Ausgabe 2 >2025

ESSLINGER GESUNDHEITSMAGAZIN 2 > 2025 Klinikum Esslingen in Kooperation mit der Kreisärzteschaft Esslingen Wieder vital Individuelle Gefäßchirurgie für Ihre Gesundheit Losgelassen Entspannt bei der Geburt Losgelegt Neuer Chefarzt in der Notfallmedizin Losgelöst Verschluss bei Schlaganfall entfernt

04 Meldungen 10 Patientengeschichte Maßgeschneiderte Prothese für die Aorta 12 Stenteinlage vor OP Experteninterview 13 Diabetes bei Kindern Podcast Deine GesundZEIT 14 Notfallmedizin Im Notfall gut versorgt 17 Förderverein Herzklopfen 17 Impressum 22 Time is brain – nach einem Schlaganfall zählt jede Minute 26 Elternschule: Was werdende und junge Eltern bewegt 28 Einblick in den Kreißsaal Geborgenheit von Anfang an 33 ES-Kids Zucker – voller Energie 34 Flexibilität im Springerpool Arbeiten im Klinikum Esslingen 37 Förderverein proklinikum 38 Strahlentherapie Neuer Linearbeschleuniger im Einsatz 40 Fit für die Zukunft weitreichende Pläne in den Städtischen Pflegeheimen Esslingen 44 Klinikum Esslingen baut ATZ und Psychosomatik in Haus 5 46 Alarmübung Vorbereitet für den Ernstfall 49 Veranstaltungen 50 Adressen Selbsthilfegruppen, Ambulante Dienste und mehr 22 33 50 Inhalt 18 KJP Esslingen: Ein sicherer Ort für Kinder in seelischen Krisen 30 Patientengeschichte Geburt: „Ich fühlte mich gehört und getragen“ 06 Gefäßchirurgie: OPs am ganzen Körper www.gesundheitsmagazin-esslingen.de

2 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 3 Matthias Ziegler, Geschäftsführer des Klinikum Esslingen Gefäße sind die Lebensadern unseres Körpers – daher widmen wir uns in dieser Ausgabe der Gefäßchirurgie. Individuell gefertigte Aortenprothesen, die auf Basis moderner Bildgebung exakt angepasst und eingesetzt werden, eröffnen neue Wege für eine sichere Behandlung. Die Notfallmedizin hat eine große Relevanz für das Klinikum Esslingen und darüber hinaus. Mit Dr. Johannes Wagner als neuem Chefarzt der Zentralen Notaufnahme wird die Akut- und Notfallmedizin am Klinikum Esslingen noch einmal stärker – ein echter Gewinn, wenn Sekunden zählen. Bei der Schlaganfallversorgung gibt es ebenfalls wichtige Entwicklungen: Die neu gegründete Sektion für Interventionelle Neuroradiologie ermöglicht erstmals die Thrombektomie. Dabei wird ein Katheter über Leiste oder Arm bis ins Gehirn geführt, um das Blutgerinnsel gezielt zu entfernen. So gewinnen wir wertvolle Minuten und verringern schwere Folgen. Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihr Matthias Ziegler Maßgeschneiderte Medizin Vorwort Der Gesundheitsversorgung in Deutschland stehen tiefgreifende Veränderungen bevor. Mit der anstehenden Krankenhausreform werden medizinische Leistungen neu verteilt und verstärkt in größeren Kliniken gebündelt. Gleichzeitig rücken die Krisenvorsorge und die Folgen des Klimawandels zunehmend in den Fokus der Gesundheitseinrichtungen. Unser Klinikum bereitet sich darauf mit regelmäßigen Übungen gemeinsam mit Feuerwehr und Rettungsdiensten vor – sei es für Brände, Evakuierungen oder technische Ausfälle. Gleichzeitig sehen sich die Krankenhäuser einer deutlichen Unterfinanzierung gegenüber. Die Vorbereitung auf künftige Herausforderungen wird zusätzliche Mittel erfordern. In diesen Zeiten ist es wichtig, den eingeschlagenen Kurs zu halten: Wir investieren konsequent in die bauliche und medizinische Weiterentwicklung unseres Klinikums und vertiefen gleichzeitig die bestehenden Kooperationen. Denn nur im Schulterschluss mit Partnern können wir die bevorstehenden Aufgaben erfolgreich bewältigen. Ihr Matthias Klopfer Gut vorbereitet für künftige Herausforderungen Matthias Klopfer, Oberbürgermeister der Stadt Esslingen a. N. Das schildern die Beiträge zur Gefäßchirurgie in dieser Ausgabe eindrücklich. Wir können viel dazu beitragen, Gefäßerkrankungen zu vermeiden – durch einen gesunden Lebensstil, regelmäßige Bewegung und eine ausgewogene Ernährung mit Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, ausreichender Flüssigkeitszufuhr von nicht alkoholischen Getränken und Nikotinverzicht. Übergewicht, Bluthochdruck, Zuckererkrankung und erhöhte Cholesterinwerte gelten als zusätzliche Risikofaktoren. Die Vorbeugung und die rechtzeitige Erkennung von Gefäßerkrankungen ist entscheidend, um Folgeerkrankungen wie Schlaganfall, Herz- und Organinfarkte zu vermeiden. Liebe Leserinnen und Leser des Gesundheitsmagazins, nach über 15 Jahren ziehe ich mich Ende des Jahres aus der aktiven Berufspolitik zurück. Es war mir stets viel Freud und Ehr an diesem hervorragenden Magazin mitzuarbeiten. Ihr Dr. Marc Alexander Meinikheim Gesunde Gefäße sind lebensnotwendig Dr. Marc Alexander Meinikheim, Vorstand der Kreisärzteschaft Esslingen

4 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2025 Meldungen Sie leiden unter einer chronischen Atemwegserkrankung und möchten sich wieder aktiver und mobiler fühlen? Ein Lungensport-Kurs ist eine gute Möglichkeit für Patientinnen und Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen ihre Beweglichkeit und Ausdauer zu verbessern. Ebenfalls im Angebot sind Orthopädiesport-Kurse: gezieltes Muskeltraining für Menschen mit orthopädischen Beschwerden. Anmeldungen und Fragen über den Trainer und Kursleiter Markus Niepel: rehasport-info@gmx.net Telefon: 0151 22061419 Dr. Anja Dietze (4. von links), Familienbeauftragte des Klinikum Esslingen, hat das Zertifikat bei der Verleihung in Berlin von Staatssekretärin Mareike Wulf (ganz rechts) entgegengenommen. Das Klinikum Esslingen hat zum Ausbildungsstart Anfang September seine neuen FSJlerinnen und FSJler im Bereich Pflege, die neue Auszubildende im kaufmännischen Bereich sowie künftige Medizinische Fachangestellte (MFA) begrüßt. Neues FSJ- und Ausbildungsjahr gestartet Orthopädie- und Lungensportkurse am Klinikum Esslingen Kennenlern-Tag für die neuen kaufmännischen Auszubildenden und FSJlerinnen und FSJler. Die Auszubildenden sind in den Bereichen IT, Verwaltung und Logistik im Einsatz. Die FSJlerinnen und FSJler können erste Einblicke im Bereich Pflege sammeln und unterstützen das Team auf den unterschiedlichen Stationen. Auszeichnung als familienbewußtes Unternehmen Das Klinikum Esslingen ist zum sechsten Mal mit dem Zertifikat audit berufundfamilie ausgezeichnet worden. Die Auszeichnung gilt als Qualitätssiegel für eine familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik und hat eine Laufzeit von drei Jahren. „Wir verstehen die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben als dauerhafte Aufgabe, die in jeder Lebensphase individuelle Lösungen braucht“, betont Klinikgeschäftsführer Matthias Ziegler. Die Übergabe erfolgte im Rahmen der 27. Zertifikatsverleihung in Berlin. Bundesfamilienstaatssekretärin Mareike Wulf würdigte dabei die Vorbildfunktion der ausgezeichneten Einrichtungen. Am Klinikum Esslingen gehören unter anderem Kitaplätze, ein Ferienprogramm, ein Babysitterpool, Eltern- und Rentnertreffs sowie vielfältige Arbeitszeitmodelle zum Angebot. Familienbeauftragte Dr. Anja Dietze hob nach dem Treffen hervor, wie bereichernd die deutschlandweite Vernetzung mit anderen Unternehmen in dieser Thematik sei.

2 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 5 Meldungen Die Stadt Esslingen hatte ihre Bewohnerinnen und Bewohner in den Sommerferien zu Führungen auf spannenden Großbaustellen in Esslingen eingeladen: Eine Station war das Klinikum Esslingen. Beim Vor-Ort-Termin mit dem Architekten des Neubauprojektes, Christian Wecker, war das Interesse groß. Die Teilnehmenden konnten sich ein Bild vom aktuellen Stand der Bauarbeiten, dem Ersatzbau und der Ringtrasse (Versorgungstrasse) machen. Im September war die Polizei zu Trainingszwecken am Klinikum Esslingen. Sie nutzten das alte Gebäude 2, das kurz vor dem Abriss steht, unter anderem auch für Übungen der Hundestaffel. Baustellenführung auf dem Gelände des Klinikums Haben Sie Fragen und Anregungen rund um das Esslinger Gesundheitsmagazin? Kontaktieren Sie uns: dialog@klinikum-esslingen.de Ihre Gesundheitsthemen sind gefragt! Christian Wecker, Architekt und Projektleiter des Klinikumbaus hat die Teilnehmenden bei der Baustellenführung über das Klinikareal geführt. Hundestaffel trainiert in altem Klinikbau Das Klinikum Esslingen ist deutschlandweit die dritte Klinik bei der eine Endomitriose Nurse im Einsatz ist. Seit Anfang Oktober verstärkt Ivonne van der Lee als Endometriose Nurse das zertifizierte Endometriose Zentrum an der Frauenklinik des Klinikum Esslingen. Mit ihrer besonderen Fachkompetenz steht sie den Patientinnen als feste Ansprechpartnerin im klinischen Alltag zur Seite. Damit ergänzt sie das bestehende Expertenteam der Frauenklinik in idealer Weise – für eine noch individuellere und umfassendere Betreuung und Begleitung von Patientinnen mit Endometriose. Neue fachliche Unterstützung für Endometriose-Patientinnen Yvonne van der Lee unterstützt als Endometriose Nurse das Team des Endometriose Zentrums.

6 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2025 Im Gefäßzentrum des Klinikums Esslingen werden jährlich etwa 700 Patienten stationär behandelt. Das Team um Chefarzt Professor Dr. Serdar Demirel operiert sowohl mit minimalinvasiven als auch klassischen offenen Methoden Gefäßverschlüsse jeder Art und im gesamten Körper: Das Spektrum reicht von der Schaufensterkrankheit über Bauchaorten-Aneurysmen bis zu Verengungen in der Halsschlagader. Gefäßchirurgie: OPs am ganzen Körper

2 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 7 Prof. Dr. Serdar Demirel Gefäßchirurgie. Dabei führt die Verkalkung zu einer Verstopfung in einem Gefäß des Beins. Als Folge wird das Bein nicht mehr richtig durchblutet und die Betroffenen leiden an starken Schmerzen vor allem beim Gehen. Mit Ultraschalluntersuchungen sowie dem sogenannten Knöchel-Arm-Index, bei dem die Durchblutung der Arme und Beine gemessen wird, wird der Verschluss im Bein festgestellt. Bei einfachen Verschlüssen empfiehlt Professor Demirel zunächst eine Bewegungstherapie: Dreimal pro Woche 30 Minuten Gehtraining. „Und am besten bis oder über die Schmerzgrenze hinaus“, so der Facharzt. Damit könnte manchmal der Blutfluss wieder in Gang kommen. Führt das Training innerhalb von drei bis sechs Monaten nicht zu einer Besserung, kann die Gefäßchirurgie ihren Beitrag zur Beschwerdefreiheit leisten. Dabei stehen dem Chirurgen verschiedene OP-Methoden zur Verfügung. Mit minimalinvasiven Methoden, bei denen zum Bespiel über ein Katheterverfahren ein Ballon in das Gefäß eingeführt wird, kann die Engstelle des Gefäßes behoben werden. Ist die Verstopfung härter und somit sehr kalkreich, gibt es auch die Möglichkeit, die Ablagerung mit einer Fräse zu pulverisieren und gleichzeitig abzusaugen. Je nach Grad des Verschlusses, Alter, Lebenssituation und Gesundheitszustands der Patientin oder des Patienten empfiehlt der Chirurg gelegentlich auch eine herkömmliche Schnittoperation. „Bei einem jüngeren Menschen in einem guten Gesundheitszustand und einem komplexen Gefäßverschluss kann es günstiger sein, mit einer offenen Operation den Verschluss langfristiger zu beseitigen. Bei einem älteren oder geschwächten Patienten setzen wir eher auf einen minimalinvasiven Eingriff, auch wenn der Erfolg dann vielleicht nur begrenzt, beziehungsweise weniger nachhaltig ist“, erklärt Professor Demirel. „Wir Gefäßchirurgen betrachten die Patienten ganzheitlich“, sagt Professor Serdar Demirel. Das bedeutet: Die Ärztinnen und Ärzte interessieren sich für die gesamte Krankheitsgeschichte und Lebensweise ihrer Patientinnen und Patienten. Denn: „Gefäßerkrankungen können an fast jeder Stelle des Körpers auftreten, da es überall Blutgefäße gibt“, betont Professor Demirel. Arteriosklerose ist eine Volkskrankheit Die Arteriosklerose, im Volksmund auch Verkalkung der Blutgefäße genannt, bezeichnet der Esslinger Experte als „Volkskrankheit“. Und angesichts der Demografie mit einer stetig alternden Bevölkerung ist wohl eher noch mit einer Zunahme dieser Erkrankung zu rechnen. Denn: „Die Arteriosklerose ist mit zunehmenden Alter unausweichlich“, sagt Professor Demirel. Doch auch in jüngeren Jahren können Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel, Übergewicht, ein hoher Cholesterinspiegel und Diabetes zu einer vorzeitigen Verkalkung der Blutgefäße führen. Betroffen seien vor allem jüngere Männer und ältere Frauen. „Ab etwa 65 Jahren gleicht sich das Risiko von Männern und Frauen an“, so der Experte. Dabei lagern sich Fett, Bindegewebe und Kalk in der Gefäßwand ab, die sich dann entzünden können. Unbehandelt kann dies irgendwann dazu führen, dass sich Teile der Verklumpung lösen und es zu einem Blutgerinnsel kommt. Ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall können die Folge sein. Therapie der Schaufensterkrankheit Aber auch viele andere Erkrankungen werden durch die Arteriosklerose ausgelöst. „Arteriosklerose ist die Mutter fast aller arteriellen Gefäßerkrankungen“, sagt Professor Demirel. Viele Patientinnen und Patienten mit der sogenannten Schaufensterkrankheit behandelt das Team der >>> „ Gefäßerkrankungen können an fast jeder Stelle des Körpers auftreten, da es überall Blutgefäße gibt.”

8 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2025 Beides ist notwendig: Minimalinvasive OP und Schneiden Mittlerweile hat sich in Deutschland die Schlüsselloch-Chirurgie weitgehend durchgesetzt. Durchaus ein Erfolg, betont Professor Demirel. Doch die Folge sei, dass es nur noch wenige Expertinnen und Experten gebe, die auch die klassischen OP-Methoden beherrschten. Professor Demirel kann beides: Die minimalinvasiven Methoden genauso wie die traditionellen Schnitt-Operationen, die er während seiner universitären und klinisch-operativen Ausbildung an der Uniklinik Heidelberg erlernt hat. Zentrum für das ThoracicOutlet-Syndrom Eine besondere Form des Gefäßverschlusses ist das Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS). „Es entsteht bei einer angeborenen Enge im Bereich des oberen Brustkorbes und betrifft häufig junge erwachsene Menschen.“ Dabei ist der Bereich zwischen dem Schlüsselbein und der 1. Rippe, wo die Gefäße zum Arm ziehen, zu eng. Diese Enge führt dazu, dass Blutgefäße eingeklemmt werden. Die Betroffenen haben zum Beispiel Taubheitsgefühle im >>> Arm und der Hand, insbesondere unter Belastung und bei Kopfüberarbeiten. Die Gefäßchirurgie am Klinikum Esslingen ist eine von wenigen Kliniken deutschlandweit, die das TOS-Syndrom regelmäßig behandelt und somit die entsprechende Expertise hat. „Unsere Patienten kommen deshalb nicht nur aus der Region, sondern auch aus verschiedenen anderen Bundesländern“, berichtet der Chirurg. Bei einer OP wird zunächst die überflüssige Rippe entfernt. Später müssen dann die verengten Blutgefäße behandelt werden und sollte die Arterie oder die Vene bereits dauerhaft geschädigt sein, ein entsprechender Eingriff oder ein Katheterverfahren vorgenommen werden. Aktuell behandelt Professor Demirel im Klinikum Esslingen einen 18-jährigen Leistungsschwimmer mit dem TOS-Syndrom. „Wegen des intensiven Trainings mit entsprechendem Muskelaufbau sind bei ihm die Symptome bereits früh aufgetreten. Er konnte seinen Sport nicht mehr schmerzfrei ausüben.“ Kürzlich hat Professor Demirel dem jungen Mann die Rippe entfernt. Weitere Untersuchungen und Behandlungen stehen an. Aber der Experte ist zuversichtlich, dass der Sportler „bald wieder trainieren kann.“ Aneurysmen präventiv operieren Ein weiterer Schwerpunkt der Esslinger Gefäßmedizin ist die Therapie von Aneurysmen. Ein Aneurysma ist eine Überdehnung der Aortenwand. An manchen Stellen leiert die Wand aus. Aneurysmen der Aorta können an verschiedenen Körperstellen auftreten. Viele befinden sich im Bauchraum, manche auch in der Brustschlagader. Solange das Aneurysma noch klein ist, ist das Risko für die Betroffenen gering. Sobald es eine gewisse Größe überschreitet, wird es jedoch zu einer tickenden Zeitbombe und kann jederzeit platzen. 5,5 Zentimeter bei Männern und 5 Zentimeter Durchmesser des Aneurysmas bei Frauen ist die Grenze. „Ab dieser Größe ist das Risko, dass das Aneurysma platzt größer, als die Gefahr für den Patienten bei einer Krankenhausbehandlung zu versterben“, erklärt Professor Demirel. Die Aneurysma-OP sei deshalb ein präventiver Eingriff. „Wenn ein Aneurysma erst einmal geplatzt ist, besteht fast keine Überlebenschance mehr“, sagt der Experte. 90 Prozent der Patientinnen und Patienten würden dann das Krankenhaus nicht mehr rechtzeitig erreichen. Das Gefährliche an Aneurysmen ist, dass sie zumeist unentdeckt bleiben und die Betroffenen davon nichts wissen oder spüren. „Oft wird erst bei einer Ultraschalluntersuchung oder einer CT/MRTUntersuchung wegen einer anderen Erkrankung das Aneurysma zufällig entdeckt“, erklärt Professor Demirel. „Fünf bis sieben Prozent aller Männer über 65 Jahre tragen ein Aneurysma unterschiedlichen Durchmessers in sich“, sagt der Chirurg. Erst kürzlich gelang dem Team um Professor Demirel ein bahnbrechender Eingriff: Einem Patienten mit einem Aneurysma, das sich über den Bauch- sowie den Brustbereich erstreckte, wurde als Ersatz für die komplette Aorta eine maßPatientinnen und Patienten mit sogenannten „offenen Beinen“, also nässenden Wunden, zumeist an den Beinen, die über Monate oder gar Jahre nicht heilen, werden mit einer speziellen Therapie behandelt.

2 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 9 geschneiderte Stent-Prothese mit Armen für die Eingeweidearterien und Nierenarterien eingesetzt. Eine Prothese in dieser Größe war bisher im Landkreis Esslingen noch nicht verpflanzt worden. Der 77-jährige Patient erfreut sich nach dem Eingriff bester Gesundheit. Experten für chronische Wunden Neben der Behandlung arterieller Gefäßverschlüsse ist die Wundversorgung ein weiterer Schwerpunkt der Esslinger Gefäßmediziner. Patientinnen und Patienten mit sogenannten „offenen Beinen“, im Fachjargon „Ulcus cruris“, also nässenden Wunden, zumeist an den Beinen, die über Monate oder gar Jahre nicht heilen, werden mit einer speziellen Therapie behandelt. „Viele Hausärzte therapieren ihre Patienten mit einer konventionellen Wundversorgung. Dabei bedenken sie nicht, dass die Wunden auch mit den Gefäßen zu tun haben können“, sagt Professor Demirel. Sowohl Durchblutungsstörungen der Venen als auch der Arterien können Ursache für die nicht heilenden Wunden sein. „Wenn beispielsweise die Arterien verstopft sind, weshalb nicht ausreichend sauerstofftragende rote Blutkörperchen in die betroffene Stelle gelangen, helfen auch keine konservativen wundtherapeutischen Maßnahmen. Oftmals ist aber auch durch eine chronische Venenschwäche der venöse Abstrom der Haut, wo die Wunde nicht abheilt, in Richtung Herz nicht ausreichend gewährleistet, weshalb in auserwählten Fällen auch am venösen Gefäßsystem druckentlastende invasive Maßnahmen erforderlich werden“, erklärt der Experte. Im Klinikum Esslingen arbeitet man mit der sogenannten Vakuumtherapie. Dabei wird die chirurgisch gereinigte Wunde mit einem Schwamm abgedeckt und mit einer luftundurchlässigen Folie verschlossen. Der Schwamm wird an einen Schlauch angeschlossen und mit einer Pumpe verbunden, die Unterdruck erzeugt. Der Unterdruck initiiert die Neubildung von Blutgefäßen und die Pumpe saugt die Wundflüssigkeit ab. Nach der Phase der Wundkonditionierung durch die Unterdrucktherapie kann oftmals der Defekt mit einer Hautverpflanzung durch Entnahme der eigenen Haut am selben oder am anderen Bein zur endgültigen Abheilung gebracht werden. Mindestens drei Wochen müssen die Patienten in der Klinik bleiben. Interdisziplinäres Team Sehr breit ist das Spektrum an Krankheiten, die in der Klinik für Gefäß- und Endovaskularchirurgie behandelt werden. Und sehr breit aufgestellt ist auch das Team, das die Behandlungen durchführt. „Ohne die enge Zusammenarbeit mit den Kollegen der Interventionellen Radiologie wären viele OPs nicht möglich“, betont Professor Demirel. Diese Experten sind vor allem bei den minimalinvasiven OPs gefragt, wenn Katheter oder Fräsen in Blutgefäße eingeführt werden müssen. Eng ist die Zusammenarbeit aber auch mit den Klinken für Kardiologie, Neurologie, Nephrologie und der Diabetesmedizin. „Jeden Mittwoch tagen wir mit Kollegen all dieser Abteilungen im Gefäß-Board“, sagt Professor Demirel. Dort werden komplexe Fälle besprochen. „Alle Entscheidungen zur Therapie dieser Patienten treffen wir gemeinsam im Board“, betont der Chefarzt. Besonders wichtig ist die Zusammenarbeit mit den Kardiologen. Denn 45 Prozent aller Patientinnen und Patienten mit der Schaufensterkrankheit haben auch eine koronare Herzerkrankung, da die Arteriosklerose eine systemische Erkrankung darstellt. Viele wissen nichts davon. „Deshalb werden Patienten mit einem Gefäßverschluss bei entsprechenden Anzeichen einer koronaren Herzerkrankung, diese können erhöhte spezielle Laborparameter sein oder auch Hinweise durch den Betroffenen, anschließend gründlich von der Kardiologie-Abteilung durchgecheckt“, erklärt Professor Demirel. Zertifizierung als Gefäßzentrum Dieses interdisziplinäre Arbeiten ist eine Voraussetzung für die Zertifizierung als Gefäßzentrum der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin. Auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt das Klinikum Esslingen: So muss eine zertifizierte Klinik mindestens drei ausgewiesene Fachärzte für Gefäßchirurgie haben, und rund um die Uhr mit mindestens einem Experten besetzt sein. gwn Kontakt Klinikum Esslingen Gefäßzentrum Prof. Dr. Serdar Demirel, FEBVS, MHBA Chefarzt der Klinik für Gefäß- und Endovaskularchirurgie Leiter des Gefäßzentrums Telefon Sekretariat: 0711 3130-2701 gefaesszentrum@klinikum-esslingen.de „ Fünf bis sieben Prozent aller Männer über 65 Jahre tragen ein Aneurysma unterschiedlichen Durchmessers in sich.” Aortenstents für endovaskuläre Aneurysma-Reparatur (EVAR)

10 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2025 Maßgeschneiderte Prothese für die Aorta Die Diagnose der beschädigten Aorta erhielt Ullrich Kowald aus Plochingen eher beiläufig. Wegen Herzproblemen war er zur Untersuchung bei einer Kardiologin. Diese empfahl, die gesamte Aorta zu checken – schon wegen seiner Vorgeschichte: Bereits vor zehn Jahren war dem Plochinger an einem Bauchaortenaneurysma ein Rohr offen chirurgisch implantiert worden. Die Kardiologin schickte den Patienten zu einem Radiologen, der die gesamte Aorta gründlich mittels Computertomographie (CT) durchleuchtete. Ausbuchtung an der Aorta Dieser diagnostizierte ein sogenanntes penetrierendes Aortenulkus, eine 5,8 Zentimeter große Ausbuchtung an der Aorta. Die Wand der Aorta hält dabei nicht mehr dicht. Das Blut durchbricht das Blutgefäß und führt zu einer lokalisierten Ausstülpung. „Eine der drei Wände der Aorta war stark geschädigt. So wurde die Ausbuchtung nur noch von zwei Wänden gehalten, auf die der Blutstrom drückte“, berichtet Ullrich Kowald. In einem solchen Fall besteht die Gefahr, dass diese Ausbuchtung plötzlich platzt, wenn sie nicht behandelt wird. Der Radiologe leitet den 70-Jährigen ins Klinikum Esslingen zu Professor Serdar Demirel, Chefarzt der Klinik für Gefäß- und Endovaskularchirurgie. Er ist als Gefäßchirurg spezialisiert auf minimalinvasive Eingriffe an der Aorta. Maßgeschneiderte Prothese Doch die Behandlung von Ullrich Kowald erwies sich als besonders anspruchsvoll. Eine einfache Stentprothese, die bei unkomplizierten Ausbuchtungen gesetzt wird, reichte bei ihm nicht aus. Denn auch vier Arterien, die sich aus der Aorta verzweigten und lebenswichtige Organe versorgen, waren von der Ausbuchtung betroffen. Um die Ausbuchtung der Aorta auf Höhe der Eingeweide- und Nierenarterien vom Blutfluss abzukoppeln, brauchte der Patient eine spezielle Aorten-Prothese. Auf Grundlage der Computertomographie wurde eine Prothese hergestellt, die an die Anatomie des Patienten angepasst war. „Komplett maßgeschneidert für Herrn Kowald“, sagt Professor Serdar Demirel stolz. Einsatz der Prothese in mehreren Schritten Auch der Einsatz dieser Prothese ist eine sehr diffizile Angelegenheit. Das Stück kann nämlich nicht auf einmal implantiert Einen wahren Operationen-Marathon hat Ullrich Kowald hinter sich: Innerhalb von einem Monat wurde er dreimal an der Aorta im Brust- und Bauchraum operiert. Alles waren minimalinvasive Eingriffe – und der Patient wurde zwei Tage nach der letzten OP putzmunter entlassen und ist voll des Lobs für die Ärzte und Pfleger am Klinikum Esslingen.

2 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 11 werden, da sonst eine sogenannte spinale Ischämie droht. Dabei wird das Rückenmark nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt, weshalb es zu einer Querschnittslähmung kommen kann. Mit einem sogenannten zweiseitigen Vorgehen kann man das Rückenmark an eine Minderversorgung mit Sauerstoff „gewöhnen“. Dabei entstehen kleine Kollateralnetzwerke (Umgehungskreisläufe), die die Sauerstoffversorgung des Rückenmarks während des zweiten Eingriffs übernehmen. Also setzte Professor Demirel mit seinem Team dem Patienten in einer ersten OP Mitte Juni zunächst die Aorten-Prothese mit drei Stents für die beiden Eingeweidearterien und nur eine Nierenarterie und ließ den 4. Seitenarm für die andere Nierenarterie frei. „Der Eingriff war minimalinvasiv und verlief gut“, sagt Ullrich Kowald. Er hat auch schon andere Erfahrungen gemacht. Seine Aorta-OP vor zehn Jahren war eine offene Operation, bei der der Bauch aufgeschnitten wurde. „Die Erholungsphase danach dauerte deutlich länger“, berichtet der Plochinger. Zweite OP wird abgebrochen Nach dem ersten Eingriff gab es eine Karenzzeit, in der sich das Rückenmark an eine Reduktion der Sauerstoffversorgung gewöhnen konnte. Dann wurde die zweite OP angesetzt, um auch über den 4. Seitenarm einen Stent in die verbliebene Nierenarterie zu implantieren. Ziel war es, die Ausbuchtung der Aorta komplett vom Blutfluss abzukoppeln. Doch während des Eingriffs, der durch einen etwa 2 cm langen Schnitt in der Leistengegend erfolgte, stellten die Chirurgen fest, dass der Seitenarm der Spezialprothese offenbar fast komplett verschlossen war. Es gelang ihnen nicht, den Prothesenarm von der Leistenarterie aus mit einem Arbeitsdraht zu passieren, beziehungsweise zu sondieren. Der Eingriff wurde abgebrochen und die Operateure besprachen mit Ullrich Kowald einen notwendigen dritten Eingriff über die Armarterie. Erfolgreiche dritte OP Beim nächsten OP-Versuch gelang es dem Team um Professor Demirel, über die Armarterie mit einem speziellen Katheter „ Eine Prothese von der Stange gibt es nicht. Jeder Patient ist anders. Und wir müssen für jeden einzelnen die Prothese anpassen.” Kontakt Klinikum Esslingen Gefäßzentrum Prof. Dr. Serdar Demirel, FEBVS, MHBA Chefarzt der Klinik für Gefäß- und Endovaskularchirurgie Leiter des Gefäßzentrums Telefon Sekretariat: 0711 3130-2701 gefaesszentrum@klinikum-esslingen.de 3-D Rekonstruktion der Aorta vor der minimal- invasiven Therapie 3-D Rekonstruktion nach Abschluss der minimal- invasiven Therapie Prof. Dr. Serdar Demirel und Draht bis zur betroffenen Arterie durchzudringen und über den vierten Seitenarm der Spezialprothese den letzten Stent korrekt zu platzieren. Operationen dieser Art sind im Landkreis Esslingen erst seit kurzem möglich. Dafür braucht es ausgewiesene Experten wie Professor Demirel. Drei bis vier Stunden dauert ein solcher Eingriff, den der Spezialist gemeinsam mit zwei anderen Ärzten durchführt. Wichtig sei vor allem, dass für jede Patientin und jeden Patienten eine individuelle Lösung gefunden werde, betont der Chirurg. „Eine Prothese von der Stange gibt es nicht. Jeder Patient ist anders. Und wir müssen für jeden einzelnen die Prothese anpassen.“ Vorbildliches Personal Ullrich Kowald hat sich im Klinikum Esslingen sehr wohlgefühlt. „Nicht nur das Ärzteteam um Professor Demirel, auch die Pflegekräfte auf der Station, im OP, auf der Intensivstation und im Aufwachraum waren alle sehr freundlich und bemüht, dass es mir gut geht.“ Bereits zwei Tage nach dem letzten Eingriff konnte der 70-Jährige die Klinik verlassen. „Ich fühle mich sehr gut“, sagte er drei Tage nach dem Eingriff im Telefoninterview. „Wenn ich nicht Rentner wäre, würde ich nächste Woche wieder an meinem Arbeitsplatz stehen.“ ast

12 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2025 Kontakt Praxis Dr. Rima Merher und Dr. Ulrich Borst Martinstrasse 28 73728 Esslingen Telefon: 0711 3963-4110 Vor größeren gefäßchirurgischen Eingriffen – z. B. an der Aorta – muss das Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisiko kardiologisch abgeklärt und oft auch ein Stent gesetzt werden. Frau Dr. Merher, welche Patientinnen und Patienten kommen zu Ihnen? Wir sind eine spezialisierte kardiologische Praxis mit interventionellem Schwerpunkt und betreuen ein breites Spektrum an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ein wichtiger Teil unserer Tätigkeit umfasst invasive Diagnostik und Therapie – etwa Herzkatheteruntersuchungen und das Einsetzen von Stents in verengte Herzkranzgefäße. Wie viele Personen behandeln Sie pro Jahr? Wir versorgen mehrere tausend Patientinnen und Patienten jährlich. Interventionelle Eingriffe führen wir dabei in etwa 300 bis 400 Fällen pro Jahr durch – ein bedeutender Teil unserer Arbeit. Inwiefern arbeiten Sie mit der Klinik für Gefäß- und Endovaskularchirurgie am Klinikum Esslingen zusammen? Die Zusammenarbeit ist sehr eng und basiert auf unkompliziertem persönlichem Austausch: Etwa zehn Prozent unserer Patientinnen und Patienten mit koronarer Herzerkrankung leiden zusätzlich an Durchblutungsstörungen der Beine, Verengungen der Halsschlagader oder einem Bauchaortenaneurysma. Die Weiterbehandlung in der Gefäßchirurgie kann oft innerhalb weniger Tage erfolgen – dafür bin ich sehr dankbar. Sie untersuchen auch Patientinnen und Patienten vor großen Operationen? Genau. Vor größeren gefäßchirurgischen Eingriffen – beispielsweise an der Aorta – werden die Betroffenen kardiologisch abgeklärt, um ihr Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall im Rahmen solcher Operationen besser einschätzen zu können. Etwa die Hälfte dieser Patienten hat erhebliche Durchblutungsstörungen des Herzens. Je nach Befund kann es erforderlich sein, dass vor der geplanten OP zunächst noch ein Stent gesetzt oder sogar ein Bypass gelegt werden muss. Ein kurzer Anruf von Prof. Demirel genügt, und wir können die Betroffenen zeitnah in unserer Praxis versorgen. Vor der OP wird häufig ein Stent gelegt Welche Risikofaktoren begünstigen Verengungen in den Blutgefäßen, die zu Herzerkrankungen führen? Zu den wichtigsten Risikofaktoren zählen Bluthochdruck, Rauchen, erhöhte Cholesterinwerte, Diabetes mellitus sowie Übergewicht und Bewegungsmangel. Besonders kritisch wird es, wenn mehrere dieser Faktoren gleichzeitig auftreten – dann steigt das Risiko um ein Vielfaches. Was kann man tun, um Herz- und Gefäßprobleme zu vermeiden? Ein gesunder Lebensstil ist entscheidend. Dazu zählen der vollständige Verzicht auf Nikotin – selbst eine Zigarette am Tag erhöht das Herzinfarktrisiko signifikant. Ganz wichtig ist regelmäßige Bewegung – mindestens 30 Minuten täglich – sowie eine ausgewogene, herzgesunde Ernährung. So lassen sich viele Erkrankungen vermeiden oder zumindest verzögern. Das Gespräch führte Gerlinde Wicke-Naber Arterielle Gefäßerkrankungen betreffen den ganzen Körper. Deshalb ist die Zusammenarbeit von Gefäßexperten und Kardiologen ein wichtiger Baustein bei der Behandlung. Darüber berichtet im Interview die Kardiologin Dr. Rima Merher, die gemeinsam mit einem Kollegen eine Internistische Praxis in Esslingen betreibt. Experteninterview: Dr. Rima Merher

2 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 13 Ein aktueller Podcast der Reihe „Deine GesundZeit“ gibt Einblicke in den veränderten Familienalltag nach der Diagnose Diabetes bei Kindern. Er thematisiert Herausforderungen und stellt unterstützende Angebote vor. Im Jahr 2023 lebten in Deutschland rund 400.000 Menschen mit Typ 1 Diabetes, davon etwa 32.000 Kinder. Diese Zahl zeigt, wie wichtig die Auseinandersetzung mit der chronischen Erkrankung ist. Wenn Kinder an Diabetes erkranken, verändert sich ihr Leben stark – auch für die Eltern und die ganze Familie hat die Autoimmunerkrankung wesentliche Auswirkungen auf den gesamten Alltag. Wie erkennen Eltern erste Anzeichen? Und wie gelingt der neue Alltag für Kinder und Familien mit der Diagnose? Im Gespräch berichten die erfahrenen Fachärztinnen Elke Müller-Roßberg und Hanna Rehm der Klinik für Kinder und Jugendliche am Klinikum Esslingen über den Alltag mit der Krankheit und geben Einblicke in die besondere Situation betroffener Familien. Diabetes Typ 1 und Typ 2 Man unterscheidet Diabetes in Typ 1 und Typ 2 – letzterer wird umgangssprachlich auch als „Alterszucker“ bezeichnet. Dabei entwickeln die Betroffenen im Laufe des Lebens, häufig aufgrund ungesunder Ernährung, eine Insulinresistenz. Anders bei Diabetes Typ 1, hier handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die zu Insulinmangel führt. Der Großteil der Kinder und jungen Erwachsenen, die an Diabetes erkrankt sind, haben Diabetes Typ 1. In den letzten Jahren erkranken Kinder zunehmend in jüngerem Alter an Diabetes und beginnen früher mit der Behandlung. Warum das so ist und was das für die medizinische Betreuung bedeutet, erklären die beiden Kinderärztinnen im Podcast. Versorgungs- und Aufklärungspaket Das frühzeitige Erkennen der Symptome bei den jungen Patientinnen und Patienten ist entscheidend, um unmittelbar mit einer passenden Behandlung starten zu können. Die Ärztinnen stellen ein umfassendes Versorgungs- und Aufklärungspaket vor, das den Kindern und Jugendlichen sowie der ganzen Familie hilft, mit der neuen Lebenssituation bestmöglich umzugehen. Im Podcast sprechen Elke Müller-Roßberg und Hanna Rehm außerdem über Behandlungsmöglichkeiten und innovative Techniken, die den diabeteserkrankten Kindern und Jugendlichen den Alltag erleichtern können. Ebenso wird die Rolle der Ernährung thematisiert und über gängige Mythen dazu aufgeklärt. Der Podcast richtet sich an betroffene Familien und alle, die mehr über die chronische Erkrankung Diabetes Typ 1 im Kindesalter erfahren möchten. kl Deine GesundZEIT Diabetes bei Kindern: Herausforderungen und Hilfsmittel Anschalten! Der Podcast „Deine GesundZEIT“ erscheint unter https://deinegesundzeit. podigee.io/ Alle Folgen sind auf Spotify, Apple Podcast und allen gängigen Plattformen zu finden.

14 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2025 Mit Blaulicht und lauter Sirene biegt der Rettungswagen um die Ecke, dicht gefolgt vom Notarztfahrzeug. Die Patientin wird auf der Trage ausgeladen und begleitet von Notarzt und Rettungsassistentin in die Klinik gebracht. Im Notfall gut versorgt

2 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 15 Alles geht sehr schnell und doch ohne Hektik. Zusammen mit einer Pflegekraft nimmt die diensthabende Ärztin den Trupp, der sich vorher telefonisch angekündigt hatte, in der zentralen Notaufnahme in Empfang. Nach kurzer Übergabe wird die Patientin direkt in den Schockraum geschoben, wo sie das Notfallteam behandelt und versorgt. Notfallmedizin hat hohen Stellenwert Szenen wie diese sind im Klinikum Esslingen Alltag. Als zertifiziertes regionales Traumazentrum ist es eine wichtige Anlaufstelle, die in der Notfallversorgung sehr gut aufgestellt ist. Mit dem neuen Chefarzt Dr. Johannes Wagner, der seit 1. Oktober die Klinik für Akut- und Notfallmedizin verantwortet, wird der Stellenwert der Akutversorgung im Klinikum Esslingen nochmals bestärkt. „Die Notaufnahme ist das zentrale Eingangstor für einen Großteil unserer Patientinnen und Patienten“, sagt Geschäftsführer Matthias Ziegler. „Die Einrichtung der Chefarztposition unterstreicht die große Relevanz der Notfallmedizin für unser Klinikum.“ Neue Leitung Chefarzt Dr. Johannes Wagner hat langjährige Erfahrung in der Versorgung von Notfallpatientinnen und -patienten, sowohl im Einsatz als Notarzt als auch bei der Behandlung in der Klinik. Auch wenn er in der Klinik für Akut- und Notfallmedizin zukünftig viele organisatorische Aufgaben übernehmen wird, ist der Einsatz als Notarzt weiterhin geplant: „Als Leiter der Notaufnahme muss und möchte ich weiterhin auch im Einsatz draußen unterwegs sein. Es ist die beste Möglichkeit, die Strukturen der Notfallversorgung im Landkreis und in den anderen Kliniken kennenzulernen.“ Dabei spielt das Thema Vernetzung eine große Rolle: „Wenn sich die Akteure kennen, dann hat das einen direkten und positiven Einfluss auf die Abläufe in der Notaufnahme“, ist sich Dr. Wagner sicher. Der 43-jährige Facharzt für Innere Medizin mit Zusatzweiterbildung in klinischer Akut- und Notfallmedizin lebt für seinen Beruf: „Mich reizt die ständige Abwechslung – ob im Einsatz oder in der Klinik. Morgens weiß man nicht, was einen bis zum Abend erwartet.“ Organisation der Notfallversorgung Die Notfallversorgung am Klinikum Esslingen basiert auf mehreren Säulen eines integrieren Notfallzentrums: Neben der Zentralen Notaufnahme im Klinikum gibt es eine KV Hausarztpraxis sowie eine KV Notfallpraxis für Erwachsene und eine weitere Notfallpraxis für Kinder. „Die Strukturen der Notfallmedizin am Klinikum Esslingen sind sehr gut. Wir sind froh in Kooperation mit den Praxen der Kassenärztlichen Vereinigung das komplette Spektrum der Notfälle rund um die Uhr abdecken zu können“, sagt Dr. Wagner. Wer soll sich wohin wenden? Bei einem Unfall mit schweren Verletzungen ist es klar: ein Fall für die zentrale Notaufnahme (ZNA). Bei plötzlich auftretenden Schmerzen ist die Lage nicht so eindeutig. „Die KV Hausarztpraxis ist für Beschwerden gedacht, mit denen man sonst zu einem Hausarzt gehen würde“, erläutert Dr. Wagner die Aufteilung. Die Unterscheidung zwischen Notfallpraxis und Notaufnahme ist da schon schwieriger. „Bei Beschwerden, die ganz plötzlich aufgetreten oder bei schweren Verletzungen ist der Weg zur Zentralen Notaufnahme richtig“, erklärt Dr. Wagner. „Je nach Beschwerde entscheiden wir, ob wir die Patienten entweder in der Notaufnahme behandeln oder sie an die KV Notfallpraxis weiterleiten.“ Um in diesen Fällen einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, werden aktuell die Entscheidungs- und Ablauf-Prozesse weiter optimiert. Über 35.000 Patientinnen und Patienten versorgt das spezialisierte Team aus Medizinerinnen und Medizinern sowie Pflegefachkräften jährlich in der zentralen Notaufnahme am Klinikum Esslingen. In der integrierten Kindernotaufnahme werden junge Patientinnen und Patienten rund um die Uhr von Kinderärztinnen und -ärzten versorgt. Damit eine individuelle Betreuung und die anschließende Weiterbehandlung in der Klinik reibungslos erfolgen können, sind gut abgestimmte Strukturen unerlässlich. „Es ist ein großer Vorteil, dass am Klinikum Esslingen alle Fachdisziplinen an einem Standort sind und damit eine enge Zusammenarbeit und Vernetzung mit allen Fachabteilungen jederzeit gewährleistet ist", erklärt Dr. Wagner. Interdisziplinäre Zusammenarbeit „Die Ärzte und Pflegekräfte in der Zentralen Notaufnahme müssen in der Lage sein, die Notfälle zu erkennen, unter notfallmedizinischen Aspekten zu behandeln und gezielt die Fachabteilungen mit einbeziehen“, erläutert Dr. Wagner die Abläufe. „Die Entscheidung, ob Patienten eine stationäre Behandlung brauchen oder entlassen werden können, gehört dabei zur Kernaufgabe der Notfallmediziner und Notfallmedizinerinnen.“ Ein Beispiel: Eine Patientin stellt sich mit starken Bauchschmerzen in der Notaufnahme vor. Das kann viele Ursachen haben – schwerwiegende, wie eine Blinddarmentzündung oder ein Blinddarmdurchbruch, ein unbekannter Tumor, der akut schmerzt oder weniger schwerwiegende, wie starke Bauchkrämpfe aufgrund von Verdauungsproblemen. „In solch einem Fall leiten wir die entsprechenden Untersuchungen in der Notaufnahme ein, ziehen die Kolleginnen und Kollegen aus der Fachabteilung hinzu und beraten gemeinsam.“ Überwachung, wenn nötig Patientinnen und Patienten, bei denen eine Beobachtung nötig ist, können in der zentralen Notaufnahme auf der Dr. Johannes Wagner >>> „ Bei Beschwerden, die ganz plötzlich aufgetreten oder bei schweren Verletzungen ist der Weg zur Zentralen Notaufnahme richtig.”

16 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2025 Zentralen Notaufnahme einher. „Ziel ist ein festes Team an Ärztinnen und Ärzten, die der Zentralen Notaufnahme zugeordnet sind“, erklärt Dr. Wagner. Anders als bisher wird es eine feste Rotation von Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung für jeweils ein Jahr oder sechs Monate in der Zentralen Notaufnahme geben und ein festes Oberarztteam. „Das steigert die Behandlungsqualität der Notfallmedizin in der ZNA und ist ein Baustein auf dem Weg zum eigenständigen Facharzt für Notfallmedizin“, ergänzt Dr. Wagner. Außerdem erhält die Klinik für Akut- und Notfallmedizin zusätzliche Unterstützung durch ein eigenes Sekretariat, das die Abläufe weiter entlasten und koordinieren soll. Gute Struktur zahlt sich aus Dr. Wagner sieht bei der Weiterentwicklung der Notfallmedizin am Klinikum Esslingen eine Win-Win-Situation für alle Seiten: „Eine gut organisierte Zentrale Notaufnahme hilft nicht nur den Patientinnen und Patienten, sondern stärkt auch die Gesamtstruktur der Klinik.“ rf Überwachungsstation bis zu 24 Stunden beobachtet werden. „Diesen Bereich wollen wir zukünftig noch weiter ausbauen, um noch mehr Kapazitäten für die Überwachung zu haben.“ Denn der sogenannte „Exitblock“, also die Weiterleitung der Patientinnen und Patienten aus der Notaufnahme auf die Station ist in vielen Kliniken, so auch in Esslingen, oft eine Herausforderung. „Wenn die Stationen voll sind, brauchen wir eine Lösung für die Patienten aus der Notaufnahme, die aufgrund einer längerfristigen Behandlung in der Klinik bleiben müssen“, erklärt Dr. Wagner. „Da helfen weitere Betten in der Überwachungsstation im ersten Schritt.“ Danach greifen sogenannte „Full-Capacity-Protokolle“, die das Vorgehen regeln, wenn Stationen niemanden mehr aufnehmen können. „Auch für solche Situationen, sind wir vorbereitet“, so der Notarzt. Notfallmedizin ist Teamarbeit Das ärztliche Leitungsteam der Notaufnahme umfasst Dr. Johannes Wagner als Chefarzt und Dr. Stephan Thomas als leitenden Oberarzt. „Ich freue mich sehr, dass ich zusammen mit Dr. Thomas die Zentrale Notaufnahme weiterentwickeln kann. Er ist ein erfahrende Notfallmediziner mit guter Vernetzung in der Region und großer Einsatzerfahrung als Notarzt.“ Unter dem Stichwort interprofessionelle Zusammenarbeit legt Dr. Wagner besonderen Wert auf die enge Teamarbeit mit der Pflege. „Gemeinsam mit der pflegerischen Leitung Katja Märker sowie ihrer Stellvertreterin und den drei Teamleitungen arbeiten wir im Team auf Augenhöhe. Das bedeutet, dass wir Entscheidungen gemeinsam treffen“, betont Dr. Wagner. Ein zentraler Bestandteil dieser Zusammenarbeit ist auch das Thema Weiterbildung: Sowohl die Pflegekräfte als auch die Ärztinnen und Ärzte bilden sich kontinuierlich fort, um eine hohe Qualität in der Patientenversorgung sicherzustellen. Mit der Etablierung der neuen Klinik für Akut- und Notfallmedizin gehen auch Veränderungen in der personellen Struktur der Kontakt Klinikum Esslingen Klinik für Akut- und Notfallmedizin Dr. Johannes Wagner Chefarzt Telefon 0711 3103-2782 Johannes.Wagner@klinikum-esslingen.de Wohin im Notfall? Telefon 116117 – bei medizinischen Notfällen außerhalb der Praxiszeiten Telefon 112 – bei akuten Notfällen mit Lebensgefahr Notfallpraxis Erwachsene: Mo–Do: 18–22 Uhr, Fr: 16–22 Uhr Sa, So & Feiertage: 8–20 Uhr Notfallpraxis Kinder: Mo–Fr: 19–22 Uhr Sa, So & Feiertage: 9–21 Uhr Zentrale Notaufnahme Klinikum Esslingen: Bei allen akuten und schweren Notfällen – rund um die Uhr geöffnet. >>>

2 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 17 Förderverein Herzklopfen e.V. Plochinger Straße 42 73730 Esslingen Telefon 0711 22667277 info@herzklopfen-kardiologie-es.de www.herzklopfen-kardiologie-es.de Spendenkonto: Kreissparkasse Esslingen IBAN DE80 611500200100933015 BIC ESSLDE66XXX Impressum Klinikum Esslingen in Kooperation mit der Kreisärzteschaft Esslingen Schirmherr: Stadt Esslingen a. N. Herausgeber: Klinikum Esslingen Hirschlandstraße 97, 73730 Esslingen a.N. Geschäftsführung: Matthias Ziegler Redaktion und Verlag: AmedickSommer GmbH Charlottenstraße 29/31, 70182 Stuttgart Telefon 0711 621039-0 Telefax 0711 621039-33 info@amedick-sommer.de Das Esslinger Gesundheitsmagazin liegt der Esslinger Zeitung bei und wird kostenlos in Arztpraxen und im Klinikum Esslingen verteilt. Texte und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Für unverlangt eingesandte Beiträge, Fotos und Abbildungen wird keine Haftung übernommen. Medizinisch-wissenschaftliche Leitung: Privatdozent Dr. med. Dr. med. habil. Alexander Koch, Dr. Marc Alexander Meinikheim Redaktion: Ursula Kächele, V.i.S.d.P (uk) Telefon 0711 621039-40, uk@amedick-sommer.de Annette Steigert (ast), Regina Friedle (rf), Karla Loydl (kl), Gerlinde Wicke-Naber (gwn) Layout und Gestaltung: Sabine Pietsch, Evelina Pezer-Thoß Druck: dierotationsdrucker.de, eine Marke der MHS Print GmbH, Zeppelinstraße 116, 73730 Esslingen ISSN 1865-2336 Papier: Das in diesem Magazin eingesetzte Papier hat eine „Blauer Engel“-Zertifizierung. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern mitunter nur die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter. www.gesundheitsmagazin-esslingen.de Bildnachweise: Adobe Stock: Tatiana Shepeleva, S. 2 (li.), 6; motortion, S.2 (re.), 30; Racle Fotodesign, S.4 (u.li.); Pixel-Shot, S.5 (u.li.); auremar, S.8; Pijitra, S.9; Özgür Güvenç, S.12 (M.); H_Ko, S.13; dang, S.14; Studio Romantic, S.16; peterschreiber.media: S.25; nataliaderiabina, S.32; ASDF, S.34; Photographee.eu, S.40; AnnaStills, S.42 Apolodor Cornean: S.23 (li.) Claudia Fy, www.claudiafy.de: S.3 (o.) die arge lola: S.2 (M.), 18, 19, 21, 23 (re.) Fotolia: S. 17 iStock, YakobchukOlena: Titel Jens Schicke: S.4 (o.) Julia Hlousek: S.29 (M.u.), 31 (o.li.) Katharina Weber: S.3 (M.) KI-generiert mit Adobe Firefly: S.22 Klinikum Esslingen: S.3 (u.), 4 (M.), 5 (M.li.+u.re.), 7, 11, 15, 17 (o.), 20, 35, 36, 38, 39 (li.), 44-48 Lena Nitsch: S.12 (o.) Lutz Härer: S. 33 Max Kovalenko / Lichtgut: S.26-28, 29 (außer M.u.), 31 (o.re.) Privat: S.10, 24, 31 (u.) proklinikum: S.37 Roberto Bulgrin: S.39 (re.) Stadt Esslingen: S.5 (o.) Städtische Pflegeheime Esslingen: S.41 www.fotografie-gaby-hoess.de: S.31 (o.M.) Förderverein Herzklopfen: Tim Bengel ist neuer Botschafter „Gesundheit geht uns alle an – ich freue mich, Teil dieser wichtigen Initiative zu sein“, so Tim Bengel. Als international erfolgreicher Künstler bringt er frischen Wind und eine neue Zielgruppe in das Engagement für Herzgesundheit am Klinikum. Seit über 15 Jahren setzt sich herzklopfen e.V. für Prävention und moderne Kardiologie ein – unterstützt von namhaften Persönlichkeiten wie Guido Buchwald, Tobias Unger und jetzt auch Tim Bengel. Die nächsten Termine der Vortragsreihe finden Sie unter: www.herzklopfen-kardiologie-es.de Von links nach rechts: Kerstin Haußmann – Vorsitzende Herzklopfen e.V., Prof. Dr. Tillman Dahme – Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie, Tim Bengel – Botschafter Herzklopfen e.V., Wolfgang Haußmann – 1. Vorsitzender Herzklopfen e.V., Matthias Ziegler – Geschäftsführer Klinikum Esslingen.

18 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2025 Parkettboden, warmes Licht, offener Essbereich, Bücherregale. Die Atmosphäre wirkt wohnlich. „Die Kinder sollen sich hier wohlfühlen und unsere Klinik als einen Ort der Geborgenheit und Sicherheit empfinden“, erklärt Dr. Gunter Joas, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Klinikum Esslingen, am Tag der offenen Tür. Beim Rundgang durch die hellen und freundlich gestalteten Räume fügt er hinzu: „Wir legen großen Wert darauf, mit den Kindern und ihren Familien eine gute Beziehung aufzubauen. Sie bekommen hier nicht nur medizinische Hilfe, sondern dürfen spüren: Ich bin angenommen.“ Von Depressionen bis Schulverweigerung Dr. Joas führt durch die verschiedenen Stationen. Das Angebot der Kinderstation richtet sich an sechs- bis dreizehnjährige Kinder. Jugendliche bis 18 Jahre werden auf den drei Jugendstationen behandelt. Im Juli 2015 wurde der stationäre Bereich eröffnet. Seitdem ist die Kinder- und Jugendpsychiatrie am Klinikum Esslingen bis heute ohne Unterbrechung zu 100 Prozent ausgelastet. „Der Bedarf ist so groß, dass wir ihn kaum decken können, deutschlandweit. Anfang Oktober sind weitere 14 stationäre Betten dazu gekommen“, so Dr. Joas, „Wir behandeln die gesamte Bandbreite seelischer Störungen, sozusagen von A wie Angst bis Z wie Zwang.“ Zum Behandlungsspektrum gehören unter anderen Depressionen, Borderline-Störungen, Traumafolgestörungen, Bindungsstörungen, ADHS, Probleme im Sozialverhalten und Schulvermeidung. Darüber hinaus auch Essstörungen, Autismus und frühe psychotische Erkrankungen. Ein sicherer Ort für Kinder in seelischen Krisen Die Kinder und Jugendpsychiatrie am Klinikum Esslingen feiert 10-jähriges Jubiläum. Das Team betreut Kinder und Jugendliche in seelischen Krisen mit Herz, Kompetenz und Engagement.

2 | 2025 Esslinger Gesundheitsmagazin 19 Dr. Gunter Joas Je nach Schwere und Situation bietet das Klinikum Esslingen verschiedene Angebote an: ambulante Betreuung in der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA), teilstationäre Therapie in der Tagesklinik, vollstationäre Behandlung auf den Stationen oder die innovative stationsäquivalente Behandlung (StäB) – bei der das Team die jungen Patienten zuhause im Familienalltag behandelt. Erster Anlaufpunkt: Die Psychiatrische Institutsambulanz (PIA) In der Regel ist die PIA die erste Anlaufstation für Eltern, wenn sie in Sorge um ihr Kind sind. „Eltern bemerken oft als Erste, wenn ihr Kind sich verändert: Rückzug, Leistungsabfall, Ängste, Aggressionen oder Probleme in Schule und Freundeskreis können Hinweise sein. Dann sollten sie nicht lange zögern und früh Hilfe holen. Eltern haben da meist ein feines Gespür“, erläutert der Chefarzt. „Selbstverständlich können sich Jugendliche, die in seelischen Notlagen sind, auch direkt an uns wenden. Kinder- und Jugendpsychiatrie bedeutet nicht ‚die letzte Chance’, sondern kann ein ‚erster Schritt’ sein, sich von alten Verhaltensweisen zu trennen und etwas Neues – wahrscheinlich Besseres – auszuprobieren.“ Das interdisziplinäre Team bietet eine umfassende Diagnostik und individuelle Beratung an: „Wir prüfen, ob eine ambulante Therapie ausreicht, oder ob eine tagesklinische oder stationäre Behandlung notwendig ist.“ Dabei arbeitet die PIA eng mit Jugendhilfe, Schulen und Therapeuten zusammen. „Wichtig ist uns, dass die Kinder und Jugendlichen in alle Entscheidungen eingebunden werden und der Aufnahme zustimmen.“ Auch nach einem Klinikaufenthalt bietet die PIA eine Nachbetreuung an, um den Wiedereinstieg ins alltägliche Leben zu erleichtern. Tagesklinik: vertrauter Alltag und Struktur Elf Plätze umfasst die Tagesklinik am Klinikum Esslingen. Hier werden Kinder und Jugendliche tagsüber behandelt, leben ihren Alltag und abends können sie nach Hause gehen. Es gibt einen offenen Küchenbereich, Sofaecken, ein Atelier für Kunsttherapie und ein Zimmer mit vielen Instrumenten für die Musiktherapie. Die Töpferwerkstatt sorgt für ein kreatives Umfeld. „Der Tag beginnt mit einem gemeinsamen Frühstück und der Morgenrunde. Nach der Klinikschule, dem Mittagessen und den Hausaufgaben finden unsere Einzel- und Gruppentherapien, Kreativ- und Bewegungstherapien statt“, erzählt Dr. Joas. Klinikschule als fester Bestandteil Um den Anschluss an die Heimatschule nicht zu verlieren, gibt es am Klinikum eine eigene Schule für Kranke. Die Lehrerinnen und Lehrer unterrichten in Kleingruppen und orientieren sich am Stoff der Heimatschule. „Die Schule ist ein fester Teil des Tagesablaufs“, erklärt Dr. Joas. „Die enge Zusammenarbeit zwischen Klinikschule und Heimatschule sorgt dafür, dass die Schüler keinen Lernstoff verpassen, motiviert bleiben und die Wiedereingliederung nach der Therapie gut bewältigen.“ >>> „ Eltern bemerken oft als Erste, wenn ihr Kind sich verändert: Rückzug, Leistungsabfall, Ängste, Aggressionen oder Probleme in Schule und Freundeskreis können Hinweise sein.”

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