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Esslinger Gesundheitsmagazin
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dabei in fest vorgegebenen Intervallen,
wodurch in vielen Fällen eine ausreichende
Schmerzreduktion erreicht wird.
„In allen Fällen mit erwarteten stärkeren
postoperativen Schmerzen setzen wir
zusätzlich spezielle Schmerzkatheter ein“,
erklärt Dr. Bissinger. Sie sind sozusagen
die vierte Stufe der Schmerztherapie und
werden in Abhängigkeit von Art und Loka
lisation der Operation zum Beispiel im
Bereich der Wirbelsäule (sogenannte Peri
duralkatheter), der Arme (Plexuskatheter)
oder Beine (Femoralis- oder Ischiadikus
katheter) vor der Operation angelegt,
bereits intraoperativ für die Schmerzbe
kämpfung benutzt und anschließend für
mehrere Tage postoperativ für die Zufuhr
von Schmerzmedikamenten verwendet.
„Damit ist in aller Regel eine hervorra
gende Schmerztherapie bis hin zur
Schmerzfreiheit nach der Operation
gewährleistet“, sagt Dr. Bissinger.
Sollten Katheterverfahren nicht möglich
sein, zum Beispiel wegen einer erforder
lichen Blutverdünnung, so kann alterna
tiv eine Schmerzpumpe eingesetzt wer
den, über die sich der Patient bei Bedarf
ein in Wirkstärke und Dosis genau ange
passtes Schmerzmittel selbst verabreichen
kann (sogenannte Patienten-kontrollierte
Analgesie, PCA), was ebenfalls zu einer
sehr effektiven Schmerzkontrolle führt.
„Um den Besonderheiten der Schmerz
therapie bei Kindern Rechnung zu tragen,
haben wir mit den Kinderchirurgen ein
ambitioniertes Schmerzkonzept entwi
ckelt, das bereits vor beziehungsweise
während der Operation mit gezielten Ner
venblockaden beginnt und postoperativ
im Aufwachraum konsequent mit der
Gabe von Schmerzmedikamenten fortge
setzt wird. Damit gelingt es uns, die Kin
der nach einer Operation weitgehend
schmerzfrei entweder ambulant nach
Hause zu entlassen oder auf die Station
zu verlegen, wo die weitere Schmerzthe
rapie ebenso konsequent nach einem
individuell vorgegebenen Plan erfolgt.
Schmerztherapie als
Qualitätsmerkmal
Die Wirksamkeit der Schmerztherapie
wird vom Pflegepersonal anhand der
Schmerzskalen mehrfach täglich gemes
sen und bei Bedarf angepasst. Zusätzlich
erfolgen tägliche Visiten durch den
Schmerzdienst, der die Durchführung der
Schmerztherapie überprüft und bei The
rapieproblemen zuständig ist. Patienten
mit chronischen Schmerzen werden im
Klinikum Esslingen in der Schmerzambu
lanz behandelt. Auf den Stationen und der
Palliativstation kümmert sich ein Schmerz
team konsiliarisch um die Patienten.
Eine optimierte Schmerztherapie stellt
hohe Anforderungen in personeller, fach
licher und zeitlicher Hinsicht. Sie setzt
eine enge Zusammenarbeit aller an der
Behandlung beteiligter Ärzte der ver
schiedenen Fachrichtungen und des anäs
thesiologischen und Stations-Pflegeper
sonals sowie weiterer Berufsgruppen wie
der Physiotherapie voraus. „Besonders
wichtig ist, dass alle Beteiligten ausrei
chend qualifiziert sind“, sagt Dr. Bissinger.
„Um das zu erreichen, führen wir mit
beträchtlichem Aufwand regelmäßige
Schulungen durch, wodurch wir eine
Schmerztherapie auf dem erforderlichen
hohen Niveau gewährleisten können.“
Somit ist die effektive Schmerztherapie
heute zu einem sehr wichtigen Qualitäts
merkmal im Krankenhaus geworden.
kw
Klinik für Anästhesiologie und
operative Intensivmedizin
Chefarzt PD Dr. Ulrich Bissinger
Arzt für Anästhesiologie,
Intensivmedizin
Telefon 0711 3103-3001/3002
Telefax 0711 3103-3011
>>>
PD Dr. Ulrich Bissinger
Die normalerweise nach einer Operation oder
während einer akuten Erkrankung auftreten
den Schmerzen werden als akute Schmerzen
bezeichnet, haben ihre Ursache in der voraus
gegangenen Erkrankung oder Operation und
sind häufig von kurzer Dauer. Eine akute Blind
darm-Entzündung zum Beispiel verursacht
starke Schmerzen, die eine wichtige biologi
sche Funktion besitzen, da sie auf die beste
hende Entzündung hinweisen (Warnfunktion).
Die Entfernung des entzündeten Blinddarms
führt dazu, dass die Schmerzen rasch nach
lassen und im Rahmen der Wundheilung nach
einer gewissen Zeit völlig verschwinden.
Von chronischen Schmerzen dagegen spricht
man, wenn über einen Zeitraum von mehr als
sechs Monaten anhaltend oder immer wieder
Schmerzen bestehen. „Oftmals wird keine ein
deutige Ursache für die Schmerzen gefun
den“, erklärt Dr. Bissinger. Auch ungenügend
behandelte akute Schmerzen können chro
nisch werden. „Dies ist dann der Fall, wenn
Schmerzen zum Beispiel nach einer Blind
darmoperation nicht ausreichend behandelt
werden und über die Wundheilung hinaus
bestehen bleiben“, so der Anästhesist. In die
sem Fall verliert der Schmerz seine ursprüng
liche Funktion als Warnhinweis auf ein krank
haftes Geschehen im Körper, in diesem
Beispiel auf die akute Blinddarmentzündung,
verselbständigt sich zunehmend und hat
damit keine sinnvolle Funktion mehr. Schließ
lich wird der Schmerz zu einer eigenständigen
Krankheit, der sogenannten chronischen
Schmerzkrankheit. Auch viele gängige Leiden
wie rheumatische Beschwerden oder ein
Bandscheibenvorfall können Auslöser sein.
Schickt eine Nervenzelle über längere Zeit
Impulse an das Gehirn, verändert sich ihr
Stoffwechsel und sie bildet ein Schmerzge
dächtnis aus. Selbst ohne Schmerzreiz sendet
sie weiterhin Impulse, was dazu führt, dass
der Schmerz chronisch wird.
Akute und chronische Schmerzen
„Regelmäßige Schulungen gewähr
leisten eine Schmerztherapie auf
dem erforderlichen hohen Niveau.“