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Patienten dann zur weiteren Abklärung an einen Gastroentero-

logen.“ Bei beiden chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

kann es zudem zu Mangelerscheinungen von Spurenelementen

wie Eisen und Vitaminen, insbesondere D und B12, kommen, die

bei gesunden Menschen im Dünndarm vom Körper aufgenom-

men werden. Die chronische Entzündung vermindert eine Auf-

nahme der Spurenelemente und Vitamine, die deshalb in Form

von Tabletten oder Depotspritzen ergänzt werden müssen.

Rund 300.000 Menschen in Deutschland leiden unter Morbus

Crohn, bei rund 250.000 wurde Colitis ulcerosa diagnostiziert.

Tendenz steigend, denn die Zahl der Neuerkrankungen nimmt

zu. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. „Die

meisten Neuerkrankungen verzeichnen wir bei Menschen im

Altern zwischen 15 und 35 Jahren“, sagt Dr. Vogt. „Aber auch

Kleinkinder können schon erkranken und bei älteren Menschen

jenseits der 80 kann eine chronisch entzündliche Darmerkran-

kung auch noch ausbrechen.“

Viele Hypothesen und Forschungsansätze

Zu den Ursachen der beiden chronisch entzündlichen Darmer-

krankungen gibt es bislang viele Vermutungen, aber noch keine

gesicherten Erkenntnisse. Zum Beispiel über die Rolle der soge-

nannten Defensine: Verteidigen heißt im Englischen to defend.

Verteidigung ist auch die Aufgabe der Defensine in unserer

Darmschleimhaut. Die körpereigenen Antibiotika sorgen dafür,

dass Giftstoffe und Bakterien aus der Nahrung die Darmzellen

nicht beschädigen können. Eine zu dünne Schutzschicht mit zu

wenigen Defensinen halten Forscher inzwischen für eine mög-

liche Ursache dafür, dass bei einigen Menschen Teile des Darms

chronisch entzündet sind. Genetische Veränderungen werden

ebenfalls als Auslöser genannt. In manchen Familien treten

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gehäuft auf. „Bei einigen

Menschen scheint die Anlage für eine chronisch entzündliche

Darmerkrankung genetisch vorhanden zu sein“, erklärt Dr.

Meinikheim. „Wann und warum sie aktiviert wird, ist jedoch

nicht bekannt.“ Diskutiert werden unter anderem Virusinfekti-

onen als Startmodul. Unsere Ernährung, Medikamente, aber

auch unsere Lebensweise mit gelegentlich übertriebener Hygi-

ene sowie Umweltgifte könnten für die chronisch entzündlichen

Darmerkrankungen mitverantwortlich sein. Bewiesen ist jedoch

nichts davon.

Beide, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, sind chronische

Erkrankungen. Eine Heilung ist bei Morbus Crohn nicht möglich,

bei Colitis ulcerosa nur durch die komplette Entfernung des

Dickdarms. „Das heißt, die Betroffenen müssen sich, nachdem

die Diagnose feststeht, in der Regel lebenslang mit der Erkran-

kung arrangieren“, sagt Dr. Meinikheim. Dazu gehört auch der

regelmäßige Haus- und Facharztbesuch, ein bis zweimal im Jahr

und zusätzlich bei einem akuten Krankheitsschub. „Ein Spezia-

list für Magen- Darmerkrankungen, also ein Gastroenterologe,

sollte die betroffenen Patienten begleiten“, meint auch Dr. Vogt.

„Denn die Behandlung kann sehr komplex sein.“ Wichtig sei

zudem, dass die Patienten Vertrauen aufbauen zu ihrem Arzt

und auch zu den angebotenen Therapien. „Vor allem bei einem

akuten Schub sollten die Betroffenen nicht abwarten, sondern

möglichst bei den ersten Anzeichen ihren Arzt aufsuchen“,

ergänzt Dr. Meinikheim. „Mit einer raschen, effektiven Behand-

lung ist es oft möglich, den Krankheitsschub einzufangen, und

so Dauer und Auswirkungen des Schubs zu verringern.“

Da die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen bei den ein-

zelnen Betroffenen höchst unterschiedlich verlaufen, ist in der

Regel auch eine sehr individuelle Therapie nötig. Und die Pati-

enten müssen sich auch selbst aktiv mit ihrer Erkrankung aus-

einandersetzen. Das beginnt beim Essen. „Spezielle Diäten gibt

es nicht“, so Dr. Meinikheim. „Im Laufe der Zeit lernen die Pati-

enten aber immer besser, was gut für sie ist und was nicht und

worauf sie besser ganz verzichten.“ Auch ein gutes seelisches

Gleichgewicht kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.

Andererseits können Ärger und Stress die Patienten anfälliger

machen für einen akuten Schub. Ein besonderes Thema ist das

Rauchen. Bei Morbus Crohn ist die Sache klar: Rauchen hat

negative Auswirkungen auf den Verlauf, auf mögliche Schübe

und Komplikationen der Erkrankung. Anders bei Collitis ulcerosa:

„Die Erkrankung kann unter Umständen ausbrechen, wenn

jemand mit dem Rauchen aufhört“, berichtet Dr. Meinikheim.

Medikamententherapie in

mehreren Eskalationsstufen

„Die Leitlinien der Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie,

Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) sehen die

Behandlung nach einem Stufenschema vor“, berichtet Dr. Vogt.

Die Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaft geben den

Ärzten Handlungsempfehlungen für die Therapie an die Hand,

die aber immer an die individuelle Situation des Patienten ange-

passt werden. „Viele Patienten kommen mit einer minimalen

medikamentösen Therapie sehr gut aus“, so Dr. Vogt. Etwa zwei

Drittel seiner Patienten sprechen auf diese Basistherapie gut an

und sind damit gut eingestellt, schätzt Dr. Meinikheim. Meist

wird dazu der entzündungshemmende Wirkstoff Mesalazin ein-

gesetzt, als Tablette, als Granulat oder, wenn bei Colitis ulcerosa

nur der letzte Darmabschnitt betroffen ist, auch als Klysma,

Schaum oder Zäpfchen. Oft können damit die Abstände zwi-

schen den Krankheitsschüben vergrößert werden. „Bei einem

akuten Schub ist dann häufig Cortison, zunächst relativ hoch

dosiert, nötig“, so Dr. Meinikheim. Die Therapie beginnt meist

mit bis zu 50 Milligramm Prednisolon, wobei die Dosis über die

nächsten acht bis zwölf Wochen alle sieben Tage verringert wird.

8 Esslinger Gesundheitsmagazin

2 2016

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Aktives Stadium der Colitis

ulcerosa – Feingewebequerschnitt

Feingewebsschnitt,

Morbus Crohn