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Esslinger Gesundheitsmagazin 41
Operative Eingriffe an der Wirbelsäule
sind etwas für standfeste und ausdau-
ernde Operateure. Denn eine zehnstün-
dige OP-Dauer ist keine Seltenheit, wenn
es darum geht, das Rückgrat des Men-
schen wieder ins Lot zu bringen. Manch-
mal ist sogar ein Arbeitstag nicht lang
genug. „Operationen an der Wirbelsäule
sind gelegentlich so aufwändig, dass wir
sie auf zwei Termine aufteilen müssen“,
sagt Dr. Oliver Dörr, Leitender Oberarzt
des Fachbereichs Wirbelsäulenorthopädie
der Klinik für Unfallchirurgie und Ortho-
pädie am Klinikum Esslingen. Das ist dann
aber nicht allein dem Standvermögen der
Operateure geschuldet, sondern natürlich
auch der Belastbarkeit der Patienten,
denn eine zu lange Operations- und damit
Narkosedauer ist mit Risiken verbunden.
Seit drei Jahren ist Dr. Dörr in Esslingen
und er hat in dieser Zeit die Wirbelsäulen-
chirurgie kontinuierlich ausgebaut. „Wir
können hier inzwischen alle Eingriffe
durchführen, bieten also eine Vollversor-
gung im Bereich der Wirbelsäule“, so der
Oberarzt. Und das auf sehr hohem Ni-
veau, wie Professor Dr. Jürgen Harms be-
stätigt: „Esslingen hat alles, was man für
eine erstklassige Wirbelsäulenchirurgie
benötigt – bestens ausgebildete Ärzte,
eine hervorragende technische Ausstat-
tung und eine funktionierende interdiszi-
plinäre Zusammenarbeit mit allen ande-
ren Fachbereichen“, lobt der ehemalige
Chefarzt des Klinikums Karlsbad-Langen-
steinbach und einer der weltweit erfah-
rensten Experten fürWirbelsäulenchirurgie.
Wirbelsäulenchirurgie geht
nicht nebenbei
Seit rund einem Jahr kommt Professor
Harms einmal in der Woche nach Esslin-
gen. Als Consultant unterstützt er das
OP-Team um Dr. Dörr, vor allem bei sehr
komplexen Eingriffen. Auch seine eige­
nen Patienten – seit seinem altersbeding-
ten Ausscheiden in Karlsbad-Langen-
steinbach ist der 69-Jährige privatärztlich
aktiv – operiert er im Klinikum der ehe-
maligen Reichsstadt am Neckar. Vor 30
Jahren hat er mit der Wirbelsäulenchirur-
gie begonnen, seit 25 Jahren ist es sein
ausschließliches Betätigungsgebiet. „Eine
solche Spezialisierung ist unbedingt not-
wendig, um der Vielfältigkeit des Fachbe-
reichs gerecht zu werden“, so der Wirbel­
säulenexperte, der in seiner Laufbahn
weit über 10.000 Wirbelsäuleneingriffe
durchgeführt hat.
Auch Dr. Dörr, ausgebildeter Unfallchirurg
und Orthopäde, ist inzwischen nur noch
an der Wirbelsäule tätig: „Die Anforde-
rungen, die die Wirbelsäule an uns Chir-
urgen stellt, sind so hoch, dass man dieses
Fachgebiet nicht nebenbei bearbeiten
kann.“ Beide würden es deshalb begrü-
ßen, wenn es einen eigenständigen Fach-
arzt für Wirbelsäulenchirurgie geben
würde. „Andere Länder sind da weiter“, so
Dr. Dörr. In Deutschland hat 2013 im-
merhin die Zertifizierung der an der Wir-
belsäule tätigen Mediziner durch die
entsprechenden Fachgesellschaften be-
gonnen. Dr. Dörr war gleich beim ersten
Zertifizierungslehrgang dabei – und hat
ihn mit Erfolg abgeschlossen.
Revisionseingriffe brauchen
Zeit und Können
In Esslingen werden jährlich etwa 300
Wirbelsäuleneingriffe durchgeführt. „Das
hört sich nicht nach viel an, ist aber an-
gesichts der zum Teil sehr langen Opera-
tionsdauer beachtlich“, sagt Professor
Harms. Die eingangs erwähnten zehn-
stündigen Operationen sind sicher nicht
die Regel, kommen aber immer wieder vor.
Es sind vor allem starke Verkrümmungen
der Wirbelsäule (Skoliosen), altersbe­
dingte Deformitäten sowie Wirbelsäu­
lentumoren, die problematisch werden
können und dann sehr aufwändige Ope-
rationen nach sich ziehen. „Auch Revisi-
onseingriffe zur Korrektur oder Verbesse-
rung einer vorhergegangenen Operation
sind meist äußerst komplex und langwie-
rig und erfordern das ganze Können des
Operateurs“, betont Dr. Dörr.
Dass Wirbelsäuleneingriffe so aufwändig
sind, hat verschiedene Gründe. Da ist vor-
rangig die Enge am Eingriffsort. In der
Wirbelsäule liegt das Rückenmark, das
unbeschädigt bleiben muss. „Wenn etwas
in den Wirbelkanal hineinreicht, etwa
Knochenteile nach einer Fraktur, Band-
scheibenanteile nach einem Bandschei-
benvorfall oder Tumore, wird es richtig
eng. Dann bleiben nur wenige Millimeter
Platz“, erklärt Professor Harms. Lupenbril-
len und Operationsmikroskope gehören
daher zur Standardausrüstung. Ein weite-
rer Grund ist oft der Zustand des Kno-
chens: Vor allem degenerative Wirbel­
säulenerkrankungen bei älterenMenschen
sind regelmäßig mit schlechter Knochen-
qualität verbunden. Die Fixierung von
Schrauben oder Implantaten wird so zum
mühsamen Unterfangen.
Etwa 150 der jährlich 300 Wirbelsäulen-
operationen am Klinikum Esslingen
betreffen solche degenerativen Prozesse.
Bei 50 bis 100 Eingriffen werden Brüche
behandelt, wobei sich Altersbrüche auf-
grund von Osteoporose und unfallbe­
dingte Brüche, die nicht selten einen auf-
wändigen Wirbelkörperersatz nach sich
ziehen, die Waage halten. Der Rest der
Eingriffe sind Bandscheibenoperationen,
die Beseitigung von Engstellen der Wir-
belsäule und des Spinalkanals, Tumor­
entfernungen und das Geraderücken ver-
krümmter Wirbelsäulen.
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Geraderücken einer degenerativen Skoliose (Wirbelsäulen­
verkrümmung) mittels umfangreicher Implantate
Stabilisierung einer Wirbelfraktur mit Schrauben,
gestützt durch ein Wirbelkörperersatzimplantat
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