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1 2016

Esslinger Gesundheitsmagazin 37

Prof. Dr. Thorsten Kühn

Prof. Dr. Michael Geißler

Prof. Dr. Mathias Leschke

Am Klinikum Esslingen findet vier

Mal wöchentlich eine sogenannte

Tumorkonferenz statt: Disziplinü-

bergreifend kommen alle Tumorspe-

zialisten zusammen und stellen die

an Krebs erkrankten Patienten vor.

„Wir diskutieren dann gemeinsam,

ob ein Patient die Standardtherapie

erhalten soll oder etwa an einer

Studie teilnehmen kann“, erklärt

Professor Geißler die Arbeit in der

Tumorkonferenz. Ist die prinzipielle

Entscheidung für die Teilnahme an

der Studie gefallen, spricht der Arzt

mit dem Patienten.

„Die wichtigste Aufgabe von uns Ärzten ist es, den Patienten

aufzuklären“, sagt der Onkologe. Denn der Patient muss wissen,

welche Chancen und Risiken mit der Studie verbunden sind. So

soll auch verhindert werden, dass sich Patienten als Versuchs-

kaninchen fühlen könnten. Nach zwei bis vier Tagen Bedenkzeit

sollte sich der potentielle Studienteilnehmer entscheiden. Jeder-

zeit besteht für den Patienten auch die Möglichkeit aus der Stu-

die wieder auszusteigen oder auch von den Ärzten ausgeschlos-

sen zu werden, zum Beispiel wenn die Nebenwirkungen durch

das getestete Medikament zu stark werden oder die Wirkung

nicht mehr anhalten sollte.

„Früher haben sich die Patienten mehr Sorgen gemacht, aber

die strikten rechtlichen Anforderungen nehmen vielenMenschen

die Angst“, berichtet Professor Geißler. „Oft können wir Patien-

ten überzeugen, dass es eine reelle Chance gibt, dass die neue

Therapie besser anschlägt als bisher übliche Verfahren.“ Zwei

Drittel der angesprochenen Patienten stimmen der Teilnahme

an einer Studie zu. Gerade bei den neuesten Studien zur Behand-

lung von Krebs sollten die Patienten die Chance unbedingt

ergreifen, rät der Onkologe. Denn bis das Medikament eine

Zulassung erhält und auf den Markt kommt, können vier bis

sechs Jahre vergehen. „Das ist für viele Patienten zu spät“, sagt

Professor Geißler.

aw

Gewusst?

Randomisierung

Die Teilnehmer der Studie werden per Zufallslos in die unter-

schiedlichen Kontrollgruppen eingeteilt. Das nennt man Rando-

misierung. Die Gruppe, in der die neue Behandlung oder das

Medikament zum Einsatz kommt, nennt man Behandlungs-

gruppe. Die Teilnehmer, mit der verglichen wird, heißt Kontroll-

gruppe. Die zufällige Verteilung der Gruppenmitglieder soll

gewährleisten, dass die Patienten in beiden Gruppen ähnliche

Eigenschaften haben, wie Alter, Geschlecht oder körperliche

Verfassung. Denn nur dann sind die Ergebnisse wirklich mitein-

ander vergleichbar. Oftmals wissen auch die Ärzte nicht, welcher

Gruppe der Patient angehört.

Arzneimittel-Studien werden in die

Phasen I bis IV eingeteilt:

Phase I:

Das sind kleine Studien, bei denen eine neue

Behandlung erstmals am Menschen, und zwar an gesun-

den Freiwilligen, eingesetzt wird. In diesen Studien wird

die Verträglichkeit des Wirkstoffs überprüft und unter-

sucht, wie sich der Stoff im menschlichen Körper verhält.

Die Dosis des Wirkstoffs wird in solchen Studien langsam

gesteigert, bis die maximal verträgliche Dosis herausge-

funden ist. Dadurch soll herausgefunden werden, ob es

überhaupt für einen Einsatz beim Menschen in Frage

kommt.

Phase II:

Diese Studien sind meist etwas größer als Phase-

I-Studien. Meist nehmen 50 bis 300 Patienten teil. Es ist

das erste Mal, dass das Medikament an den Patienten

überprüft wird, die an jener Erkrankung leiden, für die die

Zulassung angestrebt wird. Es wird getestet, ob das Mit-

tel überhaupt seine gewünschte therapeutische Wirkung

entfaltet.

Phase III:

Diese großen Studien entscheiden mit, ob ein

Medikament tatsächlich auf den Markt kommt oder nicht.

Sie geben detailliert Auskunft über Wirksamkeit und Ver-

träglichkeit. Bei den Tests soll auch herausgefunden wer-

den, ob die Nebenwirkungen größer sind als der Nutzen

des Mittels. In den allermeisten Fällen handelt sich um

Vergleichsstudien. Mit den Daten beantragen die Phar-

mafirmen dann eine Zulassung des Medikaments.

Phase IV:

Diese Studien finden statt, wenn ein Medika-

ment bereits auf dem Markt ist – nach der arzneimittel-

rechtlichen Zulassung. Diese Studien gewinnen immer

mehr an Bedeutung, weil das Medikament bei tausenden/

zehntausenden Patienten nachweisen muss, dass die

Lebensqualität der behandelten Menschen stimmt und

keine seltenen, schweren Nebenwirkungen auftreten, die

bei den Phase II und III Studien nicht aufgefallen sind.