Ausgabe 2 >2021
32 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2021 Durch Kohlenhydrate, Fructose und Lactose entsteht Luft im Darm, Gase, die den Darm dehnen. „Die Bewegung im Darm generell zu vermindern ist kein guter Ansatz, denn der Darm muss sich bewegen, sonst ist die Folge Verstopfung“, sagt Vogt. „Es sollte vielmehr darum gehen, Gasbildung zu mindern.“ Auch glutenarme Kost könne helfen, außerdem die individuelle Beob- achtung, dass bestimmte Nahrungsmittel die Symptome ver- schlimmern. „Zur Identifizierung der Symptomauslöser sollte ein Ernährungs-Beschwerdetagebuch geführt werden“, rät Dr. Meinikheim. Individualität ist bei der Reizdarm-Therapie das Stichwort: Es lohnt sich, Verschiedenes für einige Monate auszuprobieren und Erfolgreiches zu kombinieren. „Ein Therapieansatz im Sinne der integrativen Medizin beinhaltet neben den konventionellen The- rapieverfahren auch Naturheilkunde und ergänzende Selbsthilfe strategien zur Lebensstilmodifikation, um so ein individuelles Therapiekonzept für jeden einzelnen Patienten zu entwickeln“ sagt Dr. Meinikheim. Er empfiehlt den Patienten als ergänzende Maßnahme auch körperliche Bewegung, zum Beispiel Yoga. Bei Bedarf und ergänzend zu den Basismaßnahmen werden ver- dauungsunterstützende Medikamente eingesetzt. „Gewünscht ist eine regelmäßige Darmtätigkeit, das aber heißt nicht unbe- dingt, dass man jeden Morgen um acht Stuhlgang haben muss“, erklärt Dr. Vogt. Gerüchte, darmmobilitätsfördernde Mittel machen den Darm auf Dauer noch träger, seien übrigens falsch. „Lieber früher ein Medikament einnehmen, als eine Woche lang keinen Stuhlgang haben.“ Hoffnungsträger Darmflora? Sowohl bei Durchfall als auch bei Verstopfung empfiehlt Dr. Vogt lösliche Ballaststoffe, die sind zum Beispiel in Flohsamen. Bei Blähungen können Pfefferminz- oder Kümmelöl helfen. Einigen Patienten helfen Probiotika: „Laktobazillen und Bifidobakterien sorgen dafür, dass sich gasbildende Keime im Darm nicht zu sehr vermehren“, erklärt Dr. Vogt. „Bei Reizdarmpatienten sind sie oft nur in geringer Anzahl vorhanden.“ Eine Stuhluntersuchung zur Analyse der Darmflora empfiehlt Dr. Vogt übrigens nicht – „viel zu ungenau.“ Es sei extrem aufwändig die Darmflora richtig zu untersuchen und Probiotika können die Darmflora nicht so sehr beeinflussen, wie man sich das wünschen würde. Doch sei die Darmflora ein Hoffnungsträger für die Zukunft der Reizdarm-Therapie: „Studiendaten zeigen Unterschiede zwischen der Zusammensetzung der Darmflora von Reizdarm- Patienten und gesunden Kontrollpersonen“, sagt Dr. Vogt. Daher habe man in der Forschung die Stuhltransplantation als Thera piemöglichkeit erwogen. „Dabei werden Darmbakterien aus dem Stuhl eines gesunden Menschen isoliert und im Zuge einer Darmspiegelung, bei der alle Bakterien hinausgespült werden, in den Dickdarm gespritzt“, erklärt Vogt. Das Hauptproblem bei Reizdarmpatienten sei, dass die Darmflora nach einigen Monaten wieder genauso aussehe, wie vor der Transplantation. „Neue Untersuchungen prüfen, ob es sinnvoll ist, die Darm- bakterien in Kapselform einzunehmen“, sagt Dr. Vogt. „Im Übrigen werden derzeit mehr als zehn medikamentöse Thera- pieansätze in Studien geprüft.“ Die Sorge vieler Patienten, dass ein Reizdarm in Verbindung mit einem Tumorrisiko stehen könnte, sei übrigens unbegründet, betont Dr. Steinwender-Glaser. Ein Reizdarmsyndrom kann chro- nisch verlaufen und in mal mehr und mal weniger starken Pha- sen auftreten. Ein vollständiges, dauerhaftes Verschwinden der Symptome sei die Ausnahme, so Dr. Vogt. Allerdings sei bei einer Therapie eine anhaltende Symptomlinderung zu erwarten. nw Wann sprechen Mediziner von Reizdarmsyndrom? Die medizinische Leitline zur Diagnostik und Behandlung des Reizdarmsyndrom wurde zuletzt im Juni 2021 aktualisiert. Ein Reiz- darmsyndrom liegt vor, wenn chronische, das heißt länger als drei Monate anhaltende, Beschwerden wie Bauchschmerzen und Blä- hungen, Durchfall oder Verstopfung auftre- ten, die von den Patienten und dem behan- delnden Arzt auf den Darm bezogen werden. Durch die Beschwerden wird die Lebensqua- lität deutlich beeinträchtigt. Wichtig ist, dass andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. Kontakt Klinikum Esslingen Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Onkologie / Hämatologie, Gastroenterologie und Infektiologie Dr. Wolfgang Vogt Oberarzt, Leitender Arzt Endoskopiezentrum Telefon 0711 3103-2451 w.vogt@klinikum-esslingen.de Dr. Pia-Maria Steinwender-Glaser Christian-Fink-Straße 5, 73732 Esslingen Telefon 0711 9338387-0 info@hausarzt-glaser.de IKG Schwerpunktpraxis für Kardiologie, Gastroenterologie und Innere Medizin Dr. Marc Alexander Meinikheim Plochinger Straße 81, 73730 Esslingen Telefon 0711 314242 www.ikg-esslingen.de >>>
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