1 2013
Esslinger Gesundheitsmagazin 23
Herr Dr. Zieger, immer mehr Men­
schen werden immer ä lter, d ie
Bevölkerungspyramide verschiebt
sich zusehends. Wie geht die Stadt
Esslingen mit dieser Entwicklung
um?
Die demographische Entwicklung stellt
auch unsere Stadt vor große Herausfor­
derungen. Wir müssen reagieren auf
diese gravierenden Veränderungen in
unserer Bevölkerung und prüfen, ob In­-
frastruktur und Versorgungsleistungen
auch in Zukunft noch den Bedürfnissen
unserer Bürgerinnen und Bürger entspre­
chen. Glücklicherweise müssen wir hier
nicht bei Null anfangen. Schon 1983 hat
der Gemeinderat erstmals eine Analyse
zur Weiterentwicklung der Seniorenar­
beit und der Altenhilfe verabschiedet.
Das war der Beginn einer Entwicklung,
die bis heute immer weiter fortgeschrie­
ben und angepasst wurde. Im Dezember
2012 hat die Stabsstelle Bürgerengage­
ment und Senioren eine neue umfas­
sende Analyse zur Weiterentwicklung
der Seniorenarbeit und Altenhilfe in Ess­
lingen vorgelegt. Die hier gesammelten
Fakten, Zukunftstrends und Empfehlun­
gen bilden die Basis für künftige politi­
sche Entscheidungen und die nötigen
Weichenstellungen in diesem wichtigen
gesellschaftlichen Bereich. Die Bürgerin­
nen und Bürger erwarten von der Stadt
Antworten. Aber auch die Menschen
selbst sind gefordert, zusätzliche Verant­
wortung zu übernehmen.
Wo sehen Sie die Schwerpunkte und
gibt es schon konkrete Beispiele für
das Engagement der Stadt?
Bei der wachsenden Zahl älterer Men­
schen, denkt natürlich jeder zunächst an
die Zunahme der Menschen, die im Alter
pflegebedürftig werden. Das ist auch bei
uns in Esslingen ein wichtiges Thema.
Sicher möchte jeder Mensch im Alter so
lange wie möglich selbstbestimmt leben.
Das zu ermöglichen, ist ein wichtiges
Anliegen. Gleichzeitig aber müssen wir
uns auch darauf einstellen, dass immer
mehr Menschen im Alter auf Unterstüt­
zung und Hilfe angewiesen sind. Dafür
schaffen wir eine kleinteilige Altenbe­
treuungsstruktur mit wohnortnahen Ein­
richtungen in den einzelnen Stadtteilen.
So hat der Gemeinderat bereits Grund­
stücke in Wäldenbronn und Oberesslin­
gen erworben, auf denen der Städtische
Pflegebetrieb neue Pflegeheime errichten
wird. Daneben unterstützen wir die Initi­
ativen anderer Träger, die mit unter­
schiedlichen Wohnformen für Seniorin­
nen und Senioren den wachsenden
Bedarf decken helfen.
Zum Glück können viele Menschen
oft bis ins hohe Alter ihre Selbstän­
digkeit genießen. Welche Angebote
findet diese wachsende Bevölke­
rungsgruppe in Esslingen?
Hier sehe ich zwei zentrale Aspekte: Der
eine ist die Einbindung der Seniorinnen
und Senioren in unsere städtische Gesell­
schaft. Oder anders gesagt – wie stellen
wir sicher, dass niemand im Alter in unse­
rer Stadt vereinsamt?WelcheMöglichkei­
ten können wir bieten, um älteren Men­
schen die Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben und in den Stadtteilen zu ermög­
lichen? Der zweite Aspekt betrifft die
Gesundheitsförderung und Prävention.
Wie erreichen wir es, dass die meisten
unserer älteren Bürgerinnen und Bürger
sich wohl fühlen, fit und selbständig blei­
ben bis ins hohe Alter? Wir sind in Esslin­
gen inzwischen in der erfreulichen Lage,
dass es für beide Aspekte ein breites
Angebot gibt. Die Stadt und hier wiede­
rum ganz konkret die Stabstelle Bürger­
schaftliches Engagement und Senioren
muss daher in vielen Bereich nur koordi­
nieren und moderieren, anregen und mit
Veranstaltungen für Vernetzung und
Zusammenarbeit sorgen.
Beim Thema Teilhabe am gesellschaftli­
chen Leben spielt das bürgerschaftliche
Engagement eine besondere Rolle. Unter
Schlagworten wie „Sozialzeit für Ältere“,
„Langlebigkeit verpflichtet“ oder „Ältere
helfen Älteren“ wollen wir die Menschen
auffordern, nach ihrem Berufsleben Ver­
antwortung zu übernehmen und sich zu
engagieren. Bürgerschaftliches Engage­
ment ist heute zu einem festen Schwer­
punkt in der Seniorenarbeit geworden.
Und wie steht es mit der Gesund­
heitsförder ung und spor tlichen
Angeboten? Sind die nicht in unse­
rer Gesellschaft immer noch vor
allem auf jüngere Zielgruppen aus­
gerichtet?
Auch hier ist inzwischen ein Wandel zu
beobachten. Immer mehr Vereine und
Organisationen, aber auch kommerzielle
Anbieter haben in allen Esslinger Stadt­
teilen spezielle Bewegungsangebote für
ältere Menschen im Programm. In unse­
rem „Wegweiser für Senioren“ findet sich
ein sehr breites Angebot sportlicher Akti­
vitäten speziell für unsere älteren Bürger,
von der Fitnessgymnastik über Turnen,
Tanzen und Wandern bis Rudern oder
Schwimmen. Wir haben mit den „Fünf
Esslingern“ sogar ein spezielles Fitness­
programm für Senioren, das der Chefarzt
der Aerpah-Klinik in Esslingen-Kennen­
burg, Dr. Martin Runge, entwickelt hat
und das weit über unsere Stadtgrenzen
hinaus Beachtung findet. Auch viele Ess­
linger Vereine haben das Programm auf­
gegriffen und bieten danach Kurse für
Senioren an.
Ziel muss es sein, den Menschen durch
ein System professioneller und ehren­
amtlicher Angebote ein langes, selbst­
bestimmtes Wohnen und die dauer­
hafte Teilhabe an der Gesellschaft zu
ermöglichen. Die Stadtverwaltung und
der Gemeinderat haben dazu Weichen
ge­stellt und Investitionen beschlossen.
Aber erst durch die Arbeit der Kirchen,
der Vereine und Verbände, der Selbst­
hilfegruppen und Bürgerausschüsse
und der vielen Mensch, die sich hier
ehrenamtlich engagieren, sind wir in
der Lage, die Stadtgesellschaft zusam­
menzuhalten und Herausforderungen
der demografischen Entwicklung zu
meistern.
Das Gespräch führte
Michael Sommer
Dr. Jürgen Zieger
Oberbürgermeister der Stadt
Esslingen a. N.
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