1 2013
Esslinger Gesundheitsmagazin 21
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Langsam füllt sich der Raum 96 im Erd­
geschoss des Esslinger Klinikums, direkt
am Eingang zur Kinderklink. Die Frauen,
die nach und nach ihre Plätze einnehmen,
sind zwischen Mitte vierzig und Ende
siebzig und alle krebskrank. Doch die
Krankheit soll an diesemVormittag einmal
in den Hintergrund rücken. Stattdessen
geht es darum, sich mit sanfter Pflege und
Naturkosmetik verwöhnen zu lassen.
Herzlich werden die Teilnehmerinnen von
Jessica Weiß und Ingrid Rambow emp­
fangen. Seit sechs Jahren schon leiten die
beiden ehrenamtlich die Kosmetikkurse
für Krebspatientinnen. Eigentlich sind sie
pharmazeutisch-technische Assistentin­
nen und Kosmetikerinnen in den Esslinger
B-Treff-Apotheken. Ihre Chefin, Apothe­
kerinDanielaHemminger-Narr, hat gemein­
sam mit Friseurin Michaela Halm-Kock
vor sechs Jahren die Kosmetikseminare
ins Leben gerufen. „Wir haben damals
zunächst versucht, über andere Anbieter
einen solchen Kurs zu organisieren“, erin­
nert sich Michaela Halm-Kock. Nachdem
dies jedoch nicht gelang, hat Daniela
Hemminger-Narr, die in ihren Esslinger
Apotheken auch ein Kosmetikstudio
betreibt, die Herstellerfirmen von Natur­
kosmetik, darunter Dr. Hauschka, umHilfe
gebeten. „Die haben sich sofort bereit
erklärt und so bekommen wir alle Kosme­
tikprodukte für unseren Kurs umsonst“,
sagt die Apothekerin. So kann der Kurs
viermal im Jahr Krebspatien­tinnen des
Esslinger Klinikums kostenlos angeboten
werden, zu dem Daniela Hemminger-Narr
ihre beiden Mitarbeiterinnen während
ihrer Arbeitszeit zur Verfügung stellt.
„Wenn ich die krebskranken Frauen hier
anschaue, wie sie etwas Schönes und
Angenehmes für sich tun können, dann
hab ich dabei einfach ein gutes Gefühl
und das ist es mir wert.“
„Wer möchte, kann gerne seine Perücke
abnehmen“, sagt Ingrid Rambow zu
Beginn des Schminkseminars. Nach kur­
zem Zögern greifen drei der sechs Frauen
an ihre Haare und legen sie zur Seite. „Das
ist für manche nicht einfach, sich so zu
entblößen“, sagt Michaela Halm-Kock,
„aber diesmal scheinen die Frauen, deren
Haare ausgefallen sind, sehr selbstbe­
wusst damit umzugehen.“ Die Friseurin,
die gemeinsammit ihremMann einen Fri­
seursalon im Klinikum Esslingen betreibt,
ist auf Perücken spezialisiert. „Mich hat
es immer furchtbar geärgert, wenn ich
Menschen mit schlechten Perücken gese­
hen habe“, erinnert sie sich. Sie begann
sich damit zu beschäftigen und so ist es
zu ihrem Steckenpferd geworden. Nach
dem Umzug des Salons ans Klinikum vor
sieben Jahren wurde die Perückenbera­
tung zum großen Schwerpunkt.
Mit Ende siebzig ist Elisabeth M.* die
Älteste im Kurs. Sie hat sich bisher in
ihrem Leben nur selten geschminkt.
„Eigentlich nur für ganz besondere
Anlässe“, sagt die Esslingerin. Als sie
jedoch auf Station vom Kosmetikkurs
hörte, hat sie sich einfach mal angemel­
det. Sie hat erst vor Kurzem mit der Che­
motherapie begonnen, die ihr bisher
zumindest äußerlich nicht zugesetzt hat.
„Ich möchte aber nicht, dass man mir die
Krankheit ansieht“, sagt sie, „bin dankbar
für Tipps für ein frischeres Aussehen.“ Und
vor allem aber möchte sie sich nicht
abschotten, sondern weiter aktiv am
Leben teilnehmen.
„Durch die Chemotherapie kann die Haut
sich verändern, sensibel werden“, erklärt
Ingrid Rambow, „man sollte deshalb dar­
auf achten, möglichst gut verträgliche
Kosmetik zu verwenden.“ Das wichtigste
sei die Reinigung. Und damit beginnt auch
das Seminar. Schritt für Schritt führen die
Kosmetikerinnen die anwesenden Frauen
durch den Schminkkurs.
Simone D.* ist eine der jüngsten Teilneh­
merinnen. „Ich gehe schon immer regel­
mäßig zur Kosmetikerin“, erzählt sie, „da
hat mich dieses tolle Angebot natürlich
gleich interessiert.“ Simone D. ist schon
fast fertig mit ihrer Chemotherapie, ihre
Haare sind längst ausgefallen. „Ich habe
mich sehr früh damit auseinandergesetzt
und mich auch gleich nach der Möglich­
keit einer Perücke erkundigt“, erinnert sie
sich. Von der Beratung bei Michaela Halm-
Kock ist Simone D. immer noch begeistert.
„Sie hat sofort erkannt, was zu mir passt.“
Tatsächlich rät die Frisörin, möglichst früh
zu ihr zu kommen, nicht erst wenn die
Haare ausgehen. „Wir haben dann genü­
gend Zeit und können die Perücke an die
echten Haare angleichen“, sagt sie.
Die Teilnehmerinnen sind mittlerweile
beim Augen-Make-up angekommen.
Ingrid Rambow und Jessica Weiß helfen,
wo Hilfe benötigt wird. „Ach herrje, und
das alles muss ich jetzt jeden Tag
machen?“, fragt Elisabeth M. und lacht,
„so einen Aufwand hab ich ja mein Lebtag
nicht betrieben.“ Ihre Sitznachbarin sagt:
„Aber jetzt hast du Zeit und gönnst dir
etwas nur für dich allein.“ Die anderen
nicken verständnisvoll.
Michaela F.* und Gabi S.* haben sich
zusammen zum Kosmetikkurs angemel­
det. Sie sind Leidens- und Weggenossin­
nen. „Wir haben uns im Krankenhaus ken­
nengelernt“, erzählen sie. Beide haben
sich ein Zimmer geteilt, wurden an zwei
aufeinanderfolgenden Tagen operiert.
„Daraus ist eine Freundschaft entstanden,
wir treffen uns immer noch regelmäßig.“
Nach rund drei Stunden ist der Kurs zu
Ende. Ganz natür lich wir ken die
geschminkten Gesichter der Teilneh­
merinnen, überhaupt nicht aufgesetzt.
„Das beste Make-up ist, wenn man sich
damit wohlfühlt“, sagt Jessica Weiß.
Einfach nur gutaussehend, frisch und
bereit für einen neuen Tag. „Heute
Abend gehen wir alle aus“, sagt Gabi S.
Warum auch nicht?
kw
*alle Namen der Kursteilnehmerinnen
von der Redaktion verändert
Die nächsten Termine für
ein Kosmetikseminar für
Krebspatientinnen:
8. Mai 2013
9.30 Uhr
17. Juli 2013
9.30 Uhr
23. Oktober 2013 9.30 Uhr
Der Kurs ist auf maximal
10 Teilnehmerinnen beschränkt.
Anmeldung bei
Michaela Halm-Kock
Telefon 0711 3103-2123
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