ESSLINGER GESUNDHEITSMAGAZIN 2 > 2023 Klinikum Esslingen in Kooperation mit der Kreisärzteschaft Esslingen Entzaubert Ernährungsmythen hinterfragt Entschärft Herzklappendefekt behoben Entfernt Darmtumor operiert Neu für Lungenpatienten: ––––– Thoraxzentrum Südwest Die Mobilmacher Vital im Alter – trotz Knochenbruch
04 Meldungen 11 Typische Altersfrakturen Arzt-Interview 12 Keine Angst vor der Narkose! Sicher durch die OP 14 Starke Muskeln schützen die Knochen Sport hilft Senioren, Frakturen vorzubeugen 16 Ernährungsmythen aufgedeckt Expertinnen klären auf 19 Für junge Leser Fitnesstipps einer Physiotherapeutin 22 Hightech im Untergrund Gebäudetechnik im Krankenhaus 24 Kleine Patienten sind wie rohe Eier Die Kinderchirurgie 27 ES-Kids Wunderwerk Hände 28 Interview Krankenhausreform: Wir können nicht warten! 30 Darmkrebsbehandlung aus einer Hand Darmkrebszentrum Esslingen 33 Die Darmspiegelung rettet Leben Arzt-Interview 34 Prämierte Ausbildung in der Kinderkrankenpflege Traineeprogramm am Klinikum Esslingen 36 Starke Pumpe Herzklappendefekt minimalinvasiv behandeln 40 Die ES-Elternschule Kursangebote für junge Familien 41 Das Mutter-Kind-Zentrum 42 Plus Tag für die Pflege Work-Life-Balance am Klinikum Esslingen 43 Förderverein Herzklopfen 43 Impressum 44 Guten Appetit! In den Städtischen Pflegeheimen Esslingen zählt Qualität beim Essen 48 Förderverein proklinikum 49 Veranstaltungen 50 Adressen Selbsthilfegruppen, Ambulante Dienste und mehr 24 33 42 Inhalt 15 Klinikum Esslingen baut: Haus 0 wird eingeweiht 20 Thoraxzentrum Südwest: Optimale Versorgung für Lungenpatienten 06 Alterstraumatologie: Knochenbrüche bei älteren Menschen www.gesundheitsmagazin-esslingen.de
2 | 2023 Esslinger Gesundheitsmagazin 3 Vorwort Deutschland lässt sich sein Gesundheitssystem einiges kosten. Seine Effektivität muss allerdings kritisch hinterfragt werden. Deutschland belegt bei der Lebenserwartung im Vergleich zu westeuropäischen Nachbarländern Abstiegsplätze. Bei einem Ranking unter 16 Ländern in Westeuropa erreicht die Bundesrepublik bei den Männern Platz 15, bei den Frauen Platz 14, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden berichtete. Eine Art von Erkrankung verdüstert diese Bilanz bei uns besonders. Es sind die Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielt bei Seniorinnen und Senioren ab dem 65. Lebensjahr auch ein erhöhtes Sturzrisiko eine Rolle. Einer von vier Erwachsenen in dieser Altersgruppe stürzt jedes Jahr. Viele ältere Menschen werden wegen sturzbedingter Verletzungen in die Notaufnahmen eingeliefert. Sturzbedingte Verletzungen und deren Folgeerkrankungen sind eine der häufigsten Todesursachen bei älteren Menschen. Seniorinnen und Senioren können sich durch Stürze schwere Traumata zuziehen. Frakturen oder Verletzungen sind häufig, Frakturen des Beckens und Oberschenkelhalsfrakturen entstehen meist, wenn die Senioren seitlich fallen. Verminderte Knochendichte, Immobilität, Muskelschwund mit zunehmendem Alter oder Gleichgewichtsstörungen erhöhen das Risiko. Die Behandlungen in den Notaufnahmen und teils lange Krankenhausaufenthalte sind die Folge. Lange Krankenhausaufenthalte bergen gerade bei älteren Menschen auch immer das Risiko von Infektionen, die im Krankenhaus erworben werden können, wie Harnwegsinfektionen und Blutvergiftungen sowie multiresistente Keime (MRSA). In der vorliegenden Ausgabe möchten wir mit dem Schwerpunkt Alterstraumatologie zum einen den neuen Chefarzt der Unfallchirurgie des Klinikum Esslingen vorstellen, zum anderen über die Prophylaxe, Therapie und Rehabilitation ausführlich berichten. Ihr Dr. Marc Alexander Meinikheim Ständig passen wir uns an neue Gegebenheiten an – vor allem am Arbeitsplatz. Eben waren wir noch täglich unterwegs, um an die Arbeitsstätten zu gelangen, vor kurzem saßen die Meisten von uns dann komplett im Homeoffice und aktuell pendeln wir zwischen beidem hin und her. Von Arbeitnehmern wird seit jeher Flexibilität verlangt. So war es zumindest noch bis vor wenigen Jahren. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. In Zeiten von Fachkräftemangel sind es die Arbeitgeber, die ihre Flexibilität unter Beweis stellen müssen, um gutes Personal zu finden. Gerade im Gesundheitswesen, das meist nicht mit Homeoffice punkten kann, sind attraktive Konzepte gefragt. Am Klinikum Esslingen ist man längst kreativ geworden. Auf die Mitarbeitenden zugeschnittene Arbeitszeitmodelle, zahlreiche Benefits, qualifizierte Weiterbildungen und Kinderbetreuung sind nur einige der etablierten Maßnahmen. Eine Besonderheit und Alleinstellungsmerkmal des Klinikum Esslingen ist der neu eingeführte „Plus Tag“. Wer im Pflege- und Funktionsdienst am Wochenende arbeitet, wird mit einem zusätzlichen freien Tag belohnt. Gerade die Arbeit an den Wochenenden bedeutet eine Belastung für das Privat- und Familienleben. Dies will das Klinikum mit dem Plus Tag abmildern und seine Attraktivität für Pflegekräfte erhöhen. Flexibilität erwarten wir auch von unserem Gelenkapparat. Am besten bis ins hohe Alter. Doch nicht immer geht es nach Wunsch. Damit alte Menschen nach einem Knochenbruch wieder auf die Beine kommen, arbeiten am Klinikum Esslingen Fachleute aus der Unfallchirurgie und Geriatrie eng zusammen. In unserem Schwerpunkt Alterstraumatologie erfahren Sie alles rund um diese spezialisierte Behandlung. Aber auch die Kleinsten werden am Klinikum bestens versorgt. Erfahrene Kinderchirurginnen und -chirurgen sichern eine optimale Behandlung. Lesen Sie außerdem, wie sich das Klinikum im Kampf gegen Darmkrebs aufgestellt hat und erfahren Sie, warum das Team der Haustechnik eine Schlüsselrolle im Klinikalltag einnimmt. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre Ihr Matthias Klopfer Flexibel bleiben Matthias Klopfer, Oberbürgermeister der Stadt Esslingen a. N. Alte Patienten unterstützen Dr. Marc Alexander Meinikheim, Vorstand der Kreisärzteschaft Esslingen
4 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2023 Meldungen Examensfeier am 15. September 2023 Haben Sie Fragen und Anregungen rund um das Esslinger Gesundheitsmagazin? Kontaktieren Sie uns: dialog@klinikum-esslingen.de Ihre Gesundheitsthemen sind gefragt! Am 20. September lud das Klinikum Esslingen seine Mitarbeitenden im Ruhestand zum alljährlichen Treffpunkt ein. 75 Rentnerinnnen und Rentner folgten der Einladung. Bei Kaffee und Kuchen tauschten sie Erinnerungen an das gemeinsame Berufsleben aus und hörten interessiert zu, welche Neuigkeiten Geschäftsführer Matthias Ziegler aus dem Krankenhaus zu berichten hatte. Besonderes Highlight war die Führung durch das neue Modulgebäude. Alle Ehemaligen waren sehr angetan von den hellen und freundlichen Räumlichkeiten und wollten schon fast wieder mit der Arbeit loslegen. Geselliges Beisammensein beim Ehemaligentreff Grund zum Feiern haben die frisch examinierten Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner des Klinikum Esslingen. Im September 2023 absolvierten 19 Auszubildende erfolgreich ihren Abschluss zur examinierten Pflegefachkraft, davon fünf mit der Vertiefung Pädiatrie und 14 mit der Vertiefung Akutpflege. Die generalistische Pflegeausbildung, die im Januar 2020 eingeführt wurde, macht die Absolventinnen und Absolventen somit zu Debütanten für die neue Ausbildung zur Pflegefachfrau / zum Pflegefachmann. Herzlichen Glückwunsch an alle Absolventinnen und Absolventen und alles Gute für den weiteren Weg!
2 | 2023 Esslinger Gesundheitsmagazin 5 Meldungen Bei einem bundesweiten Protesttag am 20. September machten deutsche Krankenhäuser auf ihre schwierige wirtschaftliche Lage aufmerksam. Initiiert wurde die Aktion von der Deutschen Krankenhausgesellschaft. In vielen großen Städten fanden Protestmärsche statt. Die Demonstrierenden forderten einen Ausgleich der durch die anhaltende Inflation bedingten Kostenexplosion: Die Kliniken können ihre Preise nicht an die gestiegenen Kosten anpassen. Daher kann fast kein Krankenhaus mehr seine Ausgaben aus den laufenden Einnahmen bezahlen. Im Stuttgarter Demonstrationszug marschierten auch Vertreterinnen und Vertreter des Klinikum Esslingen mit. „Wir machen uns laut – für unsere Patientinnen und Patienten“, so Pressesprecherin Dr. Anja Dietze. „Wie alle Häuser kämpfen auch wir gegen die hohe Inflationsrate und die immensen Preissteigerungen für Energie, Medizinprodukte und Lebensmittel“, sagt Geschäftsführer Matthias Ziegler. „Unser oberstes Ziel bleibt, die Patientenversorgung und den Klinikbetrieb stabil zu halten. Wir sind ein unschlagbares Team und werden für unsere Patientinnen und Patienten eine zuverlässige und qualitativ hochwertige Anlaufstelle bleiben.“ Bundesweiter Protesttag deutscher Krankenhäuser Es ist geschafft: Der „Förderverein für einen Baby-Notarztwagen für den Landkreis Esslingen e. V.“ hat in den letzten Jahren 200.000 Euro Spenden gesammelt. Damit konnte die Anschaffung eines Baby-Notarztwagens für den Landkreis finanziert werden. Am 14.12.2022 wurde das Fahrzeug offiziell übergeben. Seit dem 24.12.2022 ist der Baby-Notarztwagen im Einsatz. Ein herzliches Dankeschön dem Initiator, dem Rettungsassistent Harald Weith, der Schirmherrin Astrid Fridrich, der Vorstandschaft und allen Spenderinnen und Spendern. Große Unterstützung bekam der Förderverein unter anderem durch Star Care, einer Initiative von Mitarbeitenden der Daimler AG. Wer zur langfristigen Deckung der Wartungskosten des Fahrzeuges beitragen möchte, kann eine Einmalspende leisten oder eine Fördermitgliedschaft abschließen (35 Euro pro Jahr). Weitere Informationen: www.baby-naw-esslingen.de Ein Baby-Notarztwagen für den Landkreis Esslingen
6 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2023 Aufgefangen nach dem Sturz Damit alte Menschen nach einem Knochenbruch wieder auf die Beine kommen, arbeiten am Klinikum Esslingen Fachleute aus der Unfallchirurgie und Geriatrie eng zusammen.
2 | 2023 Esslinger Gesundheitsmagazin 7 Die Zeiten ändern sich. „Früher war die typische Patientin oder der typische Patient in der Unfallchirurgie jung, fit und ist beim Ski- oder Motorradfahren verunglückt“, so Professor Dr. Peter H. Richter, seit August Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Klinikum Esslingen. „Aufgrund des demografischen Wandels sieht das heute ganz anders aus. Wir versorgen in der Unfallchirurgie überwiegend Seniorinnen und Senioren mit alterstypischen Verletzungen wie zum Beispiel Frakturen von Oberschenkel, Oberarmkopf, Wirbelkörper oder Becken.“ Risiko einer Fraktur steigt im Alter „Im Alter lässt die Sehkraft nach. Die Muskeln werden schwächer. Die Schritthöhe nimmt ab. Viele alte Menschen leiden an Erkrankungen, die den Gleichgewichtssinn stören oder nehmen Medikamente, die Schwindel auslösen. All das führt unter anderem dazu, dass alte Menschen ein erhöhtes Sturzrisiko haben“, so Dr. Ulrike Wortha-Weiß. Als Leitende Oberärztin der Geriatrie am Klinikum Esslingen ist sie Expertin für Altersmedizin und weiß: Oft ziehen scheinbar banale Missgeschicke schwere Folgen nach sich. Ein älterer Herr stolpert beim nächtlichen Gang zur Toilette über die Teppichkante, stürzt und zieht sich eine Oberschenkelhalsfraktur zu. Eine Seniorin rutscht in der Dusche aus, landet ungeschickt und bricht sich einen Wirbel. „Alte Menschen haben oft eine schlechte Knochenqualität. Der Knochen bricht viel schneller als bei jungen Menschen“, erklärt Professor Richter. Im Laufe des Lebens verändert sich unsere Knochenstruktur. Bis Mitte 30 nimmt unsere Knochenmasse zu, danach überwiegt der Knochenabbau. Bei Frauen schreitet der Knochenabbau meist schneller voran als bei Männern: Nach den Wechseljahren sinkt die Produktion des weiblichen Sexualhormons Östrogen, das auch für den Aufbau von Knochenmasse zuständig ist. Jede zweite Frau über 70 leidet an Osteoporose, im Volksmund Knochenschwund. Oberschenkelhalsbruch Den Teilbereich der Unfallchirurgie, der sich mit der Versorgung von Frakturen bei älteren Menschen beschäftigt, nennen Fachleute Alterstraumatologie. Ein Gebiet, auf dem Professor Richter während seiner Karriere in der Unfallchirurgie der Universitätsklinik Ulm langjährige Erfahrung gesammelt hat. „Eine der häufigsten Brüche bei älteren Menschen ist die mediale Oberschenkelhalsfraktur“, berichtet er. Die Verletzung kann lebensgefährliche Folgen haben. Je länger der Bruch unbehandelt bleibt, desto höher ist das Risiko für Komplikationen wie Thrombose oder Lungenembolie. „Die BehandlungsDr. Ulrike Wortha-Weiß >>> Prof. Dr. Peter H. Richter
8 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2023 leitlinien schreiben vor, dass der Bruch innerhalb von 24 Stunden operiert werden sollte. Hier müssen jedoch Nebenerkrankungen und eine eventuell bestehende Blutverdünnung berücksichtigt werden.“ Den meisten Patientinnen und Patienten mit medialer Oberschenkelhalsfraktur empfiehlt Professor Richter eine Hüftgelenksprothese. „Wir verwenden in der Endoprothetik heute sehr schonende OP-Verfahren. Die Prothese bringen wir über kleine Hautschnitte ein, ohne dass wir dafür Muskeln durchtrennen müssen. Das wirkt sich positiv auf die Genesung und die zukünftige Mobilität aus.“ Die Endoprothetik, das Einsetzen künstlicher Gelenke, hat am Klinikum Esslingen seit langem einen hohen Stellenwert. Über 300 Operationen werden am Esslinger Endoprothetik-Zentrum jedes Jahr durchgeführt, alle Operateure sind speziell in der Endoprothetik ausgebildet. >>> Ein Oberschenkelhalsbruch ist eine typische Altersverletzung. „ Wir verwenden in der Endoprothetik heute sehr schonende OP-Verfahren.” „Uns stehen verschiedene Prothesenmodelle und Verankerungstechniken zur Verfügung. Da es sich bei einem Oberschenkelhalsbruch um eine Notfall-OP handelt, können wir die Knochenqualität mitunter erst während des Eingriffs beurteilen. Wir entscheiden dann im OP, was die individuell beste Lösung ist.“ Bei der Verankerung wird grundsätzlich zwischen zementierter oder zementfreier Verankerung unterschieden. „Bei älteren Patienten zementieren wir die Prothese in der Regel ein. Mit dieser Methode sitzt das künstliche Gelenk auch bei schlechter Knochenqualität fest. Außerdem gibt die Prothese sofort nach der Operation Halt, die Betroffenen können das Bein schnell wieder belasten.“ In der Regel würden ältere Patientinnen und Patienten eine Hüftgelenksprothese bis zu ihrem Lebensende behalten. Dass sich eine Prothese lockert und ersetzt werden muss, könne vorkommen, „jedoch tritt dies in aller Regel erst nach circa 15 Jahren auf.“ Wirbelkörperbruch Eine weitere alterstypische Verletzung, die bei OsteoporosePatientinnen häufig vorkommt, ist ein Wirbelkörperbruch. Dieser kann große Schmerzen und sogar Lähmungen auslösen. „Bei älteren Menschen setzen wir häufig auf eine Kyphoplastie: Wir richten den gebrochenen Wirbelkörper auf, indem wir Knochenzement in den Wirbelkörper einbringen“, so Professor Richter. Vorteile des minimalinvasiven Verfahrens: Der Zement stabilisiert den Wirbel dauerhaft, die Betroffenen verspüren eine schnelle und deutliche Schmerzlinderung und sind schnell wieder mobil. Beckenringfrakturen Brüche des Beckenrings kommen bei jungen Menschen nur in Folge sehr starker Krafteinwirkung vor – zum Beispiel bei einem schweren Autounfall. Bei älteren Menschen mit „porösen“ Knochen reicht mitunter ein Sturz aus dem Stand. „Beckenringfrakturen wurden bei älteren Menschen lange Zeit nur konservativ, also ohne OP, therapiert. Betroffene mussten über mehrere Wochen im Bett bleiben. Mittlerweile gibt es da sehr schonende OP-Methoden. Zum Beispiel können wir den Beckenring mit Schrauben fixieren“, klärt Professor Richter auf. Im Rahmen seiner langjährigen Tätigkeit an der Klinik für Unfallchirurgie der Universitätsklinik Ulm hat er viele solcher Eingriffe durchgeführt. „Ich möchte auch in Esslingen einen Schwerpunkt auf die operative Versorgung von Beckenringfrakturen legen. Die Patientinnen und Patienten haben dank der OP deutlich weniger Schmerzen und sind vor allem viel früher wieder mobil.“ Erfolgsfaktor: Schnelle Mobilisierung „Egal ob Becken-, Oberschenkel- oder Wirbelfraktur: Wir schauen uns jede Patientin und jeden Patienten genau an und stellen das Behandlungskonzept auf, das individuell am besten passt. Das Ziel dabei ist, den Mobilitätsgrad wiederherzustellen, den die Betroffenen vor dem Unfall hatten – und das möglichst schnell“, so Professor Richter. Warum der Faktor Zeit für betagte Menschen so wichtig ist? Wer für längere Zeit bettlägerig ist, baut Umfassendes Leistungsspektrum: Die Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie › Endoprothetik › Wirbelsäulentherapie › Sportorthopädie › Frakturen der Extremitäten, Becken und Wirbelsäule › Polytrauma (Mehrfachverletzte) – Zertifizierung als Regionales Traumazentrum im TraumaNetzwerk DGU › Gelenkerhaltende Verfahren bei Knorpelschäden › Handchirurgie › Arthroskopien und arthroskopische Verfahren
2 | 2023 Esslinger Gesundheitsmagazin 9 Muskeln und Knochen ab. Man wird wackelig auf den Beinen und schränkt, aus Unsicherheit, die Bewegung auf ein Mindestmaß ein. Gangunsicherheiten verfestigen sich, es droht ein Verlust an Alltagskompetenz und Selbstständigkeit. Um solche gesundheitlichen Kettenreaktionen zu vermeiden, setzt man am Klinikum Esslingen an zwei Stellschrauben an: Unfallchirurg Professor Richter und sein Team wenden möglichst schonende OP-Verfahren an, bei denen der „reparierte“ Knochen bald nach der OP wieder voll belastbar ist. Zusätzlich bekommen die Patientinnen und Patienten therapeutische Unterstützung: „Je früher wir mobilisieren und mit rehabilitativen Maßnahmen wie Ergotherapie, Physiotherapie oder aktivierender Pflege beginnen, desto besser“, so Altersmedizinerin Dr. Wortha-Weiß. Geriatrisches Frührehabilitatives Komplexprogramm Am Klinikum Esslingen nehmen viele frisch Operierte, die älter als 80 sind, an einem Geriatrischen Frührehabilitativen Komplexprogramm teil. Bei jüngeren Patientinnen und Patienten wird individuell geprüft, ob die Behandlung notwendig ist. Zu Beginn der Therapie trifft sich ein Team von Fachleuten aus Neurologie und Geriatrie, Psychologie, Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie sowie speziell geschulten Pflegekräften und Sozialarbeiterinnen. „Gemeinsam schätzen wir bestehende Gesundheitsprobleme ein und legen individuelle Behandlungsziele und einen Behandlungsplan fest. Während der Behandlungsphase bespricht sich das Team regelmäßig“, so Dr. Wortha-Weiß. Das vierzehntägige Programm umfasst mehr als 20 Therapieeinheiten und beginnt möglichst zeitnah nach der Aufnahme ins Krankenhaus oder nach einer Operation. „Die Therapieeinheiten finden auch am Wochenende statt. Wir wollen die Zeit im Krankenhaus bestmöglich nutzen.“ Geriatrisches Screening schon in der Notaufnahme In der Notaufnahme des Klinikum Esslingen wird bei über 70-Jährigen automatisch ein sogenanntes „Geriatrisches Screening“ durchgeführt. „Wir fragen nach Vorerkrankungen, früheren Klinikaufenthalten und der Anzahl von Medikamenten, die jemand einnimmt. Außerdem klopfen wir ab, ob eine Kognitionsstörung vorliegt und ob jemand im Alltag auf Hilfe angewiesen ist“, berichtet Dr. Wortha-Weiß. So kann man bei der Behandlung von Anfang an die richtigen Weichen stellen. Der neue Chefarzt Seit August 2023 leitet Prof. Dr. Peter H. Richter die Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Klinikum Esslingen. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie verfügt über die Zusatzbezeichnung Spezielle Unfallchirurgie. Eine breite und umfassende unfallchirurgische und orthopädische Expertise mit zusätzlichen Schwerpunkten in der Wirbelsäulen- und Beckenchirurgie sowie in der Alters- und Kindertraumatologie zeichnen ihn aus. Der erfahrene Chirurg hat lange Jahre an der Klinik für Unfallchirurgie der Universitätsklinik Ulm gewirkt, zunächst als klinischer Oberarzt und schließlich von 2020 bis 2022 als stellvertretender leitender Oberarzt. Anfang 2022 wurde er zum außerplanmäßigen Professor an der Universität Ulm ernannt. Zuletzt arbeitete Professor Richter an einem auf Endoprothetik spezialisierten Orthopädie- Zentrum in Augsburg. >>> Dabei reicht es oft nicht nur, den Knochenbruch zu versorgen: „Viele, die mit einer Fraktur zu uns ins Klinikum kommen, haben weitere, altersbedingte Probleme im Gepäck, wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Demenz. Auch das müssen wir bei der Planung der OP und der Nachversorgung im Blick haben“, so Professor Richter. Ernährung im Blick Ebenfalls im Blick hat man in Esslingen die Ernährungssituation älterer Patientinnen und Patienten. „Eine Mangelernährung hat einen negativen Einfluss auf den Heilungsprozess nach einer OP. Die Betroffenen sind anfälliger für Infektionen und die Wundheilung funktioniert schlechter“, so Professor Richter. „Alte Menschen sind besonders oft von Mangelernährung betroffen. Im Alter lässt das Durst- und Hungergefühl nach.
10 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2023 >>> Kontakt Klinikum Esslingen Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Prof. Dr. Peter H. Richter Telefon 0711 3103-2651 unfallchir@klinikum-esslingen.de Klinik für Neurologie und klinische Neurophysiologie Dr. Ulrike Wortha-Weiß Leiterin des Geriatrischen Schwerpunkts Telefon 0711 3103-82570 u.wortha-weiss@klinikum-esslingen.de tifizieren wir mangelernährte Patientinnen und Patienten direkt nach der Aufnahme. Eine Ernährungsberaterin unterstützt die Betroffenen individuell.“ Rechtzeitig vorbeugen: Postoperatives Delir Ein Delir ist ein Verwirrtheitszustand, der nach einem operativen Eingriff auftreten kann. Ältere Menschen sind davon häufiger betroffen als jüngere. Liegen bereits kognitive Einschränkungen vor, steigt der Risikofaktor. Auch Infekte, Dehydrierung, Schlafprobleme, Schmerzen oder bestimmte Medikamente haben einen negativen Einfluss. Normalerweise ist ein Delir ein vorübergehender Zustand, doch können insbesondere bei älteren Menschen Komplikationen oder bleibende Einschränkungen eintreten. „Es ist wichtig, dass wir bereits vor der Operation gegensteuern, um das Risiko für ein Delir zu senken – zum Beispiel indem bestimmte Medikamente abgesetzt werden. Auch zu wenig Nahrung und Flüssigkeit können ein Delir begünstigen. Wir achten bei Risikokandidaten daher darauf, die Zeit, in der sie nüchtern sind, möglichst kurz zu halten“, so Dr. Wortha Weiß. Nach der Operation helfen schnelle Reorientierungsmaßnahmen: Die Brille und das Hörgerät direkt nach dem Aufwachen bereitzuhalten oder einen Kalender und eine Uhr im Zimmer können hilfreich sein. Geriatrische Station: Intensive Betreuung nach der OP Nach einer OP benötigen alte Patientinnen und Patienten oft eine besonders intensive Betreuung. Am Klinikum Esslingen gibt es daher eine Geriatrie Station mit 20 Betten. Hier ist alles auf die Bedürfnisse von alten Menschen ausgerichtet. „Unsere Pflegefachkräfte haben spezielle Weiterbildungen oder Schulungen absolviert wie zum Beispiel den ‚Geriatrie-Führerschein‘“, berichtet Dr. Wortha-Weiß. Vor kurzem ist die Station umgezogen in den Neubau „Haus 0“. Die Patientinnen und Patienten sind in Zweibettzimmern mit eigener Nasszelle untergebracht. Es gibt einen großzügigen Gemeinschaftsraum für Gruppenaktivitäten im Bereich der Physio- und Ergotherapie, gemeinsame Mahlzeiten und soziales Miteinander. „Alles ist nah beieinander. So lässt sich eine gezielte Betreuung optimal organisieren“, freut sich Dr. Wortha-Weiß. Der Förderverein proklinikum spendete für die Geriatrische Station und unterstützte so die Anschaffung von MultimediaZubehör, das speziell für die Altenpflege entwickeltet wurde. Der Sozialdienst kümmert sich um das Entlassmanagement Wie geht es nach dem Krankenhausaufenthalt weiter? Kann der Patient sich zuhause weiterhin selbstständig versorgen, gibt es Angehörige, die sich kümmern oder muss eine Unterbringung im Heim organisiert werden? Viele Fragen. Der Sozialdienst hilft, Antworten zu finden. Das achtköpfige Team rund um Altersmedizinerin Dr. Wortha-Weiß leistet Hilfe zur Selbsthilfe für Angehörige, Patientinnen und Patienten. „Ich ermutige vor allem die Angehörigen: Sprechen Sie frühzeitig mit uns. Wir können nicht alles abnehmen, aber wir unterstützen da, wo Hilfe benötigt wird: Bei der Suche nach einem RehaPlatz, der Organisation von Hilfsmitteln oder der Beantragung eines Pflegegrads. Wir haben im Team eine Sozialarbeiterin, die sich speziell um Patientinnen und Patienten der Unfallchirurgie kümmert. Sie sucht die Betroffenen am Krankenbett auf und macht Gesprächsangebote.“ Gemeinsam wird dann nach Lösungen gesucht. Zum Beispiel, wenn jemand über den Krankenhausaufenthalt oder die Reha hinaus eine Zeit lang Unterstützung benötigt. „Einen Kurzzeitpflegeplatz zu finden, ist manchmal eine ganz schöne Herausforderung. Zum Glück hat das Klinikum Esslingen eine Kooperation mit den Städtischen Pflegeheimen Esslingen: Wir können Patientinnen und Patienten in die Kurzzeitpflegeeinrichtung im Haus am Obertor vermitteln.“ Jedoch ist auch dieses Angebot limitiert. Manche leiden an Schluckbeschwerden. Anderen fällt das Einkaufen und Kochen schwer oder sie essen ungern alleine“, so Dr. Wortha-Weiß. Am Klinikum Esslingen hat sich eine Projektgruppe gebildet, die das Ernährungsmanagement für Risikopatientinnen und -patienten optimieren will. „Wir arbeiten auf drei Pilotstationen. Mithilfe eines Fragebogens iden-
2 | 2023 Esslinger Gesundheitsmagazin 11 Patienten mit Demenz benötigen besondere Zuwendung Ein Knochenbruch, der operiert werden muss, ist für jeden eine belastende Erfahrung. Für ältere Menschen mit Demenz bedeuten die fremden Personen und Abläufe besonders viel Stress. Am Klinikum Esslingen kümmern sich zwei speziell ausgebildete Betreuungskräfte um Patientinnen und Patienten mit Demenz und kognitiven Einschränkungen. „Wir wollen Ängste und Stress reduzieren und die kognitiven und körperlichen Fähigkeiten erhalten und fördern“, so Dr. Wortha-Weiß. Die Betreuungskräfte sind feste Bezugspersonen im Krankenhausalltag, begleiten zu Untersuchungen, leisten Gesellschaft beim Essen, lesen, oder singen mit den Patientinnen und Patienten – ganz individuell, je nachdem, was der Einzelne benötigt. Alterstraumatologie braucht Expertise aus verschiedenen Bereichen Individualität: Das ist es auch, was für Professor Richter eine gute Betreuung alter Patientinnen und Patienten ausmacht: „Jeder ist anders“, betont der Unfallchirurg: „Was zählt ist nicht das numerische, sondern das biologische Alter. Auch wenn es in Notfallsituationen wie einem Oberschenkelhalsbruch schnell gehen muss: Wir schauen uns jede Patientin und jeden Patienten genau an und stellen das Behandlungskonzept auf, das individuell am besten passt. Das Ziel dabei ist, den Mobilitätsgrad wiederherzustellen, den die Betroffenen vor dem Unfall hatten.“ Dabei ist Teamarbeit gefragt. Professor Richter: „Ob die OP erfolgreich ist, hängt nicht nur von uns Chirurginnen und Chirurgen ab, sondern auch von der geriatrischen Versorgung rund um den Eingriff. Am Klinikum Esslingen haben wir hierfür die entsprechenden Strukturen.“ lj Arzt-Interview: Dr. Jan-Marcel Hanssen, Facharzt in einer Esslinger Gemeinschaftspraxis Typische Altersfrakturen: Wirbelsäulenkörper und Handgelenk Herr Dr. Hanssen, bei älteren Menschen können bereits leichte Stürze zu einem Knochenbruch führen. An wen wendet man sich in einer Unfallsituation zuerst? Wenn der Gestürzte vor Schmerzen bewegungsunfähig ist, sollte man die 112 rufen und ins Krankenhaus. Wer zum Beispiel nach einem Sturz auf das Handgelenk unsicher ist, ob überhaupt etwas gebrochen ist, kann sich auch an eine ambulante unfallchirurgische Praxis wie die unsere wenden. Wir übernehmen die Diagnostik und leiten die nächsten Schritte ein. Muss ein Handgelenksbruch grundsätzlich operiert werden? Das kommt auf den Bruch an. Eine der häufigsten Frakturen ist der handgelenksnahe Speichenbruch. Ein verschobener Bruch sollte operiert werden, damit die Knochen richtig zusammenwachsen. Bei einem nicht verschobenen Bruch legen wir meist einen Gips an, nach circa sechs Wochen Ruhe heilt der Knochen. Im Anschluss kann eine Physiotherapie sinnvoll sein. Welche altersbedingten Frakturen behandeln Sie noch besonders häufig in Ihrer Praxis? Bei älteren Menschen mit Osteoporose treten häufig auch Wirbelkörperbrüche auf, typischerweise an Brust- oder Lendenwirbeln. Der Bruch kann bei Osteoporose-Patienten spontan, also ohne Sturz, eintreten. Einige Betroffene bemerken die Verletzung nicht gleich und kommen erst in die Praxis, nachdem die Schmerzen sich über Wochen gesteigert haben. Wir erkennen per Röntgen und eventuell auch Schnittbilddiagnostik, Computer- oder Kernspintomographie, ob eine Fraktur hinter den Beschwerden steckt. Wie behandeln Sie in diesem Fall? Auch hier kommt es auf die Art des Bruchs an. Manchen empfehlen wir die Operation, zum Beispiel mit einem Schraubenstabsystem, anderen mit einer Kyphoplastie. Dabei wird der Wirbelkörper mit Zement aufgefüllt. Es braucht aber nicht immer eine OP. Einfachere Frakturen behandeln wir konservativ, zum Beispiel mittels Schmerzmittel und Korsettversorgung unter engmaschigen Röntgenkontrollen. Das Gespräch führte Lena Jauernig Dr. Jan-Marcel Hanssen Kontakt Praxis team CO4 Dr. Jan-Marcel Hanssen Plochinger Straße 115 GesundheitsZentrum Lammgarten 73730 Esslingen am Neckar Telefon 0711 313732
12 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2023 Diagnose Oberschenkelhalsbruch: Es muss schnellstens operiert werden. Gerade ältere Patienten quält dann neben dem Schmerz auch die Angst vor der Narkose. Dabei sind heutige Anästhesieverfahren extrem sicher, berichtet PD Dr. Dr. Alexander Koch, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin am Klinikum Esslingen. Keine Angst vor der Narkose!
2 | 2023 Esslinger Gesundheitsmagazin 13 Dass wir Operationen schmerz- und stressfrei durchleben können, ist eigentlich beruhigend. Warum fürchten sich trotzdem so viele vor einer Narkose? „Wer unter Narkose steht, muss Kontrolle abgeben. Bei einer Vollnarkose geht das sogar so weit, dass man nicht mehr selbstständig atmet. Man muss sein Leben in die Hände eines anderen legen.“ PD Dr. Dr. Alexander Koch hat Verständnis für die Ängste der Patientinnen und Patienten. Narkoseärzte sind hochausgebildete Spezialisten Doch der Chefarzt beruhigt: Bei jeder Operation, egal ob geplant oder Not-OP, ist mindesten ein Spezialist ausschließlich dafür da, die Patientinnen und Patienten sicher durch die Narkose zu bringen: „Fachärztinnen und Fachärzte für Anästhesie sind am Klinikum Esslingen rund um die Uhr im Einsatz. Wir sind hochausgebildet und die heutigen Narkoseverfahren sind extrem sicher. Selbst wenn es während einer OP zu Komplikationen kommt, sind wir gut vorbereitet, da wir Notfallszenarien regelmäßig proben.“ Steht eine Operation an, macht die Anästhesistin oder der Anästhesist sich bereits im Vorfeld ein Bild. Auch wenn es schnell gehen muss, schauen die Fachleute genau hin: „Eine ältere Dame, die mit einem Oberschenkelhalsbruch in die Notaufnahme eingeliefert wird, bringt oft weitere, altersbedingte gesundheitliche Probleme mit. Wir passen die Narkose individuell auf die Patientin an und sorgen so für Sicherheit“, so PD Dr. Dr. Koch. Überwachung mithilfe modernster Technik Während der OP überwachen die Anästhesistin oder der Anästhesist laufend die Atmung und Vitalwerte. „Ältere Patienten leiden oft an Erkrankungen des Herzkreislaufsystems. Betroffene überwachen wir besonders engmaschig. Zum Beispiel, indem wir den Blutdruck invasiv, also direkt in der Arterie messen. Über Zugänge in Venen können wir, falls die Werte sich ändern, bei Bedarf sofort Medikamente geben.“ Je mehr Risikofaktoren jemand mitbringt, desto engmaschiger und invasiver gestalten die Fachleute das Monitoring. Dabei helfen hochmoderne Apparaturen und Messtechniken. „Wir bemerken geringste Abweichungen und können sehr schnell gegensteuern. Heute können wir daher auch hochbetagte oder schwerkranke Patienten operieren, die früher ein zu hohes Narkose-Risiko hatten.“ Genau im Blick haben die Anästhesisten auch die Narkosetiefe: Anhand von Narkosemittelkonzentrationen, Herz-Kreislauf- und Beatmungsparametern und weiteren Variablen messen und steuern sie fortlaufend den Bewusstseinszustand. „Die Sorge, mitten in der OP aufzuwachen, ist unbegründet“, versichert PD Dr. Dr. Koch. Delirprävention im Blick Eine weitere Sorge, die insbesondere ältere Menschen umtreibt: Funktioniert nach der Vollnarkose mein Gehirn noch richtig? „Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, nach einer Operation ein Delir zu durchleben“, so PD Dr. Dr. Koch. Die Betroffenen sind verwirrt, orientierungslos. Meist ist dieser Zustand vorübergehend. Bei älteren Patientinnen und Patienten besteht jedoch die Gefahr, dass das Delir eine dementielle Erkrankung auslöst oder verstärkt. Dass die NarkosePrivatdozent Dr. med. Dr. med. habil. Alexander Koch „ Die Sorge, mitten in der OP aufzuwachen, ist unbegründet.” Kontakt Klinikum Esslingen Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Priv.-Doz. Dr. med. Dr. med. habil. Alexander Koch Chefarzt Telefon 0711 3103-3001 anaesthesie@klinikum-esslingen.de medikamente vordergründig verantwortlich für das postoperative Delir seien, sei aber ein Irrtum, so PD Dr. Dr. Koch. Auch sei das Delir-Risiko bei einer Vollnarkose nicht höher als bei einer Lokalanästhesie: „Entscheidend ist die Größe des Eingriffs: Eine Operation am offenen Herzen bedeutet ein wesentlich höheres Delir-Risiko als ein gebrochenes Schlüsselbein.“ „Heute weiß man auch: Alles, was ungewohnt ist oder Stress auslöst, fördert ein Delir. Wir erklären deswegen im Vorfeld alles genau und versuchen, im Gespräch Ängste aufzufangen.“ Für diejenigen, die nach der OP auf der Intensivstation überwacht werden müssen, versuche man „schützende Inseln“ zu schaffen, zum Beispiel durch Einzelzimmerunterbringung, Einhalten des Tag-Nacht-Rhythmus, sanfte Beleuchtung und beruhigende Farbkonzepte. „Wichtig für die Delirprävention ist auch, dass die Patientinnen und Patienten nicht länger als nötig an Schläuche und piepende Apparate angeschlossen sind.“ lj
14 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2023 Frau Hardinghaus, ab wann ist man zu alt, um Muskeln aufzubauen? Nie! Von meinen Patientinnen und Patienten höre ich ganz oft: „Krafttraining? Für den Quatsch bin ich zu alt.“ Doch der Mythos, dass ältere Menschen keine Muskeln mehr aufbauen, ist falsch. Wissenschaftliche Studien belegen das. Warum hilft regelmäßiges Krafttraining, Knochenbrüchen vorzubeugen? Mit den richtigen Übungen können Seniorinnen und Senioren ihre Knochendichte erhöhen. Besonders effektiv ist da das Training am Gerät, der Druck durch die Gewichte stimuliert den Knochenaufbau. Außerdem schützen starke Muskeln unsere Knochen und Gelenke. Beim Training sollte man insbesondere die tiefen Muskeln direkt an den Gelenken kräftigen. Sie sorgen für Stabilität und federn Stürze ab. Zusätzlich empfehle ich Maßnahmen, die das Sturzrisiko senken – ein Gleichgewichtstraining oder einen Sturzprophylaxe-Kurs. Dort trainieren wir auch, wie man sich im Falle eines Sturzes richtig abfängt. Welche Fehler gilt es beim Training zu vermeiden? Wichtig ist, das Training an die persönliche Situation anzupassen und die Übungen richtig auszuführen. In der ambulanten Praxis für Physiotherapie am Klinikum Esslingen bieten wir Prävention, Therapie und Rehabilitation an. Bei neuen Patientinnen und Patienten führen wir zu Beginn eine große Befundaufnahme durch, wir fragen zum Beispiel nach Herzproblemen, neurologischen Problemen oder Frakturen. Dann erstellen wir einen maßgeschneiderten Trainingsplan. Beim Training betreuen wir die Patienten im Eins-zu-eins-Kontakt, leiten an und korrigieren Fehler. Ich mache dabei gerne Fotos oder Videos und gebe sie als Anleitung für zuhause mit. Wie helfen Sie – zum Beispiel nach einem Oberschenkelhalsbruch – die alte Mobilität zurück zu erlangen? Im Krankenhaus beginnen wir direkt nach der OP mit der Mobilisierung. Anfangs liegt die Patientin oder der Patient noch im Bett und wir bewegen das Bein manuell durch. Ein Ziel dabei ist, die Faszienverklebung rund um die Narbe zu lockern, so dass die Betroffenen das Bein später wieder komplett strecken und beugen können. Der nächste Schritt: leichte Eigenübungen, die wir langsam steigern. Sobald die Ärztin oder der Arzt das Ok für eine Vollbelastung gibt, starten wir mit einem Mix aus Krafttraining und Eigenübungen, um die Knochendichte wieder aufzubauen. Wichtig ist, dass die Betroffenen dranbleiben und zuhause weiter trainieren. Welche Trainings-Dosis ist da die richtige? Zwei- bis dreimal die Woche 20 bis 30 Minuten Training reicht unter Umständen schon aus. Vielen älteren Menschen, die noch nie Sport getrieben haben, fällt es schwer, sich dazu zu motivieren. Ich rate: Bauen Sie die Einheiten in den Alltag ein. Üben Sie beim Zähneputzen den Einbeinstand. Nutzen Sie Werbepausen im Fernsehen für ein kurzes Training. Gut für die Motivation sind Gruppenangebote, zum Beispiel Rehasportkurse – die bereichern nebenbei auch das Sozialleben. Reha- Sportkurse werden teils von der Krankenkasse finanziert. Das Gespräch führte Lena Jauernig Starke Muskeln schützen die Knochen Kontakt Klinikum Esslingen Therapieabteilung Friederike Hardinghaus Abteilungsleitung Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie Telefon 0711 3103-2485 f.hardinghaus@klinikum-esslingen.de Im Alter nimmt die Festigkeit der Knochen ab, sie brechen leichter. Umso wichtiger ist regelmäßiges Krafttraining, sagt Friederike Hardinghaus, Leiterin der Therapieabteilung am Klinikum Esslingen.
2 | 2023 Esslinger Gesundheitsmagazin 15 Einweihung im Juni 2023 Dank moderner Modulbauweise wurde Haus 0 besonders zügig fertig gestellt. Während eine Spezialfirma die 140 Teile des Gebäudes in Leipzig vorfertigte, schufen die Arbeiter auf der Baustelle in Esslingen die Voraussetzungen für die Endmontage. Im Juni 2023, nur ein Jahr nach dem Spatenstich, feierte das Klinikum Esslingen Einweihung im neuen Gebäude. Beim Tag der offenen Tür am 17. Juni machten sich zahlreiche Esslingerinnen und Esslinger ein Bild von Haus 0. Die freundlichen Räumlichkeiten sowie die angebotenen Mitmach-Aktionen, Gesundheits-Checks und Vorträge stießen auf viel positive Resonanz. Der Umzug läuft Auch die Mitarbeitenden freuen sich auf ihren neuen, top ausgestatteten Arbeitsplatz. Die ersten Stationen sind bereits eingezogen, alle weiteren folgen im Laufe dieses Jahres. Im obersten Stock befindet sich das neue Zuhause der Geriatrie. Das Herzstück der Station ist ein großzügiger Gemeinschaftsraum, der Gruppenaktivitäten im Bereich der Physio- und Ergotherapie, gemeinsame Mahlzeiten und soziales Miteinander ermöglicht. Auf den beiden mittleren Etagen befinden sich modern ausgestattete Normalstationen. Das Erdgeschoß beherbergt die Klinik für Neurologie mit der Schlaganfalleinheit und Intensivstation. Dank der neuen Gebäudeinfrastruktur können hier besonders fortschrittliche technische Lösungen in der Schlaganfallbehandlung umgesetzt werden. Haus 0 punktet auch mit Patientenkomfort: Die Unterbringung erfolgt in Zweibettzimmern mit eigenem Sanitärbereich. Es gibt behindertengerechte Zimmer sowie Isolierzimmer, die mit einer Schleuse ausgestattet sind. Vorreiter beim Klimaschutz Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle: Als „Effizienzgebäude 55“ erfüllt Haus 0 einen hohen Energieeffizienz-Standard und spart über 18 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr ein. Das Dach ist großflächig mit PhotovoltaikElementen bestückt, die Anlage deckt den kompletten Strombedarf des Gebäudes ab. lj Meilenstein am Bau: Haus 0 wird eingeweiht Es ist das größte Bauvorhaben seit dem 160-jährigen Bestehen des Krankenhauses: Für rund 270 Millionen Euro Gesamtvolumen entstehen am Klinikum Esslingen drei Neubauten mit rund 19.000 Quadratmetern Nutzfläche, zudem werden verbleibende Bestandsgebäude saniert. Während der 15 Jahre Bauzeit bleibt das Krankenhaus vollumfänglich für Patientinnen und Patienten geöffnet. Dafür, dass das funktioniert, sorgt Haus 0: Der 4.600 Quadratmeter große Neubau bietet die nötigen Ausweichflächen. Auf vier Stockwerken ist Platz für 152 Betten. Mit der Fertigstellung von Haus 0 ist der erste große Meilenstein des Megaprojekts Klinikneubau erreicht. (1) Eröffnungsfeier in Haus 0 mit Klinikleitung und Oberbürgermeister Matthias Klopfer. (2) Zum Einzug der ersten Stationen verteilte Geschäftsführer Matthias Ziegler Geschenke. (3) Am Tag der offenen Tür nutzten viele Bürgerinnen und Bürger die Gelegenheit, Haus 0 kennenzulernen. (4) Dank Modulbauweise war das neue Gebäude in Rekordzeit fertig. (5) Photovoltaik-Elemente sorgen für Einsparungen von CO2-Emissionen. 1 2 4 3 5
16 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2023 Dazu, wie eine gesunde Ernährung genau auszusehen hat, gibt es viele Ideen. Manche davon kann man getrost in die Schublade der „Ernährungsmythen“ stecken. Eine sehr verbreitete These ist beispielsweise die, dass man mehr Proteine zu sich nehmen müsse, um Muskeln aufzubauen. „Nationale Verzehrsstudien zeigen, dass wir im Durchschnitt mit unserer Proteinzufuhr deutlich über unserem Bedarf liegen“, sagt Diane Laezza, Diätberaterin am Klinikum Esslingen. „Nur wer mehr als fünf Stunden pro Woche trainiert, hat einen höheren Proteinbedarf als das durchschnittliche eine Gramm pro Kilogramm Körpergewicht.“ Wer eine Diät mache, könne den Eiweißanteil seiner Mahlzeiten etwas erhöhen, da man bei einer Diät nicht nur Fett, sondern auch Muskeln verliere. „Dazu macht Eiweiß satt“, erklärt Laezza, die einen Bachelor of Science Abschluss in Ernährungsmanagement und Diätetik hat. „Wichtig ist, dass man regelmäßig über den Tag verteilt eine gesunde Proteinzufuhr aus verschiedenen Eiweißquellen zu sich nimmt, um dem Körper alle essentiellen Aminosäuren zuführen zu können.“ Macht Abendessen dick? Diane Laezza berät am Klinikum Esslingen Patientinnen, Patienten und Angehörige zu Ernährungsfragen. Nicht selten trifft sie dabei auf Ernährungsmythen, die sich zu Unrecht in den Köpfen eingenistet haben. „Ich hatte beispielsweise einen Patienten – der übrigens alles andere als dick war – der mir sagte, er esse abends nichts, weil das ja nun dick mache“, erinnert sich Laezza. Wann eine Mahlzeit eingenommen wird, sei allerdings nicht entscheidend: „Das, was man zu sich nimmt, muss mit dem in der Waage sein, was man verbraucht – darauf kommt es an.“ Dr. Sonia Schrödel, Fachärztin für Allgemeinmedizin in Esslingen, kann das nur bestätigen: „Die Kalorienanzahl ist ausschlaggebend für eine Gewichtszunahme oder -abnahme, nicht die Uhrzeit. Jeder Mensch hat andere Gewohnheiten und Tagesabläufe und die Ernährung kann individuell daraufhin abgestimmt werden.“ Bei Menschen, deren Schlafrhythmus der Durchschnittsbevölkerung entspricht, gehe der Körper gegen 20 Uhr in den Schlafmodus über und die Insulinreaktion des Körpers nehme ab, Zucker könne nicht mehr so gut abgebaut werden, so Laezza. Was bringt Intervallfasten? Generell sei das Auslassen einer Mahlzeit Typsache. Berufstätige profitieren oft vom Intervallfasten, so Dr. Schrödel: „Hierbei wird die erste Mahlzeit oft erst um die Mittagszeit zu sich genommen, die letzte Mahlzeit dann je nach Fasten-Modell Ernährungsmythen aufgedeckt „An apple a day keeps the doctor away”, sagt ein bekanntes Sprichwort. Zu einer gesunden Ernährung gehört allerdings mehr als nur ein Apfel täglich. Eine Ernährungsexpertin des Klinikum Esslingen und eine niedergelassene Ärztin klären auf.
2 | 2023 Esslinger Gesundheitsmagazin 17 gegen 18-20 Uhr. Das positive Feedback unserer Patientinnen und Patienten spiegelt sich in der messbaren Gewichtsabnahme. Zudem ist dieses Modell einfach in der Ausführung, bedarf keiner großartigen Vorbereitung und setzt die Patientinnen und Patienten nicht unter Druck, drei Hauptmahlzeiten und Snacks zwischendurch zu verzehren.“ Es gebe allerdings auch genauso Menschen, die nach dem Auslassen einer Mahlzeit, mit Heißhunger zu kämpfen haben, berichtet Laezza. Dr. Schrödel ergänzt: „Keine Empfehlung ist auf jeden Menschen übertragbar – was mir guttut, muss für meinen Freund oder meine Freundin nicht auch die beste Variante sein.“ Grundsätzlich gelte: Kalorienaufnahme sollte mit dem Kalorienverbrauch übereinstimmen. Wie viele Kalorien tatsächlich verbraucht werden, das sei bei jedem Menschen unterschiedlich. „Zuerst muss ich mir bewusst machen, welche Tätigkeiten ich über den Tag hinweg ausführe – sitzend, stehend, körperlich anstrengend, oder weniger anstrengend – auch die psychische Anstrengung spielt eine Rolle“, erklärt Dr. Schrödel. Faktoren, die den Stoffwechsel darüberhinausgehend beeinflussen sind beispielsweise das Alter oder Krankheiten wie Diabetes oder Schilddrüsenerkrankungen, so die Ernährungsexpertin. Ist Fruchtzucker gesünder als Haushaltszucker? Ein beliebter Ernährungsmythos sei außerdem „Fruchtzucker ist gesünder als Haushaltszucker“, so Laezza. „Das ist nicht so. Zu viel Fruchtzucker schädigt die Leber und führt zur Fettleber.“ Dr. Schrödel ergänzt: „Wie bei allem gilt auch hier: in Maßen ok, im Überfluss schädlich.“ Gerade Agavendicksaft und Honig enthalten viel Fruchtzucker, so Laezza. „Außerdem ist in industriell verarbeiteten Lebensmitteln viel Fruchtzucker enthalten: Maissirup, Fruchtzuckersirup, Fructose, … Versteckte Zucker können schnell zum Problem werden.“ Dr. Schrödel rät, die Gewohnheit, etwas Süßes zu essen, gar nicht erst zu fördern: „Überwindet man den Drang nach Süßem für einige Tage, legen sich mögliche Entzugserscheinungen wie Kopfschmerzen und Unwohlsein von selbst – und der Zuckerverzicht oder die geringere Zufuhr wird vom Körper akzeptiert.“ Machen Kohlenhydrate dick? Schließlich die These „Kohlenhydrate und Fette machen dick“. Auch hier gelte: Es zählt die Energiebilanz. Wenn mehr Kalorien verbraucht werden als aufgenommen, dann mache selbst dreimal täglich Schokolade nicht dick. Allerdings sei das nicht wirklich realistisch, so Laezza, „Wenn ich nur Schokolade esse, dann spielt mein Blutzucker verrückt, ich habe Hunger und komme schlecht durch den Tag.“ Vor allem aber sei eine derart unausgewogene Ernährung gefährlich. Denn auch bei einer ausreichenden Kalorienzufuhr, komme der Körper in einen Mangelzustand, wenn ihm Vitamine, Mineralien, Ballaststoffe und andere Nährstoffe fehlen. Daher könne es sein, dass auch Menschen, die viel essen, mangelernährt sind – nämlich dann, wenn sie zu wenige nährstoffreiche Lebensmittel auf dem Speiseplan haben. Nährstoffe beeinflussen Heilungsprozesse Nährstoffmangel ist ganz unabhängig vom Gewicht ein gesundheitlicher Nachteil, denn die Nährstoffversorgung hat direkten Einfluss auf Heilungsprozesse im Körper. „Wer sich gut ernährt, hat bessere Grundvoraussetzungen bei einer Therapie“, erklärt Laezza. Mangelernährte können beispielsweise eine Chemotherapie nicht antreten, Krankenhausaufenthalte dauern im Durchschnitt länger und Komplikationen sind wahrscheinlicher. Im Rahmen des ernährungsmedizinischen Konsils am Klinikum Esslingen ist Laezza für die Diätberatung mangelernährter Patientinnen und Patienten zuständig. Das Ernährungsteam bestehend aus Diane Laezza und Ernährungsmedizinern aus unterschiedlichen Fachrichtungen der Klinik treffen sich wöchentlich, um ein optimales Ernährungsmanagement am Klinikum zu gewährleisten. Eine Mangelernährung wirke sich oft direkt auf die Lebensqualität aus: „Wenn ich in einen Zustand komme, in dem etwas nicht mehr richtig abheilt, dann kann ich mich schlechter bewegen, Muskeln schwinden und im schlimmsten Fall ist meine Beweglichkeit extrem >>> Gesund ernähren heißt, sich ausgewogen ernähren. Dr. Sonia Schrödel Diane Laezza „ Die Kalorienanzahl ist ausschlaggebend für eine Gewichtszunahme oder -abnahme, nicht die Uhrzeit.”
18 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2023 Kontakt Klinikum Esslingen Diane Laezza Diätassistentin Telefon 0711 3103-86695 ernaehrungsteam@klinikum-esslingen.de Dr. Sonia Schrödel Fachärztin für Allgemeinmedizin Plochingerstr. 115 73730 Esslingen >>> eingeschränkt“, erklärt Laezza. Dr. Schroedel fügt hinzu: „Bei extremer Mangelernährung können die Körperfunktionen durch Organschäden zum Erliegen kommen. Einige Mängel können auf längere Sicht sogar zum Tode führen.“ Was können Ersatzprodukte? Auch die Vitamintablette sei kein adäquater Ersatz für eine vielseitige, gesunde Ernährung. „Synthetische Vitamine sind nie so gut wie die, die wir über regionales und saisonales Obst und Gemüse bekommen“, sagt Laezza. „Ich habe noch keinen Baum gesehen, aus dem Supplements wachsen“, ergänzt Dr. Schroedel mit einem Augenzwinkern. „Natürlich sind hier Patientinnen und Patienten ausgenommen, die beispielsweise durch gesundheitliche Einschränkungen des Magen-DarmTraktes nicht ausreichend Nährstoffe aufnehmen können. Diese Gruppe muss supplementieren.“ Wie sieht gesunde Ernährung also aus? „Wer sich gesund ernähren möchte, isst Gemüse, Vollkornprodukte und gesunde Fette – und das im Gleichklang mit dem Energieverbrauch“, sagt Laezza. Ideal sei saisonale und regionale Küche. „Wenn ich lange Transportwege habe und nicht genau weiß, wie das Lebensmittel in den fernen Ländern angebaut wird, dann wäre ich sehr vorsichtig. Gentechnik spielt ebenso eine Rolle“, erklärt Laezza. Wer eine möglichst unverarbeitete, vielfältige Lebensmittelauswahl aus der Region einkauft, liege richtig. „Immer mehr Menschen legen sich Hochbeete an und versuchen Gemüse selbst anzubauen, um den eigenen Verbrauch dadurch zu decken. Diesen Ansatz finde ich grandios“, sagt Dr. Schrödel. Wer wenig Zeit in der Küche verbringen möchte, dem empfiehlt Dr. Schrödel, auf einfache Rezepte zurückzugreifen, die wenig Zeit und Zutaten benötigen. Außerdem können Küchenmaschinen das Kochen erleichtern. „Fast jeder hat während Covid-19 selbst Brot und Teigwaren gebacken – es geht schon, man muss nur wollen.“ nw Ernährungsmanagement am Klinikum Esslingen Mangelernährte Menschen entwickeln im Laufe eines Krankenhausaufenthaltes fast dreimal so häufig Komplikationen wie gut ernährte Patienten. Sie sind besonders anfällig für Lungenentzündungen oder bakterielle Darminfektionen. Auch die Wundheilung kann gestört sein. Chemotherapien werden schlechter vertragen und können eventuell nicht in optimaler Dosis verabreicht werden. Betroffen von Mangelernährung sind insbesondere alte Menschen, Krebskranke und Übergewichtige. Am Klinikum Esslingen hat sich eine engagierte Projektgruppe gebildet, die das Ernährungsmanagement für Risikopatienten optimieren möchte. „Wir wollen für das Thema sensibilisieren, Prävention betreiben, Kräfte und Ideen bündeln und Strukturen schaffen“, berichtet Diätberaterin Diane Laezza. 2021 startete ein Kooperationsprojekt mit dem Universitätsklinikum Tübingen. Für zwei Pilotstationen entwickelte das Projektteam gemeinsam mit Ärzteschaft und Pflege Strategien, um Risikopatienten früh zu identifizieren und therapeutisch aufzufangen. „Jeder Patient auf den Pilotstationen durchläuft bei der Aufnahme den Nutritional Risk Screening“, erzählt Diane Laezza. „Wir ermitteln, ob jemand mangelernährt ist oder ob ein erhöhtes Risiko für eine Mangelernährung vorliegt. Betroffene Patienten besuche ich für eine ausführlichere Anamnese und schaue, wie wir individuell am besten unterstützen können.“ Der Förderverein proklinikum spendete Ausrüstung für das Ernährungsmanagement. Selbst anbauen, bewusst essen: Hochbeete liegen im Trend
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