Ausgabe 1 >2022

1 | 2022 Esslinger Gesundheitsmagazin 9 „In Esslingen bieten wir jetzt gemeinsam mit der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie eine innovative endovaskuläre Alternative zum Stent an: Die Rotationsatherektomie eignet sich besonders gut bei Patienten mit ausgeprägten Verschlüssen. Somit kann – wenn technisch möglich – auf einen größeren chirurgischen Eingriff, eine Bypass Operation, verzichtet werden“, so Professor Demirel. Im Gegensatz zur reinen Ballonaufdehnung, bei der die Verkalkung an die Gefäßwand gedrückt wird, fräst sich das Rotationsatherektomie-System mit einer Geschwindigkeit von bis zu 73.000 Umdrehungen pro Minute durch die Verkalkung. Neben dem rotierenden Fräskopf verfügt das ferngesteuerte System über ausfahrbare Messer sowie einen Saugport. Das verkalkte Material kann also gefräst, pulverisiert und abgesaugt werden, damit das Blut wieder ungehindert fließt. Auch ein Bauchaortenaneurysma können Professor Demirel und sein Team minimalinvasiv therapieren. Dabei wird eine endovaskuläre Stentprothese als eine Art „innere Schienung“ in die Aorta eingesetzt, so dass der Aneurysmasack keinem arteriellen Pulsationsdruck mehr ausgesetzt ist. Als Zugangsgefäße dienen die Leistenarterien. Diese werden durch die Haut punktiert, worüber dann Drähte und Einführschleusen das Implantieren von Aortenprothesen ermöglichen. „Wir wollen in Esslingen einen AortenSchwerpunkt etablieren“, sagt Professor Demirel, der auch mit hochkomplizierten Fällen viel Erfahrung hat: Ungefähr fünf Prozent aller Aortenaneurysma-Patienten haben ein sogenanntes komplexes Aortenaneuysma, es treten Gefäßerweiterungen in Bauch- und Brustschlagader auf. Ein vorbeugender Eingriff muss in diesem Fall perfekt geplant werden: Man benötigt realitätsgenaue „Architekturzeichnungen“ der Aorta des Patienten, in denen die Position der Stentprothese samt individuell angebrachten Seitenfenstern oder Seitenarmen eingezeichnet wird. „Der Endovaskularchirurg operiert vorab alles in Gedanken durch, muss mögliche Probleme, die während der OP auftauchen könnten, im Voraus erkennen und einen Plan B und C parat haben“, so Professor Demirel. So komplex ist die Materie, dass der OP-Plan des Endovaskularchirurgen immer von einem hochspezialisierten Planungsbüro des Herstellers der Spezialprothese gegengeprüft wird. „Am Klinikum Esslingen ist es neuerdings möglich, dass präoperative computertomographische Bilddaten auf die Echtzeitdurchleuchtung während der Prozedur fusioniert werden, so dass der Endovaskularchirurg innerhalb der Aorta navigieren kann, was die Präzision des Eingriffs, somit die Patientensicherheit und Ergebnisqualität deutlich steigert“, so Professor Demirel. Offene Operation: Manchmal die bessere Option Die Esslinger Gefäß- und Endovaskularchirurgen sind aber nicht nur auf minimalinvasive, sondern auch auf offene OP-Verfahren spezialisiert. „Sollten während eines endovaskulären Eingriffs Komplikationen auftauchen, müssen wir in der Lage sein, auch offen zu operieren“, so Professor Demirel. Er betont zudem: „Auch wenn ein schonender endovaskulärer Eingriff viele Vorteile bringt, stellt er nicht für jeden Patienten die optimale Lösung dar. Zum Beispiel zeigen wissenschaftliche Studien, dass Patienten mit einer Gefäßverengung in der Halsschlagader stärker von einer offenen Operation profitieren, bei der der Gefäßkalk herausgeschält wird.“ In einigen Fällen kann auch ein hybrides Verfahren sinnvoll sein, welches offene OP und Kathetereingriff kombiniert. „In Zukunft werden hybride Operationen in einem mit Hochleistungstechnik ausgerüsteten OP-Saal durchgeführt. Die dafür notwendigen Investitionen sowie die technische Einrichtung wurden durch das Klinikum Esslingen bereits veranlasst“, so Professor Demirel. Welche Therapie ist die richtige? Medikamentöse Behandlung oder chirurgischer Eingriff? Offene Operation oder minimalinvasiver Eingriff? Was das Beste ist, hängt letztendlich immer vom Patienten ab. Deswegen ist eine sorgfältige Diagnostik das A und O in der Gefäßmedizin. Nicht nur die Gefäßveränderung, sondern der gesamte Gesundheitszustand sollte überprüft werden. Am Klinikum Esslingen arbeitet ein interdisziplinäres Team aus Gefäß- und Endovaskularchirurgen, Radiologen, Kardiologen, Lungenfachärzten und Gastroenterologen eng zusammen, um für jeden Gefäßpatienten die beste Therapie auszuloten. Professor Demirel: „Gute Gefäßmedizin heißt: Die Behandlung erfolgt personalisiert und ganzheitlich.“ lj Mehr zu innovativen Behandlungsmöglichkeiten arterieller und venöser Krankheitsbilder, wie zum Beispiel der tiefen Becken-Bein-Venen Thrombose, finden sich auf der neu gestalteten Internetseite der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie. www.klinikum-esslingen.de/ gefaess-und-thoraxchirurgie Neue Technik: Das Rotationsatherektomie-System fräst sich durch die Verkalkung und trägt Ablagerungen in der Arterie mittels Saugfunktion ab.

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