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Esslinger Gesundheitsmagazin 17
Entscheidend ist aber, den Tumor möglichst früh zu erkennen.
Dazu stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Die Selbst-
untersuchung der Brust und das Abtasten durch den Gynäkolo-
gen, aber auch Mammografie, Ultraschall oder Kernspintomo-
grafie (MRT). Eine Ultraschalluntersuchung allein sei nicht zu
empfehlen, so Professor Kühn. Sie werde allerdings bei Frauen
mit hohem Risiko, dichtem Drüsengewebe oder auch bei einem
auffälligen Befund ergänzend zur Mammografie angewandt.
Zeigen sich bei einer Frau Symptome oder Beschwerden, werden
zusätzlich einMRT oder eine Gewebeentnahme, eine sogenannte
Biopsie, gemacht.
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen für Frauen ab
30 Jahren die jährliche Tastuntersuchung beim Arzt. 2005
wurde zudem ein Mammographie-Screening-Programm ins-
talliert, das für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei
Jahre die Röntgenuntersuchung der Brust vorsieht. Studien
hätten gezeigt, dass durch das Screening die Todesrate bei
Brustkrebs um 30 Prozent
ge s enk t we r den könne ,
betont Professor Kühn. Kri-
tikern, die die Gefahr der
„Übertherapierung“ sehen,
setzt er entgegen: „Es werden
sicher auch Vorstadien und
kleine Tumore erkannt, an
denen die Betroffenen nicht
sterben würden. Aber wir
wissen nicht, welche Frauen
das sind.“ Auch die Belastung
durch die Röntgenstrahlen
der Mammografie sei absolut
vertretbar, versichert Dr.
Johannes Herrmann, Radio-
loge und Leiter des Instituts für Mammadiagnostik IMZE in
Esslingen. „Es ist zudem nicht nachzuweisen, dass die Mam-
mografie selbst Krebs auslöst“, betont er. Die Strahlenbelas-
tung sei in den vergangenen zehn bis 15 Jahren durch
moderne Röntgengeräte um rund ein Drittel gesenkt worden.
Beide Mediziner raten Frauen zudem, ihre Brust regelmäßig
selbst abzutasten, um Veränderungen festzustellen und ein
Bewusstsein für den eigenen Körper zu entwickeln. Das alleine
reiche jedoch nicht aus: Auch die jährliche Kontrolluntersuchung
beim Gynäkologen sei wichtig. „Manchmal kann man durch
Abtasten Tumore entdecken, die auf der Mammografie oder dem
Ultraschall nicht erkannt werden“, betont Dr. Herrmann.
Der Radiologe rät als optimale Vorsorge dazu, neben der Mam-
mografie immer auch einen Ultraschall der Brust zu machen.
„Die Kombination verschiedener diagnostischer
Die Diagnose Brustkrebs ist längst kein Todesurteil mehr. Dank
immer besserer Möglichkeiten der Früherkennung und moderner
Therapieverfahren liege die Überlebensrate heute bei 80 bis 90
Prozent mit steigender Tendenz, sagt Professor Dr. Thorsten
Kühn, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
am Klinikum Esslingen. Als Mitglied in der Kommission Mamma
der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie weiß er
zudem, „dass wir in Deutschland nicht nur ein extrem hohes
Niveau haben, was die Brustkrebsforschung angeht, sondern
auch bei der Umsetzung in der klinischen Praxis“.
Brustkrebs oder Mammakarzinom ist
nicht nur die häufigste Krebserkrankung
bei Frauen, sie macht auch rund ein Drit-
tel aller neuen Krebserkrankungen aus.
Übrigens können auch Männer Brustkrebs
bekommen. Allerdings haben sie nur einen
verschwindend geringen Anteil: Bundes-
weit erkranken jedes Jahr 70 000 Frauen
und 620 Männer neu an Brustkrebs. Am
Klinikum Esslingen werden jährlich rund
260 Patientinnen behandelt.
In den meisten Fällen lasse sich die Ursa-
che für diese Erkrankungen nicht feststel-
len, so Professor Kühn. Bei rund fünf Pro-
zent könne man eine Genveränderung
nachweisen, bei 25 Prozent familiärer Häufungen von Brustkrebs
vermute man eine Genmutation. Auch mit zunehmendem Alter
steigt das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. „Zwischen 50 und
75 Jahren tritt er gehäuft auf“, weiß der Gynäkologe.
Früherkennung ist entscheidend
Sehr wohl benennen lassen sich allerdings Risikofaktoren: Über-
gewicht und mangelnde Bewegung, Typ II Diabetes, Rauchen,
fettreiche Ernährung, regelmäßiger Alkoholkonsum und eine
Hormontherapie in den Wechseljahren können das Risiko erhö-
hen. Keine Rolle spiele die Einnahme der Antibabypille, versichert
Kühn. Positiv wirke sich jedoch eine längere Stillzeit bei Müttern
aus. „Es gibt bei den Risikofaktoren jedoch keine direkte Rela-
tion“, warnt Professor Kühn. „Durch sein Verhalten kann man
die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung senken“, rät er zu einer
gesunden Lebensweise mit ausreichend Sport und ausgewoge-
ner Ernährung.
Jedes Jahr erkranken
bundesweit
70.000
Frauen neu an Brustkrebs.
Dr. Johannes Herrmann
Professor Dr. Thorsten Kühn
„Bei irgendwie
gearteten Verände
rungen der Brust
sollte man im Zwei
fel immer zum Arzt
gehen.“
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