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2 2016

Esslinger Gesundheitsmagazin 19

„Bei einer gesunden Leber reichen 30 Prozent aus, um die volle

Leistung zu erbringen“, erklärt Professor Dr. Ludger Staib, Chef-

arzt der Klinik für Allgemeinchirurgie und Transplantationsbe-

auftragter am Klinikum Esslingen. Schädigungen durch Infekti-

onen wie Hepatitis oder Entzündungen kann die Leber lange

kompensieren. Aber Alkohol, Medikamente oder eine fettreiche

Ernährung können die Leberfunktion beeinträchtigen und etwa

zu Leberzirrhose oder einer Fettleber führen. Im Klinikum Ess-

lingen werden Patienten mit solchen Erkrankungen im Leber-

zentrum behandelt. Reichen Medikamente nicht mehr aus, wird

eine Lebertransplantation nötig. Anders als bei anderen Organen

kann nicht nur die Leber von Verstorbenen entnommen werden.

Bei Leber, Niere und Knochenmark ist auch die Organspende

durch einen lebenden Menschen möglich. 1995 wurde erstmals

die Lebendspende einer Leber durchgeführt. „Dem Spender wird

ein Teil der Leber entnommen und dem Empfänger eingepflanzt“,

erläutert Professor Staib, der an der Uniklinik Ulm selbst schon

an Transplantationen mitgewirkt hat und Mitglied im „Aktions-

bündnis Organspende“ des Landes ist. In Esslingen allerdings

werden Organe nur entnommen. Dafür kommt ein spezielles

Entnahmeteam ins Haus.

Voraussetzung für eine Organspende ist, dass die Leber nicht

erkrankt ist und gut funktioniert. Das Alter des Spenders ist

weniger relevant. Auch muss die Größe für den Empfänger pas-

sen. Entscheidend für den Erfolg der Transplantation ist zudem

die Übereinstimmung der Gewebemerkmale von Spender und

Empfänger. „Wenn wenig Zeit zwischen Entnahme und Trans-

plantation vergeht, muss die Übereinstimmung nicht so hoch

sein“, erklärt der Mediziner. Das spricht für eine Lebendspende,

die einen besseren Transplantationserfolg verspricht. „Sie ist

aber am heikelsten, weil ja auch der Spender Schaden nehmen

kann“, gibt Professor Staib zu bedenken.

Das Verfahren für eine Lebendspende ist genau vorgeschrieben

und im Transplantationsgesetz geregelt. In einer Transplantati-

onskonferenz und einer Ethikkommission wird unter anderem

abgeklärt, dass kein Zwang auf den Spender ausgeübt wurde.

Bei einer Organentnahme an einem Toten muss zunächst der

Hirntod von zwei Ärzten eindeutig festgestellt sein. Besitzt der

Verstorbene einen Organspende-Ausweis, kann es dann unter

Umständen ganz schnell gehen. Wenn nicht, müssen die nächs-

ten Angehörigen ihre Zustimmung geben. „Das kostet mögli-

cherweise wertvolle Zeit und ist für die Familien oft sehr belas-

tend“, wirbt Professor Staib dafür, einen Organspende-Ausweis

auszufüllen. Dort könne man genau festlegen, welche Organe

oder auch dass keine Organe entnommen werden dürfen. Das

ist für die Ärzte bindend. „In Esslingen wird pro Jahr höchstens

eine Organentnahme durchgeführt“, erklärt der Arzt und bedau-

ert, dass Baden-Württemberg deutschlandweit mit 9,9 Spendern

pro einer Million Einwohner unterdurchschnittlich vertreten ist.

„Man könnte in vielen Fällen sehr gut transplantieren, aber es

gibt nicht genug Spender.“

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation koordiniert bun-

desweit die Organspende nach dem Tod. Die gemeinnützige Stif-

tung Eurotransplant vermittelt die Organe. Wer ein gespendetes

Organ bekommt, richtet sich nach der Übereinstimmung, der

Dringlichkeit und der Erfolgsaussicht. Dafür gibt es ein Punkte-

system. Wer wie Heinz Suhling (s. Interview) in eine lebensbe-

drohliche Situation gerät, wird auf der Warteliste rasch nach

oben gestuft. Viele warten jedoch jahrelang auf eine neue Leber.

„Dabei sind die Erfolgsaussichten umso besser, wenn die Pati-

enten nicht so krank sind“, erklärt der Chirurg. 12.000 Patienten

in Deutschland warten derzeit auf ein Organ.

„Die meisten Patienten können nach einer Transplantation ein

ganz normales Leben führen“, weiß Professor Staib. „Manche

können Marathon laufen, Profisport betreiben oder wie Außen-

minister Steinmeier, der seiner Frau eine Niere spendete, als Poli-

tiker arbeiten.“ Allerdings sollten Lebertransplantierte auf alles

verzichten, was den Körper bzw. die Leber unnötig schädigt wie

Alkohol, Drogen oder übermäßig kalorienreiches Essen. Auch

sollten sie sich vor Infektionen schützen, zum Beispiel durch eine

Grippeschutzimpfung. Die Nachsorge der Patienten mit regel-

mäßigen Kontrolluntersuchungen übernimmt das Esslinger

Leberzentrum. Die größte Einschränkung für die Transplantierten

seien die Medikamente, die sie ein Leben lang einnehmen müs-

sen, meint Professor Staib. Sogenannte Immunsuppressiva sol-

len eine Abstoßung des fremden Organs verhindern. „Kommt es

zu einer solchen Abstoßung, die meist schleichend abläuft,

kann das meist gut mit Cortison behandelt werden“, erklärt

der Fachmann. Knapp 30 Jahre kann eine solche Spenderleber

funktionieren. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate der Transplan-

tierten liegt bei über 80 Prozent, die Zehn-Jahres-Rate bei

über 70 Prozent.

All das sind Argumente, die den Transplantationsbeauftragten

vehement für den Organspende-Ausweis eintreten lassen: „70

Prozent aller Deutschen befürworten die Organspende, aber nur

zwölf Prozent haben einen Spenderausweis“, verweist er auf eine

große Diskrepanz.

urh

„Man könnte in vielen

Fällen sehr gut trans­

plantieren, aber es gibt

nicht genug Spender.“

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Prof. Dr. Ludger Staib

Klinikum Esslingen

Klinik für Allgemein-

und Viszeralchirurgie

Chefarzt Prof. Dr. Ludger Staib

Telefon 0711 3103-2601

l.staib@klinikum-esslingen.de