Ausgabe 2 >2022

36 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2022 „Wenn wir uns ein genaues Bild gemacht haben, wird geschaut, was man individuell für die Patientin oder den Patienten tun kann. Auf künstliche Ernährung setzen wir nur, wenn es unbedingt nötig ist. Es gibt vorher noch viele andere Möglichkeiten: Die Kostform anpassen und zum Beispiel auf hochkalorische, eiweißreiche Kost umstellen. Auf viele kleine Mahlzeiten setzen. Oder hochkalorische Trinknahrung als Ergänzung oder Ersatz für normale Lebensmittel ins Spiel bringen“, so Laezza. Es reiche bei einer Mangelernährung aber nicht, einfach nährstoffreiche Kost anzubieten, so Dr. Kurz: Es gehe auch darum, den Menschen Lust auf‘s Essen zu machen. Dabei sei Kreativität gefragt: „Den einen hilft es, in Gesellschaft zu essen. In anderen Fällen raten wir den Angehörigen, eine Lieblingsspeise mitzubringen. Wenn es dem Appetit dient, darf eine Mahlzeit auch mit Sahne angereichert werden. Und bei der Trinknahrung ist es wichtig zu wissen, dass es viele verschiedene Geschmacksrichtungen gibt, von süß bis herzhaft. Man kann sie gekühlt oder erwärmt servieren oder auch einer Mahlzeit unterrühren.“ Diane Laezza berät als Ernährungsberaterin Patientinnen und Patienten und deren Angehörige regelmäßig zu solchen Themen. „Wichtig ist, auf der Station alle mit an Bord zu haben. Denn jeder kann einen wichtigen Beitrag leisten“, so Dr. WorthaWeiß. „Die Ärztinnen und Ärzte, indem sie die passende Sonderkost verschreiben. Die Pflegekräfte, indem sie mit dem Nutritional Risk Screening vertraut sind. Nur so können sie Risikopatienten erkennen und bei diesen besonders darauf achten, was und wieviel jemand isst.“ Auch mit der Krankenhausküche steht das Projektteam in engem Kontakt. Lebensqualität verbessern Nach einem Jahr ist das Kooperationsprojekt mit der Universität Tübingen nun abgeschlossen. Dr. Kurz, Dr. Wortha-Weiß, Dr. Poth und Diane Laezza sind sich einig: Für die Patientinnen und Patienten hat es einen großen Mehrwert gebracht. Zwar lassen sich die Ergebnisse schwer in Zahlen messen, dafür zeigen aber Einzelschicksale, wie ein gelungenes Ernährungsmanagement die Lebensqualität verbessert: „Wir hatten zum Beispiel einen Parkinson-Patienten, der aufgrund seiner Mangelernährung zu schwach war, um an einer Reha-Maßnahme teilzunehmen. Inzwischen ist er wieder zu Kräften gekommen und konnte die Reha antreten“, berichtet Dr. Poth. „Wir wollen weitermachen, dranbleiben“, sagt das Projektteam. „Wir sind natürlich erst am Anfang und unsere Strukturen erst im Entstehen. Wichtig ist aber, dass wir uns auf den Weg gemacht haben und eine Richtung haben.“ Den meisten deutschen Krankenhäusern sind sie damit voraus: Ernährungsscreening und -therapie spielen hierzulande bisher nur eine sehr kleine Rolle. Laut Universitätsklinikum Tübingen verfügen nur etwa vier Prozent der Krankenhäuser über ein spezielles Ernährungsteam. „Toll wäre, wenn man das Projekt nicht nur auf besonders betroffenen Stationen, sondern im gesamten Krankenhaus durchführen könnte. Leider ist Ernährungsberatung aber sehr zeitintensiv und das können wir als kleines Team nicht leisten“, so Dr. Kurz. Angesichts knapper personeller Ressourcen sei es umso wichtiger, Pflege und Ärzteschaft für das Thema Mangelernährung zu sensibilisieren und mithilfe von Multiplikatoren Know-how zu verbreiten. „Essen sollte ein zentraler Bestandteil der Therapie werden – die richtige Ernährung ist ebenso wichtig wie das richtige Medikament“, so Dr. Kurz. lj Klinikum Esslingen Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Onkologie/ Hämatologie, Gastroenterologie und Infektiologie Dr. Ursula Kurz Telefon 0711 3103-82516 u.kurz@klinikum-esslingen.de Klinik für Neurologie und klinische Neurophysiologie Dr. Ulrike Wortha-Weiß, Leiterin des Geriatrischen Schwerpunkts Telefon 0711 3103-82570 u.wortha-weiss@klinikum-esslingen.de Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Dr. Clemens Poth, Leitender Oberarzt c.poth@klinikum-esslingen.de Telefon 0711 3103-2601 Kontakt >>> Mangelernährung „Eine Mangelernährung ist ein Zustand, der aus einer mangelnden Zufuhr oder Aufnahme von Energie und Nährstoffen über die Nahrung entsteht, zu einer veränderten Körperzusammensetzung führt und mit messbaren Veränderungen körperlicher und mentaler Funktion verbunden ist.“ (Website der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin) Mediziner unterscheiden je nach Art und Ursache zwischen verschiedenen Formen der Mangelernährung: › Quantitative Mangelernährung: Unzureichende Kalorienaufnahme › Qualitative Mangelernährung: Es fehlen lebenswichtige Nährstoffe wie Vitamine › Globale Malnutrition: Es fehlt an beidem. › Mangelernährung durch unzureichende Nahrungszufuhr – der Patient isst nicht genug, zum Beispiel weil er eine Schluckstörung hat oder weil eine Essstörung vorliegt › Mangelernährung durch unzureichende Nahrungsverwertung – etwa bei gestörter Magen- oder Darmfunktion

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