Ausgabe 1 >2023

1 | 2023 Esslinger Gesundheitsmagazin 27 Dr. Ulrike WorthaWeiss Die Menschen in Deutschland werden immer älter. Und damit auch die Patienten in den Krankenhäusern. Die Behandlung von sehr alten Menschen ist nicht einfach. Sie leiden oft unter mehreren verschiedenen Krankheiten. Hinzu kommt, dass mit zunehmendem Alter die Gefahr einer Demenz besteht. Das Klinikum Esslingen hat bereits vor einigen Jahren auf diese Situation reagiert und eine geriatrische Behandlungseinheit speziell für Seniorinnen und Senioren über 80 Jahren eingerichtet. Die Station verfügt über 20 Betten. „Zweidrittel der Patienten kommen als orthopädische Patienten mit für dieses Alter typischen Oberschenkelhalsbrüchen oder anderen Verletzungen nach Stürzen“, sagt Dr. Ulrike WorthaWeiss, die Leiterin der Geriatrie-Station. Die anderen Patientinnen und Patienten sind zumeist wegen neurologischer Leiden da: nach einem Schlaganfall, wegen einer Parkinson-Erkrankung, einer Gangstörung oder epileptischen Anfällen. Die Patientinnen und Patienten auf der Geriatrie-Station sind zumeist über 80 Jahre alt. Menschen zwischen 60 und 80 Jahren werden aufgenommen, wenn sie sich in einem schlechten Allgemeinzustand bef inden oder zusätzlich demenzielle Einschränkungen haben. Wobei alt sein nicht gleichbedeutend mit Demenz sei, betont Dr. WorthaWeiss. „Wir haben hier auch geistig topfitte Leute, die aber aus anderen medizinischen Gründen bei uns besser aufgehoben sind als auf einer normalen Station.“ Besonders Augenmerk: Delirprävention Eine gefürchtete Komplikation bei der Behandlung von Seniorinnen und Senioren ist das Delir. „Und die Gefahr, nach einer Operation ein Delir zu erleiden, steigt mit zunehmendem Alter“, sagt Professor Dr. Matthias Reinhard, der Chefarzt für Neurologie und klinische Neurophysiologie am Raumkonzept extra für Menschen mit Demenz Auch die Gestaltung der Räume spielt eine Rolle. Vor allem geht es darum, möglichst viel Kommunikation zu ermöglichen. Zentraler Raum der Station ist ein Gemeinschaftsraum. Dorthin werden die Seniorinnen und Senioren, sobald sie auch nur für kurze Zeit das Bett verlassen können, gebracht. Besondere Mobilitätsstühle unterstützen auch Menschen, die Gehprobleme haben oder noch sehr schwach sind. „Im Gemeinschaftsraum können die Patientinnen und Patienten gemeinsam die Mahlzeiten einnehmen. Auch Spiele und Mobilitätsübungen werden dort angeboten“, sagt Dr. WorthaWeiss. Damit sich die Seniorinnen und Senioren in dem für sie fremden Umfeld orientieren können, gibt es extra große Zimmernummern an den Türen sowie ein klares Farbkonzept. Im Rahmen der umfassenden Baumaßnahmen am Klinikum Esslingen wird im Laufe dieses Jahres das neue Modulgebäude eröffnet. In dieses hochmoderne Gebäude, das noch mehr Patientenkomfort bietet, zieht neben der Neurologie auch die Geriatrie-Station ein. In den neuen Räumen soll schon die Architektur für eine gute Orientierung sorgen. Die Leitende Ärztin Dr. Wortha-Weiss ist deshalb in die Planung des Modulbaus und vor allem der Geriatrie-Station fest eingebunden. Zurück ins gewohnte Umfeld Im Mittelpunkt der Behandlung steht die Mobilisierung der Seniorinnen und Senioren. Ziel ist es, sie so fit zu machen, dass sie nach dem Krankenhausaufenthalt möglichst wieder in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren können – sei es nach Hause oder ins Pflegeheim. „Da machen wir keinen Unterschied. Auch PflegeKlinikum Esslingen. Ein Delir ist ein Verwirrtheitszustand, in den Menschen nach einer Narkose fallen können, manchmal löst bei hochbetagten Menschen aber auch schon der Krankenhausaufenthalt die Verwirrtheit aus. Die Patientinnen und Patienten finden sich dann in der fremden Umgebung nicht zurecht, entwickeln diffuse Ängste. Häufig verweigern sie auch die Nahrungsaufnahme. Unbehandelt kann ein Delir lebensbedrohend werden. Besonders gefährdet dafür seien Menschen, die schon an Demenz erkrankt sind, sagt Professor Reinhard. „Oft bestehen bereits geringe Einschränkungen, die aber im normalen Alltag nicht so auffallen. Deshalb versuchen wir bereits bei der Aufnahme der Patientin oder des Patienten in die Klinik herauszufinden, ob es größere oder auch leichtere kognitive Beeinträchtigungen gibt“, erklärt der Neurologe. „Dabei sind für uns vor allem auch die Auskünfte der Angehörigen wichtig.“ Zudem werden während des Krankenhausaufenthalts verschiedene Tests durchgeführt, mit denen beispielswiese die Merkfähigkeit geprüft wird. Intensive Betreuung Ein Klinikaufenthalt ist für alle Menschen belastend, für Menschen mit Demenz aber besonder s . Sie f inden sich nur schwer in einem für sie völlig fremden Umfeld zurecht. Um auch solchen Patientinnen und Patienten eine Umgebung zu bieten, in der sie sich wohlfühlen, legt man auf der Geriatrie-Station viel Wert auf individuelle Betreuung. Alle Pflegekräfte verfügen über geriatrische Zusatzausbildungen. Sie achten beispielsweise darauf, dass die Seniorinnen und Senioren genügend trinken, was diese sonst unter Umständen vergessen. „Außerdem gibt es zusätzlich geschulte Betreuerinnen und Betreuer, die mit den Patienten reden, spielen und sich auch sonst um sie kümmern“, beschreibt Dr. Wortha-Weiss das Konzept der Geriatrie-Station. Professor Dr. Matthias Reinhard >>> „ Die intensiven Therapien ermöglichen vielen Patienten, nach dem Klinikaufenthalt wieder in ihr gewohntes Umfeld zurückzukehren.”

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