2 2013
Esslinger Gesundheitsmagazin 33
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nur neun Prozent der 20-Jährigen eine Arthrose nachweisbar
ist, findet man sie bei 70- bis 74-Jährigen bei über 90 Prozent.
45 Prozent der Menschen haben in ihrem Leben dadurch
Beschwerden. Ab dem 55. Lebensjahr sind Frauen häufiger und
schwerer von einer Arthrose betroffen.
Vorbeugen: Arthroseprävention
Arthrosetherapie ist vor allem Prävention, also Vorbeugung, und
beginnt für den Orthopäden mit der vierten Lebenswoche des
Kindes. Im Rahmen der Säuglingsuntersuchung U3 wird eine
Hüftsonographie zur Beurteilung der korrekten Hüftgelenksaus
bildung wie auch eine Beurteilung der
Fußstellungen durchgeführt. Hier können
bereits Fehlbildungen erkannt und korri
giert und so einer späteren Arthrose vor
gebeugt werden. Auch im weiteren
Wachstum des Kindes muss orthopädisch
die Entwicklung beobachtet werden.
Gelenkbeschwerden bei Kindern und
Jugendlichen sollten immer ernst genom
men werden. Denn es gibt Gelenkerkran
kungen bei Kindern, die schwere Folgen
und eine Arthroseausbildung als Konse
quenz haben können. Hierzu gehört unter
anderem der Morbus Perthes, der im 5.
bis 9. Lebensjahr statistisch bei einem von
1.200 Kindern auftritt und zu einem Absterben des Hüftkopfes
führt. Die Kinder fallen oft nur durch ein leichtes Hinken auf.
Die Folgen der Erkrankung können bei rechtzeitigem Erkennen
deutlich gemindert werden. Leider gibt es aber auch hier Gren
zen der medizinischen Möglichkeiten. In meiner eigenen Praxis
habe ich zwei Jugendliche, die trotz aller therapeutischen Maß
nahmen im Alter von 16 Jahren eine Hüftprothese implantiert
bekommen haben.
Auch sogenannte „high impact“ Sportarten mit hohen Stoßbe
lastungen und schnellen Richtungswechseln können zu Schä
digungen des Knorpels oder der Menisken, der zusätzlichen Knor
pelscheiben zwischen Ober- und Unterschenkel, führen. Dazu
gehören beliebte Sportarten wie Fußball, Handball, Tennis oder
Squash. Die geringsten Belastungen treten bei den Sportarten
Kraulschwimmen, Radfahren, Walking oder Skilanglauf auf.
90
Prozent
der 70- bis 74-Jährigen
sind von einer Arthrose
betroffen.
Übergewicht ist eine der wesentlichsten Ursachen für die Aus
bildung einer Arthrose. Ein 175 cm großer 50-jähriger Mann mit
einem Körpergewicht von 110 kg und damit einem Body Mass
Index zwischen 35 und 39,9 kg/m
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hat ein fast 19mal höheres
Risiko eine Knietotalprothese und ein fünfmal höheres Risiko
eine Hüftendoprothese implantiert zu bekommen. Aktuell
betreue ich einen Patienten, der nach einer Magen-OP bisher 84
kg abgenommen hat. Er erzählt mir von einer ganz neuen Lebens
qualität mit nun schmerzfreien Gelenken.
Arthrosebehandlung
Geht es um die therapeutischen Ansätze in der Behandlung der
Arthrose, so wird die Diskussion oft und schnell emotional und
ist häufig auch von weltanschaulichen Überlegungen geprägt.
Der Arzt sollte in seiner Therapieauswahl immer nach fundierten
und wissenschaftlich nachweisbaren Effekten schauen.
In der Physiotherapie oder Krankengymnastik stehen zwei
Aspekte im Zentrum der Therapie für die Arthrose. Zum einen
soll die Muskulatur gekräftigt und gedehnt, zum anderen sollen
Koordination und Geschicklichkeit verbessert werden. Die 20
Minuten Behandlung beim Physiotherapeuten helfen jedoch
alleine nicht. Der Patient muss die Behandlung als Anleitung zum
Selbsttraining verstehen, was viel Disziplin verlangt. Auch
Wärme- und Kälteanwendungen sind eine Option: Bei akut
gereizten oder entzündlichen Gelenken sollte man für eine Dauer
von zirka 20 Minuten kühlen. In einer nicht gereizten, chroni
schen Phase sind Wärmeanwendungen, jedoch ohne dass die
jeweilige Auflage heiß ist, zu bevorzugen.
Mittlerweile ist die Akupunktur eine von den gesetzlichen Kran
kenkassen bezahlte Behandlung. Die Diskussion über den Effekt
der Akupunktur ist nach wie vor kontrovers. So erzielt selbst eine
„Scheinakupunktur“ eine Verbesserung der Beschwerdesympto
matik. Ich persönlich bin immer wieder über die sehr gute Reso
nanz auf die Akupunktur - auch bei schwereren Kniearthrosen
- positiv überrascht.
Die medikamentöse Behandlung der Arthrose erfolgt seit Jahr
zehnten primär mittels schmerzlindernder und entzündungs
hemmender Mittel. Am geläufigsten sind die allseits bekannten
Wirkstoffe Diclofenac und Ibuprofen. Ihre Wirksamkeit ist nicht
nur im Praxisalltag nachgewiesen, ohne sie kommt eine Arthro
setherapie praktisch nicht aus. Allerdings dürfen auch die
Nebenwirkungen nicht unterschätzt werden. Allein in Deutsch
land sterben geschätzte 2.000 Patienten jährlich an Magen-
Darmblutungen, die durch diese Medikamente ausgelöst werden.
Deshalb sollte unbedingt der Hausarzt in die Therapie eingebun
„Für die Zukunft erhofft sich die
Medizin mit Stammzellen einen
neuen, möglicherweise auch
ursächlichen Therapieansatz der
Arthrose.“