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Sonderausgabe 2015

Esslinger Gesundheitsmagazin 5

Dr. Joas, ein Jahr lang haben Sie den Start Ihrer

neuen Klinik vorbereitet. Ist Ihnen alles so

gelungen, wie es geplant war?

Wir haben gemeinsam entscheidende Dinge auf den

Weg bringen und auch umsetzen können. Der Pati-

entenzuwachs von über 80 Prozent in unserer Ambu-

lanz in Esslingen zeigt die große Nachfrage. In unse-

rer neuen Psychiatrischen Institutsambulanz in

Nürtingen bieten wir aktuell einmal wöchentlich Ter-

mine an. Das ist noch ausbaufähig.

Sie haben sich ein multiprofessionelles Team

gewünscht. Konnten Sie alle Stellen besetzen?

Unser Team besteht aus Ärzten, Psychologen, Thera-

peuten – darunter Kunst-, Bewegungs- sowie Musik-

therapeuten –, Erziehern, Sozialpädagogen und Pfle-

genden. Wir haben über 50 neue Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter eingestellt, davon der Großteil im

Pflege- und Erziehungsdienst. Wir wollen eine

moderne, offene und vernetzte Kinder- und Jugend-

psychiatrie sein, in der alle Berufsgruppen an einem

Strang ziehen und in der eine wertschätzende Atmo-

sphäre herrscht, denn nur so kann eine gute Kinder-

und Jugendpsychiatrie funktionieren.

An welchen psychischen Erkrankungen leiden

Kinder und Jugendliche?

Kinder und Jugendliche zeigen häufig eine breite

Symptomatik, die einer sehr genauen Einschätzung

und Diagnostik bedarf. Wir beobachten, dass der

Anpassungsdruck, dem die Kinder immer früher aus-

geliefert sind, psychische Probleme begünstigt.

Schulverweigerung und selbstverletzendes Verhalten

sind typische Beispiele dafür. Selbstverletzendes Ver-

halten ist bei vielen Jugendlichen ein Thema. Zahl-

reiche Jugendliche probieren es einmal aus, aber es

gibt auch einige, die sich über lange Zeit selbst ver-

letzen. In den seltensten Fällen stecken konkrete

Selbstmordgedanken dahinter. Ritzen ist fast immer

ein Ausdruck des Druckablassens, ein Ventil. Die

Jugendlichen sehen darin eine Möglichkeit der Ent-

lastung ihrer inneren Anspannung und ihrer negati-

ven Gefühle. Störungen bei Kindern und Jugendlichen

können Anzeichen für Probleme sein, die die ganze

Familie betreffen. Deshalb brauchen wir in der Kin-

der- und Jugendpsychiatrie immer familientherapeu-

tische Ansätze.

Wie können Eltern „normale“ Pubertätspro-

bleme von psychischen Erkrankungen unter-

scheiden?

Schulverweigerung oder Selbstverletzung sind immer

ein Alarmzeichen, das man ernst nehmen muss. Es

ist wichtig, psychische Störungen wie Depressionen,

Zwangsstörungen, Angststörungen und Traumatisie-

rungen früh zu erkennen und zu behandeln. Trotzdem

scheuen Eltern sehr lange den Gang zum Psychiater.

Psychiatrie hat immer noch dieses Stigma. Deshalb

bieten wir ganz einfache Zugangswege, Ambulanzen,

in denen sich verunsicherte Eltern mit ihren Kindern

beraten lassen können.

kw

Chefarzt Dr. Gunter Joas

„Modern, offen,

vernetzt“