

2 2016
Esslinger Gesundheitsmagazin 11
„Kaum eine Zellart unseres Körpers teilt
sich so häufig und bildet neue Zellen
wie die Zellen, die von den blutbilden-
den Stammzellen im Knochenmark pro-
duziert werden“, sagt Professor Dr.
Michael Geißler, Chefarzt der Klinik für
Allgemeine Innere Medizin, Onkologie
/ Hämatologie, Gastroenterologie und
Infektiologie. „Deshalb sind Blutzellen
empfänglich für genetische Verände-
rungen und reagieren sensibel auf
schädigende Einflüsse wie Strahlung
oder giftige chemische Stoffe.“ Dabei
unterscheidet die Hämatologie, das
medizinische Fachgebiet, das sich mit
den Erkrankungen des Blutes beschäf-
tigt, zwischen gutartigen – medizinisch
benignen – und bösartigen – malignen
– Erkrankungen. Hinzu kommen Blu-
tungserkrankungen aufgrund von
Gerinnungsstörungen oder die Abklä-
rung von Thrombosen und Embolien,
also von Blutgerinnseln.
Zu den benignen Bluterkrankungen zäh-
len beispielsweise die verschiedenen For-
men der Anämie, der Blutarmut. Die Pati-
enten sind müde und abgeschlagen,
ihnen wir leicht schwindelig. In schwere-
ren Fällen schlägt das Herz schneller oder
der Puls wird schwächer und es kann zu
Schweißausbrüchen kommen. Mit einer
einfachen Blutuntersuchung lässt sich
die Anämie diagnostizieren. Anschlie-
ßend gilt es, die Ursachen zu finden. Eine
verminderte Blutneubildung in den
Stammzellen kommt ebenso in Frage, wie
eine akute oder chronische Blutung oder
ein vermehrter Abbau in der Milz. Eine
besondere Form der Blutarmut ist bei-
spielsweise die Eisenmangelanämie. Ist
das Spurenelement Eisen nicht ausrei-
chend vorhanden, ist die Blutneubildung
lung von akuten Leukämien, die in
Zusammenarbeit mit den deutschen Stu-
diengruppen und den umliegenden uni-
versitären Zentren behandelt werden und
ein spezialisiertes Know-how benötigen.
Genanalyse vor der Therapie
„Bevor wir eine Therapieentscheidung bei
einer Leukämie treffen, ist inzwischen
eine Genanalyse für eine differenzierte
Diagnose und Therapie Standard“, so
Professor Geißler. Denn in der Regel sind
Gendefekte Auslöser für eine Leukämie.
Bis zu 50 Genveränderungen lassen sich
bei einer Leukämie feststellen. Das Blut
der Patienten wird zur Analyse in Spezi-
allabor s nach Ulm oder München
geschickt, die innerhalb von drei bis vier
Tagen die genaue Genanalyse liefern. „Je
nach der im Einzelfall vorliegenden Gen-
mutation fällt die Therapie unterschied-
lich aus. Zudem können wir damit auch
eine Prognose zum Krankheitsverlauf
abgeben.“
Unterschieden werden plötzlich auftre-
tende akute Leukämien und schleichend
beginnende chronische Leukämien.
Sowohl Kinder und Jugendliche als auch
Erwachsene können erkranken. Was
genau die Mutation der blutbildenden
Stammzellen und die Gendefekte auslöst,
ist nicht sicher geklärt. Bestimmte Zyto-
statika, also Medikamente zur Behand-
lung anderer Krebsarten,
im Knochenmark gestört. „Die allermeis-
ten gutartigen Bluterkrankungen werden
ambulant vom Hausarzt oder niederge-
lassenen Hämatologen behandelt“,
erklärt Professor Geißler. In seiner Klinik
dagegen werden ganz überwiegend Pati-
enten mit bösartigen, malignen Blut- und
Lymphdrüsenkrebserkrankungen betreut.
Innerhalb des Onkologischen Schwer-
punkts Esslingen ist das Klinikum Esslin-
gen das Spezialzentrum für die Behand-
„Blut ist ein ganz
besonderer Saft.“
So sagt Mephisto in Goethes Faust und verlangt, dass der Teufelspakt mit
Fausts Blut unterschrieben wird. Ein besonderer, lebenswichtiger „Saft“
ist Blut tatsächlich. Fünf bis sechs Liter Blut werden ständig durch unse-
ren Körper gepumpt und bis in die entlegenste Körperzelle transportiert,
um sie mit Sauerstoff zu versorgen. Verantwortlich für den Sauerstoff-
transport aus der Lunge in den Körper sind die roten Blutkörperchen. Auf
dem Rückweg transportieren sie Kohlendioxid ab, das über die Lunge
schließlich abgeatmet wird. Die weißen Blutkörperchen dienen der Krank-
heitsabwehr, sie sind zentraler Teil unseres Immunsystems. Die Blutplätt-
chen schließlich sorgen dafür, dass wir bei einer Verletzung nicht verblu-
ten, dass das Blut gerinnt und so die Wunde verschließt. Neben diesen
festen Blutbestandteilen besteht unser Blut zu etwa 60 Prozent aus dem
flüssigen Blutplasma, das Stoffwechselprodukte und Abwehrstoffe, Hor-
mone und Gerinnungsfaktoren enthält. Durch seinen ständigen Kreislauf
im Körper sorgt das Blut außerdem für eine konstante Körpertemperatur
von 36 bis 37 Grad beim gesunden Menschen. Die meisten Blutbestand-
teile haben nur eine begrenzte Lebensdauer, rote Blutkörperchen zum
Beispiel von 30 bis 120 Tagen und die Blutplättchen sogar nur von drei bis
zehn Tagen. Im Knochenmark werden deshalb von den Stammzellen
durch Zellteilung permanent neue Blutbestandteile gebildet. Abgebaut
werden die Blutbestandteile vor allem in der Milz.
30
bis
120
Tage beträgt die Lebensdauer
der roten Blutkörperchen.
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