Ausgabe 2 >2021
2 | 2021 Esslinger Gesundheitsmagazin 13 Hunde sind gut für die Stationsatmosphäre „Ich bin mit Hunden aufgewachsen und mein Traum war es immer, mit Hunden zu arbeiten. Super, dass das Klinikum Ess- lingen das jetzt möglich macht“, findet Marcel Mengoni, der schon seit drei Jahren in der Esslinger Kinder- und Jugendpsy- chiatrie arbeitet. Zwei- bis dreimal die Woche bringt er jetzt seinen zweijährigen Rüden Kodi mit. „Alle haben Spaß: Die Kinder lieben es, mit Kodi herumzutollen und Kodi liebt die Kinder ebenfalls.“ Spiel und Spaß während der Arbeitszeit? Klingt gut, aber wann erledigt so ein Therapiehund seinen Job? „Genau das ist der Job der Hunde“, erklärt Dr. Joas: „Kodi und Bess sorgen schon alleine durch ihre Anwesenheit für eine bessere Therapie atmosphäre. Die jungen Patienten sind entspannter. Selbst Kinder mit Aggressionsproblemen werden auf einmal ruhig, wenn die Hunde in der Nähe sind. Die beiden haben eine tolle Wirkung auf die Atmosphäre auf Station.“ Dass Tiere einen positiven Effekt auf die menschliche Psyche haben, ist sogar wissenschaftlich belegt. Zum Beispiel beein- flusst das Streicheln eines Hundes den Hormonhaushalt. Der Körper schüttet euphorisierende und schmerzlindernde Endor- phine, die Bindungshormone Oxytocin und Prolactin sowie das Glückshormon Dopamin aus. Therapiehunde werden deswegen heute in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt, vom Altenheim über die Einrichtung für Menschen mit Behinderung bis zur Kinder- und Jugendpsychiatrie. Bevor die Fellnasen ihren Job antreten, müssen sie gemeinsam mit ihren Haltern eine intensive Ausbildung absolvieren. Das sechsmonatige Training merkt man Kodi an: Er horcht aufs Wort und beherrscht noch dazu jede Menge Tricks. Das ist aber noch nicht alles: „Es ist erstaunlich, wie sensibel Kodi auf sein Gegen- über reagiert. Er spürt, wenn ein Kind traurig ist und kümmert sich dann um denjenigen“, so Mengoni. Um die Patienten auf- zumuntern gibt der kleine Wirbelwind alles: „Einmal kam ein Mädchen völlig frustriert vom Elterngespräch zurück. Kodi hat sie zum Spielen aufgefordert, aber sie ist nicht darauf einge- gangen. Also hat er ihr ein Spielzeug nach dem anderen vor die Füße geschmissen – solange, bis sie doch mitgespielt hat. Am Ende hat sie gelacht“, erzählt Mengoni, der seinen Job in sol- chen Momenten noch mehr mag als sonst. „Manchmal reichen Worte allein nicht aus“, weiß Dr. Gunter Joas . Der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsy chiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie hat es schon oft miterlebt: „Die Anwesenheit eines Hundes oder Pferdes kann dafür sorgen, dass Therapeuten an Patienten herankommen, die sich sonst nicht öffnen würden. Tiere sind nicht nur her- vorragende Eisbrecher, sie ermöglichen auch neue Formen der Interaktion und Kommunikation.“ Verständlich also, dass Dr. Joas froh über seine neuesten „Mitarbeiter“ ist: Seit kur- zem ver stärken Shetland Sheepdog Kodi , Cavalier King Charles, Spaniel-Hündin Bess und Pferdedame Bonny das Team der Esslinger Kinder- und Jugendpsychiatrie. Tiergestützte Therapie Rund 350 junge Patienten werden jährlich in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psycho- therapie behandelt. Jeder von ihnen trägt ein anderes Päck- chen mit sich herum, kein Patient ist gleich. Dr. Joas ist es wichtig, individuell auf die Bedürfnisse eines jeden einzu- gehen. Am Anfang jeder Therapie steht daher eine möglichst genaue Diagnose. Zusammen mit den Patienten werden Thera pieziele definiert. Dann setzt sich das Team der Psychiatrie, bestehend aus Ärzten, Psychologen, Psychotherapeuten, Kunst-, Bewegungs- und Tiertherapeuten, Heilerziehungs- pf legern und psychiatrisch geschulten Pf legefachkräften zusammen und überlegt, wie die Therapieziele am besten er reicht werden können. Gemeinsam stel len sie einen Behandlungsplan auf, der je nach Patient, unterschiedliche Bausteine umfasst: Einzel- und Gruppentherapien, Kreativ- und Bewegungstherapien, erlebnispädagogische Angebote oder eben verschiedenen Formen der sogenannten tierge- stützten Therapie. Therapietiere kommen natürlich nicht alleine zur Arbeit, sondern arbeiten immer mit ihren Haltern im Team. „Eine Besonderheit an unserem Angebot ist, dass alle drei Tier- halter bei uns angestellt sind“, so Dr. Joas. Die drei Halter, das sind Gesundheits- und Kinderkrankenpf leger Marcel Mengoni, Heilerziehungspfleger / Trauma-Pädagoge Frank Stolzenberg sowie Sozialpädagogin Maike Müller. „Die drei sind viel näher dran an den Kindern als ein externer Tier- therapeut. Sie sind von Anfang an in den Therapieablauf eingebunden, wissen genau um die Therapieziele und kön- nen so sehr genau auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen“, sagt Dr. Joas. „ Die Anwesenheit eines Hundes oder Pferdes kann dafür sorgen, dass Thera peuten an Patienten herankommen, die sich sonst nicht öffnen würden.“ >>> Dr. Gunter Joas
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