2 2014
Esslinger Gesundheitsmagazin 45
Einen schnellen, plötzlichen Tod, das wün
schen sich wohl die meisten Menschen.
Doch er ist nicht jedem vergönnt. Vor
allem bei Patienten mit einer weit fortge
schrittenen und nicht mehr heilbaren
Erkrankung kann die Auseinandersetzung
mit dem eigenen Lebensende ein oft lan
ger und psychisch wie körperlich sehr
belastender Prozess sein. Die Aufgabe der
Palliativmedizin ist es, diesen Prozess so
zu begleiten, dass die Betroffenen ihre
Situation nicht als unerträglich empfin
den, sondern die ihnen noch verbleibende
Zeit möglichst aktiv erleben können. Dazu
knüpft die Palliativmedizin ein Netzwerk
aus medizinisch-pflegerischen, psycholo
gischen, sozialen und seelsorgerischen
Maßnahmen.
Die Krankenhäuser spielen mit ihren Pal
liativstationen eine wichtige Rolle in die
sem palliativmedizinischen Netzwerk.
„Als medizinischer Part der Palliativmedi
zin übernehmen wir primär die Abklärung
von Symptomen und die Einstellung der
Patienten, so dass sie möglichst schmerz-
und beschwerdefrei in die häusliche Ver
sorgung zurückkehren können“, erklärt Dr.
Heike Mönnich, die die Palliativstation am
Klinikum Esslingen leitet.
Verzicht auf Routinen
Im Jahr 2007 hat das Klinikum Esslingen
seine Palliativstation eingerichtet, und
zwar von Anfang an als eigenständige
Einheit. „Früher war es üblich, Palliativ
betten je nach Bedarf auf den Normal
stationen einzustreuen“, so Dr. Mönnich.
Diese sogenannten „Streubetten“ hatten
allerdings den Nachteil, dass die Palliativ
patienten dem normalen Stationsalltag
mit festen Essens- und Visitenzeiten,
pflegerischen Routinen und auch gele
gentlicher hektischer Betriebsamkeit
unterworfen waren. Auf reinen Palliativ
stationen ist das anders. „Hier gibt es
keine Routinen, hier wird allein nach den
Wünschen und dem Befinden der Patien
ten agiert“, sagt die Onkologin und Palli
ativmedizinerin. Tempo, Zeitpunkt und Art
der Maßnahmen werden wenn möglich
vom Patienten bestimmt.
Das erste, was auf der Palliativstation im
zweiten Obergeschoss von Haus 6 des
Esslinger Klinikums dann auch auffällt, ist
die Ruhe. Aber auch sonst fällt die Station
aus dem Rahmen. Sie ist relativ klein, ver
fügt über nur acht Betten in zwei Doppel-
und vier Einzelzimmern. Diese Zimmer
haben jeweils eine eigene Nasszelle und
sind wohnlich eingerichtet. Dazu gehören
auch ausziehbare Sofas, so dass jederzeit
Angehörige übernachten können. Dazu
gibt es auf der Station ein Wohnzimmer,
ein Therapiezimmer und eine gut ausge
statte Küche. Den Angehörigen wird so
die Gelegenheit gegeben, den Palliativpa
tienten, die in der Regel nur noch wenig
essen, ihr von zu Hause gewohntes Essen
mitzubringen und zuzubereiten. Das alles
lässt auf der Palliativstation eine Atmo
sphäre der Geborgenheit entstehen,
etwas, das gerade für Palliativpatienten
von großer Bedeutung ist.
Alternative Handlungsweise
Ruhe bedeutet aber nicht, dass auf der
Station nichts getan wird. Es wird nur
anders gemacht. „Unsere Team-Mitglie
der gehen durch die Zimmer der Station
und bieten ihre Leistungen an“, erklärt
Dr. Mönnich, „wobei es den Patienten
freigestellt ist, die Angebote anzuneh
men.“ Ablehnungen seitens der Patien
ten werden nicht in Frage gestellt, ihre
Wünsche werden soweit es möglich ist
erfüllt – auch wenn es personell auf
wendig sein sollte. „Wir nehmen uns die
erforderliche Zeit für die Patienten und
ihre Angehörigen.“
Zum Esslinger Palliativteam gehören
Mediziner, Pflegekräfte, Physiotherapeu
ten, eine Kunsttherapeutin, Sozialarbeiter,
Psychoonkologinnen und Seelsorger – die
meisten davon mit palliativmedizinischer
Zusatzausbildung. Entsprechend breit ist
das Spektrum an Angeboten, auf das die
Palliativpatienten und ihre Angehörigen
zugreifen können. Das reicht von der pfle
gerischen Anleitung zur Durchführung
von Palliativtherapien über die Kunstthe
rapie, um seinen Gefühlen und Empfin
dungen Ausdruck zu verleihen, bis hin zu
spirituellem Beistand und sozialdienstli
chen Hilfeangeboten.
Im Mittelpunkt steht aber immer der
Mensch. „Der Grund für die Aufnahme
auf eine Palliativstation ist eine entspre
chende Symptomatik, wie etwa Atem
not, Schmerzen, Übelkeit oder allge
meine Schwäche, aber auch soziale oder
spirituelle Indikationen“, so Dr. Mönnich.
„Unsere Aufgabe ist, hier eine Linderung
zu erreichen und die Menschen so gut
es geht zu stützen.“ Behandelt werden
diese Symptome in der Regel medika
mentös sowie mit pflegerischen und
therapeutischen Maßnahmen. Aber
auch kleinere Eingriffe, Chemo- oder
Strahlentherapien gehören dazu. „Diese
erfolgen aber nur, wenn sie zur Symp
tomkontrolle beitragen“, betont die
Onkologin, „invasive Intensivmaßnah
men werden hier nicht mehr durchge
führt.“ Ziel der medizinischen Maßnah
men ist es, den Patienten stabilisiert
wieder nach Hause zu entlassen, denn
ihre durch die Erkrankung begrenzte
Lebenszeit sollen die Patienten
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„Hier gibt es keine Routinen, hier
wird allein nach den Wünschen
und dem Befinden der Patienten
agiert.“
Dr. Heike Mönnich