Ausgabe 1>2015 - page 44

44 Esslinger Gesundheitsmagazin
1 2015
Anders sieht es beim Hepatitis-B-Virus
aus. Die Übertragung erfolgt über Blut
und Geschlechtsverkehr, trotzdem gehört
die Impfung laut STIKO zum Kombinati-
onsstoff, der bereits mit zwei Monaten
verabreicht wird. „Da denken viele Eltern:
Damit kann sich mein Baby doch gar nicht
anstecken“, sagt Dr. Hayd. „Fakt ist: die
Hepatitis B ist in Deutschland auf dem
Vormarsch. Im Prinzip reicht es schon,
wenn zwei Kinder zusammenknallen und
dabei eine blutende Platzwunde bekom-
men – oder auf dem Spielplatz benutzte
Nadeln oder Kondome finden. Das kam
alles schon vor.“
Komplikationen gab es schon
immer – nur jetzt kann man
sie verhindern
Mit zwölf Monaten folgen laut STIKO die
Impfungen gegen eine Reihe von Kinder-
krankheiten, die viele Erwachsene selbst
durchgemacht haben und somit häufig
verwundert sind, warum gegen Masern,
Mumps, Röteln (MMR) und Windpocken
geimpft werden muss. „Masern sind eine
Infektionskrankheit, die mit ernsten Kom-
plikationen einhergehen kann“, sagt Dr.
Hayd. Eine davon ist die SSPE (subakute
sklerosierende Panenzephalitis), eine zwar
sehr seltene, aber dafür besonders grau-
same Folgeerkrankung, bei der sich das
Gehirn sozusagen zersetzt. „Früher war
solch eine Komplikation schicksalhaft“,
sagt Dr. Hayd, „aber jetzt können wir sie
verhindern.“ Ähnlich verhält es sich bei
den anderen Krankheiten. Windpocken
können eine Kleinhirnentzündung hervor-
rufen oder durch einen starken Ausschlag
Gesichtsnarben fürs Leben zeichnen.
Mumps kann zu Hörschäden und bei
männlichen Jugendlichen zu einer
schmerzhaften Hoden- oder Nebenho-
denentzündung mit anschließender
Unfruchtbarkeit führen. Röteln können,
wenn sie während einer Schwangerschaft
auftreten, das Ungeborene lebensbedroh-
lich gefährden. Dadurch, dass man die
Kinder impft, schützt man die Schwange-
ren, weil viel weniger Rötelnviren im
Umlauf sind.
„Das sind alles Probleme, die es schon
immer gab“, sagt Dr. Hayd, „doch früher
hatten wir keine Mittel dagegen.“ Man
könne nicht bei jeder Erkrankung über
mögliche Komplikationen sprechen –
außer man ist in der Lage, sie zu verhin-
dern. Mit einer Impfung ist man in der
In Deutschland empfiehlt ein unabhängi-
ges Gremium aus Experten und Exper-
tinnen, die
Ständige Impfkommission
(STIKO)
, welche Impfungen in welchem
Lebensalter sinnvoll sind.
Die STIKO hat 12 bis 18 Mitglieder. Die
Mitglieder werden vom Bundesministeri-
um für Gesundheit (BMG) alle drei Jahre
neu berufen. Sie kommen aus unter-
schiedlichen Wissenschaftsdisziplinen,
aus dem Bereich des öffentlichen
Gesundheitsdienstes und der nieder­
gelassenen Ärzteschaft.
Vor ihrer Berufung müssen die Mitglie-
der Umstände offenlegen, die einen
möglichen Interessenskonflikt oder eine
Befangenheit im Aufgabenbereich der
STIKO begründen könnten. Die Mitglie-
der sind ferner verpflichtet, ihre vor der
Berufung gemachten Angaben regelmä-
ßig zu aktualisieren und vor jeder Sit-
zung dem Robert Koch-Institut (RKI)
mitzuteilen, ob zu einzelnen Tagesord-
nungspunkten Umstände vorliegen, die
zu einem Ausschluss von der Beratung
und Beschlussfassung führen könnten.
Denn die wissenschaftliche Arbeit der
Experten auf dem Gebiet des Impfwe-
sens bringt auch Kontakte mit Impfstoff-
herstellenden beziehungsweise -vertrei-
benden Unternehmen mit sich. So
werden Forschungsvorhaben an Hoch-
schulen und anderen wissenschaftli-
chen Einrichtungen auch durch Drittmit-
tel von privater Seite finanziert. Wenn
dies bei einem Mitglied der Fall ist, darf
es an der Beratung und Beschlussfas-
sung zu einzelnen Tagesordnungspunk-
ten oder an der Sitzung insgesamt nicht
mitwirken.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) tritt
in der Regel zweimal im Jahr zu nicht-
öffentlichen Sitzungen zusammen. Aller-
dings sind die Sitzungsprotokolle öffentlich
und können auf der RKI-Internetseite her-
untergeladen werden (
–> Kom-
missionen –> STIKO). Die Kommission
bewertet kontinuierlich die von der
Geschäftsstelle aufbereiteten Daten zur
Wirksamkeit und Verträglichkeit der Impf-
stoffe und zur Epidemiologie und Krank-
heitslast impfpräventabler Erkrankungen
sowie zu anderen Möglichkeiten der Prä-
vention.
Ein Vorschlag für eine Impfempfehlung
mit der dazugehörigen Bewertung wird
in einer Arbeitsgruppe aus zwei bis vier
STIKO-Mitgliedern, einem bis zwei Mit-
arbeitern der STIKO-Geschäftsstelle
sowie bei Bedarf aus externen Experten
(z.B. Vertreter des Paul-Ehrlich-Instituts)
erarbeitet. Der von der Arbeitsgruppe
erarbeitete Empfehlungsvorschlag wird
der STIKO zur Diskussion und abschlie-
ßenden Entscheidung vorgelegt.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist das
Bundesinstitut für Impfstoffe und bio-
medizinische Arzneimittel. Als Zulas-
sungsbehörde sorgt es für einen hohen
Standard bei Qualität, Wirksamkeit und
Sicherheit und führt selbst experimen-
telle Forschung durch. Neben der Zulas-
sung und staatlichen Chargenprüfung
von Impfstoffen obliegt auch die Erfas-
sung und Bewertung von Verdachtsfäl-
len von Impfkomplikationen dem PEI.
(Quelle: RKI, PEI, Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung)
„Es liegt in unserer Verantwor-
tung, die Kinder zu schützen,
wenn es einen Schutz gibt.“
>>>
Wie eine Impfempfehlung zustande kommt
1...,34,35,36,37,38,39,40,41,42,43 45,46,47,48,49,50,51,52
Powered by FlippingBook