Ausgabe 2 >2024

2 | 2024 Esslinger Gesundheitsmagazin 11 Medizin nötig. „Wir arbeiten deshalb mit dem Zentrum für personalisierte Medizin Tübingen (ZPM-Tübingen) zusammen. Sie diagnostizieren dort Tumore unserer Patientinnen und Patienten auf molekularer Ebene – also im Genom.“ Ein Beispiel für die Anwendung dieser Diagnostik ist der Gallengangkrebs. Fünf bis zehn Prozent der betroffenen Menschen haben eine Treiber-Mutation. Deshalb werden alle am Gallengangkrebs-Erkrankten darauf hin untersucht. Wenn eine TreiberMutation vorliegt, können sie eine sehr zielgerichtete Therapie erhalten – mit guten Heilungschancen. Impfung gegen Krebs? „Wir können nicht gegen den Krebs an sich impfen“, sagt Professor Wege, „sondern wir müssen den Krebs schon kennen, um spezifisch für diesen Tumor eine Impfung zu entwickeln.“ Das Klinikum Esslingen beteiligt sich an einer Studie zu Impfungen bei Darmkrebstumoren, die von der Firma BionTec durchgeführt wird. Dabei werden Tumorzellen entnommen und 10 bis 20 Oberflächenmarker identifiziert. Die Tumorzellen haben auf ihrer Oberfläche verschiedene Marker, man könnte auch sagen Erkennungszeichen. Diese Marker werden in den individuell erstellten Impfstoff eingebracht. Mit der Gabe des Impfstoffes soll das Immunsystem unterstützt werden, im Blut zirkulierende Rest-Tumorzellen oder neu auftretende Tumorzellen, die diese Marker tragen, zu beseitigen. „Je besser die Immunkontrolle dieser Zellen klappt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Patientinnen und Patienten ein Rezidiv entwickeln, also der Krebs wieder auftritt“, sagt der CCE Zentrumsleiter Professor Wege. „Aktuell geht die Forschung in Sachen immunonkologische Therapie durch die Decke“, sagt Professor Dr. Henning Wege. Er ist Leiter des Cancer Center Esslingen (CCE) und Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Onkologie / Hämatologie, Gastroenterologie und Infektiologie. Körpereigene Immunantwort aktivieren Viele Krebserkrankungen lassen sich inzwischen durch den Einsatz von immunonkologischen Medikamenten behandeln und heilen. Bei diesem Ansatz wird das körpereigene Immunsystem aktiviert, um gegen die Tumorzellen zu kämpfen. „Im Grunde macht das Immunsystem diesen Prozess jeden Tag bei jedem Menschen, da immer wieder Tumorzellen im Körper entstehen“, erklärt Professor Wege. Nur manche Tumorzellen entkommen diesem körpereigenen Abwehrsystem, da sie die Fähigkeit entwickeln, sich zu „tarnen“. Die Substanzen der immunonkologischen Therapie, sogenannte Checkpoint-Inhibitoren, setzen genau dort an und schalten die Fähigkeit der Tumorzellen, für das Immunsystem unsichtbar zu sein, aus. Damit erkennt das körpereigene Immunsystem die Tumorzelle des Patienten oder der Patientin wieder als fremd an und kann sie vernichten. Oft wird die immunonkologische Therapieform ergänzend zu einer Operation oder Chemotherapie eingesetzt, um die Heilungschancen zu vergrößern. Es gibt aber auch Erkrankungen, bei der immunonkologische Substanzen allein zur Anwendung kommen und zu sehr guten Ergebnissen führen. Schwarzer Hautkrebs ist dafür ein Beispiel. Auch eine Studie zum Enddarmkrebs, die im renommierten New England Journal vorgestellt wurde, hat bei einer kleinen Gruppe von Patienten gezeigt, dass er durch alleinige Gabe von immunonkologischen Medikamenten geheilt werden konnte. „Das sind spektakuläre Ergebnisse, die zeigen, wie viel Möglichkeiten hinter dieser Entwicklung stecken.“ erklärt Professor Wege. Immer bessere Heilungschancen Ein großes Potenzial für die erfolgreiche Behandlung von Krebspatientinnen und -patienten sieht Professor Wege auch in dem immer besseren Verständnis der molekularen Mechanismen, die der Tumorentstehung zugrunde liegen. Damit werden immer individuellere Behandlungsansätze möglich. „Wir wissen, dass sogenannte Treiber-Mutationen für einige Krebserkrankungen verantwortlich sind. Und wenn wir diese bei der molekularen Untersuchung – also der Untersuchung der Tumor-DNA – finden, können wir sie ganz gezielt ansteuern und ausschalten.“ Insbesondere in der Hämatologie gibt es da schon gute Ansätze. Diese Substanzen wirken dann sehr effektiv, allerdings nur bei einer kleinen Gruppe von Patientinnen und Patienten, die genau diesen Treiber besitzen. Um weitere Treiber-Mutationen zu identifizieren, sind viele weitere Studien und eine Vernetzung der >>> Prof. Dr. Henning Wege „ Aktuell geht die Forschung in Sachen immunonkologische Therapie durch die Decke.” Molekulare Diagnostik in der Krebsnachsorge kann frühzeitig Hinweise auf zirkulierende Tumor-DNA geben. Schwerpunktthema Krebs

RkJQdWJsaXNoZXIy NTQxOTA=