Ausgabe 2 >2021
Bauchaortenaneurysma: Eine tickende Zeitbombe Ein Bauchaortenaneurysma scheint zunächst harmlos. Reißt das Gefäß aber, wird es akut lebensbedrohlich. Das Tückische: Die Erweite- rung der Bauchschlagader bleibt oft lange unbemerkt. Umso wichtiger: Das Früherkennung- Ultraschallscreening kann Leben retten. „Mich traf die Diagnose wie ein Blitz“, erinnert sich Dr. Klaus Otter. Ende Septem- ber 2018 geht der 85-Jährige, wie jedes Jahr, zur Vorsorgeuntersuchung. Bei der Ultraschalluntersuchung stellte der Arzt eine stark erweiterte Bauchaorta fest. Die Bauchschlagader ist mit einem Durch- messer von bis zu 2,5 Zentimetern das größte Blutgefäß im Körper. Sie verläuft in einem Bogen vom Herzen durch den Brustraum und die Bauchhöhle, wo sie sich in die beiden Becken- und später in die Beinschlagadern verzweigt. Sie trans- portiert das sauerstoffreiche Blut in Kopf, Arme, Organe des Bauches und in die Beine. Ist die Aorta krankhaft erweitert, spricht man von einem Aneurysma. „Häufig werden Bauchaortenaneurysmen bei Routineuntersuchungen als Zufalls- befund entdeckt, denn meist haben die Patienten keine Symptome“, erklärt Pro- fessor Dr. Stefan Krämer, Chefarzt der Klinik für diagnostische und interventio- nelle Radiologie und Nuklearmedizin am Klinikum Esslingen. „Die Hausärzte schicken die Patienten dann zu nieder gelassenen Radiologen oder zu uns zur Abklärung.“ Details über die Größe und Gefährlichkeit eines Aortenaneurysmas liefern eine Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) und eventuell eine Angiografie, also eine Darstellung der Gefäße. „Ist die Bauchschlagader um mehr als 4 Zentimeter erweitert, empfehlen wir eine Verlaufskontrolle in einem Jahr“, berich- tet Professor Krämer. „Bei über 5 Zenti- metern besteht eine dringliche Indikation für eine Operation.“ Bei Dr. Klaus Otter ist die Bauchaorta um 6,7 Zentimeter erweitert. Der Fall ist klar: Der Rechts- anwalt aus Esslingen muss schnellst möglich in den OP. „In der kurzen Zeit zwischen Diagnose und Operation war ich sehr beunruhigt“, berichtet Otter. „Ich hatte Angst, dass das Aneurysma platzen könnte. Mir war klar, dass ich dann in akuter Lebensgefahr schweben würde.“ Männer über 65 sind am häufigsten betroffen Etwa 250.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich an einem Aorten aneurysma im Bauchraum. „Das Risiko steigt mit dem Lebensalter“, so Dr. Ralf Hartenstein, niedergelassener Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie. „Die Gefäßwand wird mit den Jahren weniger elastisch.“ Bei der Hälfte der Betroffenen ist eine Gefäßverkalkung (Atherosklerose) die Ursache. Auch ein hoher Blutdruck (Hypertonie) , bakterielle Infektionen, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes mellitus sind Risikofaktoren. Männer sind wesentlich häufiger von einem Bauch aortenaneurysma betroffen als Frauen. Der wichtigste, vermeidbare Risikofaktor ist das Rauchen. Viele Patienten bemerken ihr Leiden lange nicht. „Erst wenn ein Aneurysma so groß ist, dass es auf umgebende Strukturen drückt, treten Beschwerden auf“, so Dr. Hartenstein, „das können Rückenschmer- zen mit Ausstrahlung in die Beine sein oder auch Verdauungsbeschwerden.“ „Men- schen mit mittelgroßem, kontrollwürdigem Aneurysma dürfen nicht schwer heben und sollten lernen, unter Belastung richtig zu atmen“, rät der Arzt. Begleiterkrankungen wie Asthma oder eine chronische Bronchi- tis müssen behandelt werden, da Husten den Druck in den Gefäßen erhöht. Dehnt sich ein Aneurysma zu stark aus, kann die Bauchschlagader plötzlich rei- ßen. „Betroffene verspüren beim Einreißen oder ‚Platzen’ des Aneurysmas sehr starke Schmerzen im Brust- oder Bauchbereich, die in den Rücken ausstrahlen. Dazu kom- men Übelkeit und Brechreiz. Die starken inneren Blutungen verursachen schnell Dr. Klaus Otter nach erfolgreicher Operation 20 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 | 2021
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