 47

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Esslinger Gesundheitsmagazin 47
Jeden Mittwoch kommt Tanja Diehl ins Altenpflegeheim Obertor.
Die Mitarbeiterin der Rosenau-Apotheke ist Krankenschwester
mit einer ganz speziellen Zusatzausbildung. Sie ist Wundmana-
gerin und unterstützt mit ihrem Spezialwissen die Pflegekräfte
im Obertor bei der Versorgung von chronischen Wunden. „Vor
allem ältere Menschen leiden nicht selten unter Wunden, die nur
sehr schwer oder gar nicht mehr heilen“, berichtet Silvio Schus-
ter, Pflegedienstleiter im Obertor. „Die Behandlung dieser offe-
nen Wunden ist kompliziert. Deshalb sind wir für die Unterstüt-
zung durch Frau Diehl sehr dankbar.“
Bevor die Behandlung einer chronischen Wunde beginnen kann,
muss die Wundmanagerin wissen, wie die Wunde entstanden
ist. „Die ausführliche Wundanamnese ist wichtig, damit wir nicht
nur die Wunde, sondern auch die Ursachen behandeln können“,
erläutert Tanja Diehl. Anschließend erstellt sie einen Behand-
lungsvorschlag, der dem behandelnden Arzt der Bewohnerin oder
des Bewohners vorgelegt wird. „Die eigentliche Behandlung muss
immer der Arzt entscheiden und der muss auch das Rezept für
die Hilfsmittel ausstellen, die für die Behandlung nötig sind.“ Die
Wundmanagerin bildet mit ihrem Fachwissen die Schnittstelle
zwischen Arzt und Pflegeheim. Eine Zusammenarbeit, die inzwi-
schen sehr gut funktioniert. Christof Mühlschlegel, Apotheker
der Rosenau-Apotheke, hatte vor einigen Jahren die Idee für das
spezielle Beratungsangebot für Pflegeheime. Nach einer Pilot-
phase berät seine Mitarbeiterin inzwischen den Pflegedienst in
allen Städtischen Pflegeheimen bei der Wundversorgung. „Auch
die Hausärzte schätzen das Fachwissen unserer Wundmanage-
rin und fordern Frau Diehl inzwischen gezielt an“, berichtet Apo-
theker Mühlschlegel, der die Expertin über den Umsatz mit den
Hilfsmitteln zur Wundbehandlung finanziert.
Ursache für chronische Wunden sind oft Erkrankungen der Venen
oder Arterien vor allem an den Beinen, die zu gravierenden
Durchblutungsstörungen führen. Krampfadern beispielsweise
sind ein Anzeichen dafür, dass die Venen das Blut nicht mehr
ausreichend aus den Beinen in den Körper zurücktransportieren
können. Erkrankungen der Beinarterien dagegen äußern sich oft
in der sogenannten „Schaufensterkrankheit“ oder medizinisch,
der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit. Eingeengte oder
verschlossene Arterien in den Beinen verursachen Schmerzen
beim Gehen. Die Betroffenen müssen immer wieder – vor jedem
Schaufenster – stehen bleiben, bis die Schmerzen nachlassen.
Wenn durch die Gefäßerkrankungen schließlich die Durchblu-
tung der Beine nicht mehr ausreichend funktioniert, können sich
Wunden nicht mehr verschließen. Im allgemeinen Sprachge-
brauch wird die Erkrankung oft als „offenes Bein“ bezeichnet.
Mediziner sprechen vom Unterschenkelgeschwür oder Ulcus
cruris.
Vor allem Diabetiker sind sehr häufig von gravierenden Durch-
blutungsstörungen in den Beinen betroffen, wodurch Gewebe
abstirbt und offene, chronische Wunden entstehen. Die Erkran-
kung wird als Diabetisches Fußsyndrom bezeichnet.
Dritte der häufigsten chronischen Wunden ist das Druckge-
schwür, der sogenannte Dekubitus. Betroffen sind vor allem
ältere, pflegebedürftige und bettlägerige Menschen. Der anhal-
tende Druck durch eine immer gleiche Liegeposition führt hier
zu Verletzungen der Haut, die bei schlechter Durchblutung eben-
falls nur sehr schlecht heilen. „Druckgeschwüre sind eigentlich
ein Zeichen unzureichender Pflege und können durch regelmä-
ßige Umlagerung und spezielle Matratzen und Unterlagen in
„Die Pflegekräfte hier
sind sehr fit in der
Wundbehandlung und
setzen die vom Arzt
verordnete Behand-
lung konsequent um.“
aller Regel verhindert werden“, erläutert Pflegedienstleiter
Schuster. Seit einigen Jahren schon haben die Städtischen Pfle-
geheime den „Expertenstandard Dekubitusprophylaxe“ umge-
setzt. Er definiert was zu tun ist, um die gefürchteten Druck-
geschwüre bei den pflegebedürftigen Bewohnerinnen und
Bewohnern zu verhindern. „Damit haben wir erreicht, dass ein
Dekubitus bei unseren Bewohnern nur noch sehr selten neu
auftritt.“
Gute Heilungserfolge dank konsequenter
Wundbehandlung
Wenn Tanja Diehl mittwochs ins Obertor kommt, steht immer
schon eine Mitarbeiterin aus dem Pflegedienst bereit. Gemein-
sam besuchen sie die Bewohnerinnen und Bewohner, die unter
chronischen Wunden leiden, beurteilen den Heilungsverlauf und
besprechen Anpassungen der Behandlung. Zudem wird die
Wundversorgung genau dokumentiert, damit alle Pflegekräfte
immer wissen, was zu tun ist. „Die Pflegekräfte hier sind sehr
fit in der Wundbehandlung und setzen die vom Arzt verordnete
Behandlung konsequent um“, urteilt die Wundmanagerin.
„Dadurch konnten wir schon viele gute Behandlungserfolge
erzielen.“ Dabei müsse für jeden Einzelfall eine individuelle
Lösung gefunden werden, die oft ein ganzes Bündel aus medi-
zinischen und pflegerischen Maßnahmen umfasst.
Neben der Wundversorgung mit speziellen Verbandmaterialien
ist die Schmerzbehandlung in aller Regel Teil der Behandlung
bei chronischen Wunden. Hinzu kommen Hilfsmittel wie Stütz-
strümpfe oder Entlastungsschuhe, die beim diabetischen Fuß-
syndrom helfen können. Auch die Ernährung kann eine Rolle
spielen und muss dann entsprechend umgestellt werden. Ein
ganz wichtiges Thema ist zudem die Lagerung und Mobilisie-
rung der betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner. In man-
chen Fällen ist auch zunächst ein gefäßchirurgischer Eingriff
nötig, um die Ursache der chronischen Wunde zu bekämpfen.
Die Gefäßchirurgen des Klinikums Esslingen überbrücken dann
etwa eine verschlossene Beinarterie mit einem Bypass oder
machen sie durch einen Stent von innen wieder durchlässig, um
so die Durchblutung zu verbessern.
Nicht selten müssen auch Kompromisse gefunden werden, weil
die Hochbetagten unter verschiedenen Erkrankungen leiden.
„Manchmal, wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist
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