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Esslinger Gesundheitsmagazin
2 2012
Ein Jugendlicher kommt in Begleitung seines Vaters. Er ist blass,
hält sich den Bauch. Er habe sich in der Nacht übergeben müs-
sen, jetzt habe er laufend Hitzewallungen und Brechreiz. Auch
er braucht nicht zu warten. Der heute Dienst habende Arzt
nimmt ihn sofort mit in das Behandlungszimmer. Wenige
Minuten später geht der junge Mann wieder, in der Hand ein
Rezept.
Große Bandbreite an Erkrankungen
Zu sehen bekommen die Ärzte der Notfallpraxis die gesamte
Bandbreite an Erkrankungen. Infektionen, Erkältungen, Verdau-
ungsprobleme, Kreislaufbeschwerden und aus dem orthopädi-
schen Bereich Rückenbeschwerden, Hexenschuss oder Gelenk-
schmerzen sind die häufigsten Indikationen. Dazu kommen im
Sommer häufig Insektenstiche, von Frühjahr bis Herbst Zecken-
bisse und rund ums Jahr die Bitte nach der „Pille danach“. Kom-
men kann jeder, der medizinische Hilfe benötigt – allerdings
sollte er nicht den Leistungsumfang erwarten, den eine Haus-
arztpraxis bietet. „Wir können hier nur das medizinisch Not-
wendige und das zur Überbrückung Erforderliche machen, bis
die Weiterbehandlung beim Haus- oder Facharzt erfolgt“, so Dr.
Foerster.
Daher ist die Notfallpraxis, obwohl es der Name vielleicht sug-
gerieren mag, auch kein Notarztdienst, der sich um Schwerver-
letzte nach Verkehrsunfällen, das gebrochene Bein eines Hob-
byfußballers oder um lebensbedrohliche Zustände wie den
akuten Herzinfarkt kümmert. „Das sind Krankheitsbilder für den
Notarzt und den Rettungswagen“, sagt Dr. Foerster. Diese Pati-
enten werden im Klinikum Esslingen direkt in die dortige Not-
aufnahme eingeliefert, die sich gleich neben der Notfallpraxis
bef indet . In die Notauf-
nahme werden zudemdie-
jenigen Patienten der
Notfallpraxis weiter-
geleitet, bei denen die
Diagnose nicht sicher
gestellt werden oder
das Krankheitsbild
einen gefährlichen
Verlauf nehmen kann.
Ebenso sind Verletzun-
gen, die geröntgt wer-
den müssen, jeder, der
liegend transportiert wird,
Kinder unter 14 Jahren, Arbeits-
unfälle und Tierbisse Indikationen,
die sofort an die Notaufnahme übergeben
werden. Und auch Patienten mit Schmerzen, die auf einen Herz-
infarkt oder eine Thrombose hinweisen, werden sofort in die
Notaufnahme gebracht.
Vorteilhafte Nähe
Die Patientin, die kurz nach dem Jugendlichen in die Notfallpra-
xis gehumpelt kommt, ist solch ein Fall. Sie ist blöd gestürzt, jetzt
ist der ganze Fuß geschwollen. „Wir können nicht in den Fuß
hineinsehen, dazu braucht es ein Röntgenbild“, sagt der Dienst
habende Arzt und weist ihr den kurzen Weg zur Notaufnahme.
Diese Nähe ist vorteilhaft, für alle Seiten. „Für die Patienten
bestehen kurze Wege, für die Ärzte ein guter Austausch mit den
Klinikern verschiedenster Fachrichtungen und für die Kassen
kommt es günstiger, als wenn alle Patienten ungefiltert gleich in
die Notaufnahme gehen“, sagt Dr. Foerster. Er schätzt, dass etwa
zehn Prozent der Patienten, die in die Notfallpraxis kommen, in
die Notaufnahme weitergeleitet werden.
Das Telefon klingelt. Manuela Gloss hebt ab, hört kurz zu und
erklärt dann dem Anrufer, wo er gelandet ist: „Unsere Praxis ist
zwar am Krankenhaus, wir sind aber nicht Teil des Krankenhau-
ses, sondern der Bereitschaftsdienst der Niedergelassenen“. Die
Arzthelferin muss am Telefon häufig erläutern, was die Notfall-
praxis eigentlich ist, denn den Patienten fällt die Unterscheidung
zur Notaufnahme oft schwer. Sie erklärt den Unterschied gedul-
dig – und meist auch erfolgreich: „Die Patienten gehen lieber
zumNiedergelassenen als gleich ins Krankenhaus und sind daher
dankbar, amWochenende einen entsprechenden Ansprechpart-
ner zu finden.“ Auch die Möglichkeit des Hausbesuchsdienstes
ist meist unbekannt: „Dass ein Hausarzt auch wirklich noch ins
Haus kommt, können vielen Patienten gar nicht glauben“, sagt
Manuela Gloss. Die Regel, wer in die Praxis kommen muss und
wer besucht wird, ist kurz und eindeutig: „Wer gehfähig ist, kann
im Prinzip kommen“, sagt Dr. Foerster. Aber natürlich gibt es
auch Ausnahmen, die Erfahrung von Manuela Gloss gibt hier
180.000
Menschen wohnen im
Einzugsgebiet der Notfall-
praxis Esslingen
„Dass ein Hausarzt wirklich noch
ins Haus kommt, können viele
Patienten gar nicht glauben.“
Gewusst?
10 Euro bitte
Der Besuch bei einem Not-
dienst – ob ärztliche Notfall­
praxis oder Notaufnahme
eines Krankenhauses – ist
für Versicherte der gesetzli-
chen Krankenkassen kosten-
pflichtig. Es ist eine Zuzahlung
von 10 Euro/Quartal zu leis-
ten. Das gilt auch, wenn im
gleichen Quartal bereits ein
Hausarztbesuch nötig war
und dort gezahlt wurde. Denn
die „Notfallgebühr“ ist sepa-
rat fällig, entsprechend der
Zuzahlung beim Zahnarzt oder
Psycho­therapeuten.
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