1 2014
Esslinger Gesundheitsmagazin 45
Beim Berkheimer Allgemeinmediziner Dr.
Hans-Christian Anthoni steht an diesem
Dienstag die 14-tägige Visite im nahen
städtischen Altenpflegeheim auf dem
Programm. Krankenschwester Margot
Senz erwartet ihn schon. Im Pflegedienst-
zimmer im zweiten Stock hat sie die Pfle-
gedokumentation all der Bewohnerinnen
und Bewohner vorbereitet, die der Haus-
arzt betreut. Bevor der mit jedem ein
zelnen persönlich spricht, informiert ihn
Margot Senz über gesundheitliche Ver
änderungen und Beschwerden, über Medi
kamentenwirkungen und über alles, was
die Pflegedienstmitarbeiter seit der letz-
ten Arztvisite bei seinen Patienten beob-
achtet und dokumentiert haben. Danach
geht es zur Visite.
Im großen, hellen Gemeinschaftsraum
wartet Karin Strecker schon auf Dr. An-
thoni. Sie ist heute die erste Bewohnerin,
die der Arzt im Altenpflegeheim Berkheim
besucht. Für die Untersuchung zieht sich
Dr. Anthoni mit seiner Patientin in deren
Zimmer zurück. Blutdruck und Puls sind
in Ordnung, aber Frau Strecker klagt wie-
der über Schmerzen im Arm. Dr. Anthoni
gibt ihr eine Spritze mit einem Schmerz-
medikament.
Im Pflegeheim Berkheim ist das inzwi-
schen der routinierte Ablauf eines ganz
normalen Hausarztbesuches. Möglich
macht das ein sogenannter Vertrag zur
integrierten Versorgung im Pflegeheim,
den die AOK Baden-Württemberg mit
dem Hausärzteverband, der Ärzteorgani-
sation Medi, den Städtischen Pflegehei-
men Esslingen und einigen Altenpflege-
heimen in Stuttgart geschlossen hat.
„Davor war die hausärztliche Versorgung
der Bewohnerinnen und Bewohner bei uns
unzureichend. Teils hatten wir Schwierig-
keiten, beim Heimeinzug überhaupt einen
Arzt zu finden, der bereit war, die Betreu-
ung im Heim zu übernehmen“, berichtet
Thilo Naujoks, Geschäftsführer der Städ-
tischen Pflegeheime Esslingen. „Die Ver-
gütung der Hausbesuche war für die Ärzte
viel zu gering und so waren die Ärzte kaum
zu bewegen, ins Pflegeheim zu kommen.“
Rund 35 Euro brutto erhielt ein Hausarzt
pro Patient und Quartal, egal wie viele
Hausbesuche nötig waren oder wie oft er
ins Pflegeheim kam. Gemeinsam mit
Bernhard Schneider, damals Geschäfts-
führer beim Stuttgarter Eigenbetrieb
leben&wohnen und heute bei der Evan-
gelischen Heimstiftung, schlug Naujoks
2010 Alarm – in der Öffentlichkeit und vor
allem auch bei den Krankenkassen.
Zunächst jedoch mit wenig Erfolg: „Bei
der Suche nach einer Lösung für die Ver-
besserung der ärztlichen Versorgung im
Pflegeheim blieb die Diskussion zunächst
oft in gegenseitigen Schuldzuweisungen
stecken.“
Offene Ohren fanden sie schließlich bei
Dieter Kress, dem damaligen Geschäfts-
führer der AOK Neckar Fils. Mit seiner Un-
terstützung gelang es doch, alle Beteilig-
ten an einen Tisch zu bekommen. Heraus
kam der integrierte Versorgungsvertrag
mit den Ärzteverbänden und der AOK. Ab
1. Januar 2011 sollte er im Rahmen eines
Modellprojektes beweisen, ob er die Er-
wartungen erfüllt. Neben einzelnen Hei-
men in Stuttgart beteiligten sich die Städ-
tischen Pflegeheime Esslingen mit ihren
drei Häusern an demModellversuch. „Der
Vertrag ist ein erster ermutigender Schritt
in die richtige Richtung“, kommentierte
Thilo Naujoks noch sehr vorsichtig den
Abschluss. „Ärzteverbände, Pflegeheim-
träger und Krankenkassen haben sich
erstmals zur gemeinsamen Verantwor-
tung für Bewohner und Patienten bekannt
und die ärztliche Versorgung pflegebe-
dürftiger Menschen im Heim auf ein neu-
es Fundament gestellt.“
Altenpflegeheime klagen, dass Hausärzte zu selten zur Visite
ins Heim kommen. Ein Versorgungsnetzwerk aus Ärzten und
den drei Städtischen Pflegeheimen in Esslingen hat die haus
ärztliche Versorgung verbessert – zumindest für AOK-Versicherte.
Zum Hausbesuch
ins Pflegeheim
>>>