48 Esslinger Gesundheitsmagazin
1 2015
oder wenn eine Operation, wie etwa eine Amputation, nicht
mehr gewollt ist, versorgen wir die Betroffenen auch palliativ“,
berichtet Tanja Diehl. Dann steht die Schmerzlinderung im Vor-
dergrund, begleitet von einer guten Wundversorgung.
Bei einer chronischen Wunde ist der Heilungsprozess an irgend-
einer Stelle unterbrochen. „Die Wundversorgung muss sich des-
halb immer daran orientieren in welcher Phase der Heilung sich
die Wunde befindet“, erklärt die Wundmanagerin. In der Reini-
gungsphase muss der Verband die austretende Wundflüssigkeit
aufnehmen, die Keime, Schmutz und abgestorbene Zellen ent-
hält. Zudem muss er vor weiteren Wundinfektionen schützen.
In der Granulationsphase kommt es darauf an die Wunde feucht
zu halten, damit sich Gefäße und Bindegewebe bilden können
und der Verband nicht mit der Wunde verklebt. In der Repara-
tionsphase bildet die Wunde nur noch wenig Wundflüssigkeit.
Deshalb muss der Verband die Wunde weiterhin leicht feucht
halten, damit die neugebildeten Zellen die Wunde verschließen
können. Für die „phasengerechte Wundversorgung“ gibt es die
jeweils geeigneten Wundauflagen, die den jeweiligen Heilungs-
prozess unterstützen.
Dabei ist eine feuchte Wundversorgung die Regel. Trockene
Mullkompressen beispielsweise verkleben mit der Wunde und
so würde beim Verbandwechsel neugebildetes Gewebe gleich
wieder zerstört. „Moderne Wundauflagen verschließen die
Wunde zudemmeist sehr dicht und sollten auch frühestens alle
zwei bis drei Tage gewechselt werden.“ Denn eine tägliche
Begutachtung der Wunde ist nicht nur unnötig, sondern stört
auch die für die Heilung erforderliche Wundruhe.
Etwa die Hälfte der chronischen Wunden können die Pflege-
kräfte bei den hochbetagten Bewohnerinnen und Bewohnern
der Städtischen Pflegeheime mit Unterstützung durch die
Wundmanagerin heilen. Sind eine weit fortgeschrittene arte-
rielle Verschlusskrankheit oder ein diabetischer Fuß die Ursache,
gelingt die vollständige Heilung jedoch oft nicht. „Unser Ziel
ist es, dass die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner
durch die offene Wunde keine Einschränkung haben, dass sie
schmerzfrei sind und im Rahmen ihrer Möglichkeiten am Leben
im Pflegeheim teilhaben können“, beschreibt Pflegedienstleiter
Silvio Schuster – oder in Schlagworten – Lebensqualität ist das
Ziel.
so
„Unser Ziel:
mehr Lebensqualität
für die Betroffenen.“
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Nach der Wundversorgung
dokumentieren Wundmanage-
rin Tanja Diehl (rechts) und
Pflegekraft Hanlika Luu den
Behandlungserfolg
Wundheilung in vier Phasen
„Bei normalem Heilungsverlauf ist eine Wunde
nach zwei bis vier Wochen abgeheilt“, erläutert
Tanja Diehl. Dabei durchläuft die Wunde ver-
schiedene Phasen. Bei Verletzung von Blutgefä-
ßen setzt zunächst sofort die Blutgerinnung ein.
Wenige Stunden nach der Verletzung folgt die
Entzündungs- oder Reinigungsphase, die bis zu
vier Tage dauern kann. Dabei greifen sogenannte
Fresszellen eingedrungene Mikroorganismen an.
Gleichzeitig werden Zellen angeregt, neues
Gewebe zu bilden. Das beginnt nach etwa vier
Tagen mit der Neubildung von Gefäßen. Umlie-
gendes Gewebe wächst zudem von außen in die
Wunde hinein und bildet neues Bindegewebe.
Granulationsphase lautet der Fachbegriff für die-
sen Vorgang. Abgestorbenes Gewebe, Bakterien
und Fremdkörper in der Wunde können den Pro-
zess verzögern, weil die Entzündungsphase dann
länger dauert. Mit der Reparations- oder Epitheli-
sierungsphase wird die Wundheilung schließlich
abgeschlossen. Zellen teilen sich und schwim-
men auf der feuchten Wundoberfläche von den
Rändern zur Mitte und verschließen schließlich
die Wunde.