Ausgabe 2 >2022

2 | 2022 Esslinger Gesundheitsmagazin 35 Auch Menschen mit einer Krebserkrankung sind häufig in einem schlechten Ernährungszustand, wenn sie ins Krankenhaus kommen: „Wenn ein Tumor den Verdauungstrakt blockiert, können die Betroffenen nur schlecht essen. Der Tumor kann zudem die Verwertung von Nährstoffen im Magen oder Darm behindern“, erklärt Dr. Kurz. Aber nicht nur Magen- oder Darmkrebs verursachen eine Mangelernährung: „Jeder Tumor entzieht dem Körper Energie und Nährstoffe. Die Patienten nehmen ab und verlieren an Muskelmasse. Im Verlauf der Therapie verschärft sich die Situation bei vielen noch – zum Beispiel, weil ein Krebsmedikament Nebenwirkungen wie Übelkeit, Appetitlosigkeit oder Entzündungen im Mundraum auslöst.“ Noch eine dritte Gruppe kommt besonders oft mit einer Mangelernährung ins Krankenhaus, weiß Dr. Clemens Poth: krankhaft Übergewichtige. „Man sieht das Problem meist nur bei denen, die klapperdürr sind. Aber die Optik allein ist nicht entscheidend.“ Als Leitender Oberarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie und Stellvertretender Leiter des Adipositaszentrums behandelt Dr. Poth Menschen mit krankhaftem Übergewicht: „Viele unserer Patienten haben sich über lange Zeit ungesund und einseitig ernährt. Folglich sind sie schlecht mit Mikronährstoffen versorgt.“ Landesweites Projekt Wie kann man mangelernährte Patientinnen und Patienten bereits bei der Aufnahme ins Krankenhaus identifizieren? Wie gelingt es, sie optimal zu unterstützen? Nicht nur Dr. Kurz, Dr. Wortha-Weiß und Dr. Poth beschäftigen sich mit solchen Fragen. Im Jahr 2020 rief das baden-württembergische Ministerium für Soziales und Integration das Projekt „Prävention und Therapie von Mangelernährung in Krankenhäusern“ ins Leben. Die Stabsstelle Ernährungsmanagement am Universitätsklinikum Tübingen wurde mit der Projektdurchführung beauf tragt . „Das Universitätsklinikum Tübingen hat eine Bestandsaufnahme durchgeführt und dazu einen Fragebogen an alle Krankenhäuser im Land versendet. Auch wir haben den Fragebogen beantwortet. Aus diesem Erstkontakt heraus hat sich eine Zusammenarbeit entwickelt“, berichtet Dr. WorthaWeiß. Das Klinikum Esslingen und das Universitätsklinikum Tübingen schlossen im Juli 2021 einen Kooperationsvertrag für ein einjähriges Projekt zum Thema Ernährungsmanagement. „Wir haben ein gemeinsames Kick-off-Meeting veranstaltet. Daran nahmen auch der Geschäftsführer des Klinikum Esslingen, Matthias Ziegler sowie unsere Chefärzte Professor Dr. Henning Wege und Professor Dr. Ludger Staib teil“, berichtet Dr. Kurz. Allen Beteiligten ist klar: Ein gutes Ernährungsmanagement für die Risikogruppen aufzubauen, braucht Zeit. Dr. Kurz, Dr. Wortha-Weiß und Dr. Poth bekommen Verstärkung: Das Klinikum Esslingen schafft eine Projektstelle und stellt für die Diätberatung Diane Laezza ein, die einen Bachelor of Science Abschluss in Ernährungsmanagement und Diätetik hat. Diane Laezza wird als Ansprechpartnerin für ernährungsmedizinische Fragen auf zwei Pilotstationen aktiv: Auf einer gastroenterologisch/ onkologischen Station und der Station für Allgemein- und Viszeralchirurgie. „Wir haben uns auf beiden Stationen angeschaut, welche Maßnahmen es zum Ernährungsmanagement schon gibt und überlegt, was wir weiter optimieren können“, berichtet Dr. Kurz. „Da gab es schon viele gute Ansätze. Jetzt ging es darum, Kräfte und Ideen zu bündeln und Strukturen zu schaffen.“ Dabei bekam das Klinikum Esslingen Unterstützung: „Das Uniklinikum Tübingen hat eine sehr große Abteilung für Ernährungsmanagement. Wir standen in engem Austausch und bekamen neue Impulse. Frau Laezza konnte in Tübingen hospitieren, außerdem nahm das Team an Fortbildungen und Kongressen teil.“ Risikopatienten früh erkennen und gezielt betreuen Für die zwei Pilotstationen entwickelt das Projektteam gemeinsam mit Ärzteschaft und Pflege eine Strategie, um Risikopatienten früh zu identifizieren und therapeutisch aufzufangen. „Jeder Patient auf den Pilotstationen durchläuft bei der Aufnahme das sogenannte Nutritional Risk Screening“, erzählt Diane Laezza. „Dabei ermitteln wir mithilfe eines Fragebogens, ob jemand mangelernährt ist oder ob ein erhöhtes Risiko für eine Mangelernährung vorliegt. Wenn das der Fall ist, besuche ich den Patienten für eine ausführlichere Anamnese: Welche Grunderkrankung liegt vor, wieviel hat der oder die Betroffene in welchem Zeitraum abgenommen, welche Beschwerden hat er oder sie, welche Probleme bei der Nahrungsaufnahme gibt es, und so weiter.“ Auch funktionelle Untersuchungen zur Messung der Muskelkraft oder Belastungstests wie Treppensteigen können bei der Anamnese helfen, ebenso wie Laboruntersuchungen. Dr. Ursula Kurz Dr. Ulrike Wortha-Weiß Dr. Clemens Poth Diane Laezza >>> „ Generell benötigen mangelernährte Menschen länger für die Genesung und kommen nach einer Erkrankung nur langsam zu Kräften.”

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