Ausgabe 2 >2022

2 | 2022 Esslinger Gesundheitsmagazin 9 Lebensgefährlich: Schwaches Herz und Rhythmusstörungen Auch Felix Schmid genießt den Sommer: Der 46-jährige Familienvater ist auf dem Sprung in den Kroatien-Urlaub. Dass er die Reise machen kann, ist nicht selbstverständlich. Überhaupt, dass er noch am Leben ist, ist nicht selbstverständlich. „Meine Hausärztin hat richtig reagiert. Ohne sie wäre ich jetzt vielleicht tot“, sagt Schmid. Alles begann mit einem Reizhusten. „Das zog sich ein paar Wochen hin und wurde schließlich so schlimm, dass ich nur noch im Sitzen schlafen konnte.“ Die Hausärztin hört die Lunge ab, schreibt ein EKG – und ruft sofort einen Krankenwagen. „Ich hab‘ die Welt nicht verstanden: So schlecht ging es mir doch gar nicht“, erinnert sich Felix Schmid. Doch die Situation ist lebensbedrohlich. Felix Schmid hustet, weil er Wasser in der Lunge hat. Sein Herz ist zu schwach, um das von der Lunge kommende Blut in den Körper weiter zu pumpen. Die Folge: Flüssigkeit staut sich zurück in die Lunge. Im Klinikum Esslingen bekommt Felix Schmid Medikamente, die das Wasser aus seiner Lunge schwemmen und den Druck auf sein Herz senken. Kurzfristig ist er außer Lebensgefahr. Doch ein Langzeit-EKG zeigt: Felix Schmid hat auch eine Herzrhythmusstörung. „Herzschwäche und Rhythmusstörung gehen oft Hand in Hand“, weiß PD Dr. Arnold. Herzrhythmusstörungen treten typischerweise in Attacken auf und können viele verschiedene Formen annehmen: Bei dem einen schlägt das Herz zu schnell, beim anderen zu langsam, beim dritten pocht es unregelmäßig und stolpert. „Viele Herzrhythmusstörungen sind harmlos. Patienten, die ein schwaches Herz haben, neigen allerdings zum gefährlichen Kammerflimmern. Eine Attacke kann innerhalb von Minuten zum Tod führen“, so PD Dr. Arnold. Psychische Belastungsprobe Felix Schmid darf nach einer Woche das Krankenhaus verlassen. Er bleibt unter enger ärztlicher Beobachtung und muss 24 Stunden am Tag eine Art Rettungsweste tragen, die ihn vor dem plötzlichen Herztod schützt. In die Weste eingebaut ist ein Defibrillator und Sensoren, die das Herz ständig überwachen. Kommt es zu einer Attacke, gibt der Defibrillator einen elektrischen Schock ab, um das Herz wieder in den richtigen Rhythmus zu bringen. „Ich sah aus wie ein James Bond mit Waffenhalfter“, sagt Felix Schmid. Im Nachhinein kann er darüber schmunzeln, doch die Zeit, in der er die Weste tragen muss, ist für ihn und seine Familie eine psychische Belastungsprobe: „Wenn die Weste auf der Haut verrutscht, wird ein Fehlalarm ausgelöst. Als Anwender hat man dann kurz Zeit, den Behandlungsvorgang abzubrechen. Insbesondere für meine Frau waren solche Fehlalarme immer ein Schreckensmoment.“ Als sich Felix Schmids Herzleistung einige Monate später immer noch nicht verbessert hat, ist klar: Sein Herz wird lebenslang einen Bodyguard benötigen. PD Dr. Arnold empfiehlt ihm einen implantierbaren Defibrillator, kurz ICD. Dieser ist etwa so groß wie eine Streichholzschachtel und wird in die Brust eingepflanzt, entweder unter den Brustmuskel oder unter die Haut. Der ICD wird mit Sonden verbunden, die über eine Vene ins Herz führen und dort im Notfall elektrische Impulse abgeben. Es gibt verschiedene ICD-Systeme, die auf unterschiedliche Störungen zugeschnitten sind. Manche kombinieren zum Beispiel Defibrillator- und Schrittmacherfunktionen. Technischer Fortschritt „Die Technik hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm weiterentwickelt“, so PD Dr Arnold. Er und sein Team haben langjährige Erfahrung mit implantierbaren Herzschrittmachern und Defibrillatoren. Jedes Jahr implantieren sie am Klinikum Esslingen rund 600 dieser Geräte. „Die Systeme agieren sehr flexibel und greifen so wenig wie möglich in den natürlichen Ablauf ein. Sie zeichnen ständig Daten zur Herzleistung und zur Gerätefunktion auf. Als Arzt kann ich diese Daten per Bluetooth abrufen - passwortgeschützt und gut gesichert. Das erleichtert die Nachsorge enorm.“ Allerdings haben herkömmliche ICD-Systeme für so junge Patienten wie Felix Schmid einen Nachteil: „Die Sonden halten bei aktiven jungen Menschen die Belastung durch ständige Bewegungen nicht auf Dauer aus. Es kann zu Defekten an der Isolation oder sogar zu Brüchen der Sonden kommen. Die Sonden am Herzen müssen dann ausgetauscht werden – und das kann riskant sein“, so PD Dr. Arnold. Er empfiehlt Felix Schmid ein noch junges System, einen sogenannten subkutan implantierbaren Defibrillator, kurz: S-ICD. Das Gerät bietet den gleichen Schutz wie ein normaler ICD. Allerdings wird es nur unter die Haut gesetzt und hat keine Verbindung zum Herzen. „Weil das Herz unangetastet bleibt, ist ein Gerätetausch viel unkomplizierter. Außerdem wird das Komplikationsrisiko, zum Beispiel von Infektionen, reduziert“, so PD Dr. Arnold. Kleiner Eingriff, großer Schutz Die Implantation des S-ICD ist ein etwa einstündiger Routineeingriff. PD Dr Arnold setzt bei Felix Schmid auf der linken Brustseite unter der Achsel einen kleinen Schnitt. Dort bringt er den Impulsgeber ein. Etwas links vom Brustbein setzt er >>> Herzrhythmusstörung „Vorhofflimmern“ Anders als Kammerflimmern ist Vorhofflimmern nicht unmittelbar lebensbedrohlich. Allerdings erhöht es das Schlaganfallrisiko und birgt weitere Risiken. Welche Symptome können auf Vorhofflimmern hinweisen? › Unregelmäßiger Herzschlag / Puls › Herzstolpern oder Herzrasen › Schwindel, Schwitzen und Atemnot › Innere Unruhe, Angst › Abgeschlagenheit › Brustschmerzen › Erschöpfung, eingeschränkte Leistungsfähigkeit › 25 bis 40 von 100 Patienten mit Vorhof- flimmern haben keine Beschwerden

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