Ausgabe 2 >2019
48 Esslinger Gesundheitsmagazin 2 2019 „Ärzte, Betreuer und Angehörige stellen fest, dass wir als Pflegeheim nicht unvorbereitet sind, sondern den Wün- schen der Menschen entsprechen.“ >>> Pflegedienstleitung erneut, ob der Wunsch nach Beratung besteht. „Niemand soll sich gedrängt fühlen. Wir möchten nur darauf hinweisen, dass es das Angebot gibt“, sagt sie. Angeboten wird die Beratung seit Mai dieses Jahres. Das Feedback der Bewoh- ner ist sehr gut. „Viele kommen auf uns zu und fragen nach einem Gespräch“, sagt Schuster. Protokoll der Beratungs- gespräche Die Versorgungsplanung am Lebensende wird in einem Ergebnisprotokoll schrift- lich fixiert, das anschließend auch dem Hausarzt zur Unterschrift vorgelegt wird. Das Protokoll gibt den Bewohnern die Sicherheit, dass ihren Wünschen ent- sprochen wird, stärkt aber auch die Posi- tion der Pflegekräfte. Denn auch sie wis- sen, was sich der Bewohner wünscht, und können gegenüber Angehörigen und Ärz- ten wirkungsvoll argumentieren. „Wir als Pflegeteam sind so viel besser auf die Situation vorbereitet und können die Bewohner dadurch individueller beglei- ten“, sagt Pflegekoordinator Schuster. Das Beratungsangebot zur Versorgungs- planung am Lebensende berücksichtigt ausdrücklich auch Menschen mit einer dementiellen Erkrankung. „Wir passen uns im Gespräch an die Fähigkeiten der Bewohner an. Vieles wird auch über die nonverbale Ebene kommuniziert“, sagt Beraterin Hasan. Die Beraterinnen beob- achten die Bewohner sehr intensiv und versuchen so herauszufinden, was den Menschen wichtig sein könnte. „Wir tas- ten uns heran und formulieren Fragen anders und leichter verständlich.“ Künst- liche Ernährung umschreibt sie zum Beispiel mit Astronautennahrung. Eng einbezogen werden auch die Vertrauens- personen, um die Wünsche des Bewoh- ners herauszufinden. Die Beratung und Pflege aller Bewohner in den Städtischen Pflegeheimen erfolgt personenzentriert. Die Ausbildung zur Beraterin für die Ver- sorgungsplanung am Lebensende haben inzwischen vier erfahrene Pflegekräfte aus den Städtischen P f legeheimen erfolgreich bestanden. Beraterin Jasmina Hasan hatte sich nach der Pflegeaus- bildung zuvor bereits in Palliativ Care weitergebildet und die Zusatzausbildung Gerontopsychiatrische Fachkraft absol- viert. Zweiteilige Ausbildung Die Ausbildung zur Beraterin gliedert sich in zwei Teile. Nach einem theoretischen Teil folgen sieben evaluierte Beratungs- gespräche, die jede Beraterin selbststän- dig führt. Die Evaluationsprotokolle wer- den anschließend mit dem Ausbilder und den anderen Auszubildenden besprochen. Schwierige Fälle werden diskutiert und die Berater können sich untereinander austauschen. „Die Sorgen und Ängste der Bewohner können belastend sein. Da hilft es, mit den Kolleginnen darüber zu spre- chen“, sagt Beraterin Hasan. Auch mit ihren drei Kolleginnen aus den Städti- schen Pflegeheimen ist sie im ständigen Kontakt. Regelmäßig besprechen sich die vier Beraterinnen und planen die nächs- ten Gespräche. Ab Herbst stößt noch eine Mitarbeiterin aus dem Sozialdienst zum Team hinzu. Auch Thilo Naujoks, Geschäftsführer der Städtischen Pflegeheime Esslingen, freut sich, dass die Kompetenz der Pflegefach- kräfte durch das Gesetz zur Versorgungs- planung am Lebensende gestärkt wird. „Ärzte, Betreuer und Angehörige stellen fest, dass wir als Pflegeheim nicht unvor- bereitet sind, sondern den Wünschen der Menschen entsprechen. Das ist ein enor- mer Qualitätssprung.“ Die Städtischen Pflegeheime Esslingen gehören zu den ersten Einrichtungen in und um Esslin- gen, die Beratungen anbieten – und das nicht ohne Stolz. Bereits Ende 2015 wurde das Gesetz zur Versorgungspla- nung am Lebensende verabschiedet, bis auf Bundes- und Landesebene die Vor- aussetzungen für die konkrete Umset- zung und die Anwendung geschaffen wurden, hat es aber gedauert. Durch direkte Verhandlung mit den Kranken- kassen hat Thilo Naujoks erreicht, dass das Angebot nun den Bewohnern der Städtischen Pflegeheime zur Verfügung steht. „Die Pflegeheime sind die Ver- tragspartner der Krankenkassen. Das stärkt unsere Position in der Versorgung und Betreuung der Menschen“, sagt er. Finanzierung bis 2022 Die Finanzierung ist zunächst bis 2022 gesichert. Dann wird geprüft, ob der Stellenschlüssel, der einen Berater für 400 Bewohner vorsieht, realistisch ist und ob die veranschlagte Gesprächszeit ausreichend ist. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass pro Gespräch mindestens eine Stunde erforderlich ist. „Wir werden uns dafür einsetzen, dass das Angebot weitergeführt wird“, sagt Nau- joks. Denn obwohl die Themen Lebens- ende und Sterben schwierig und emoti- onal sind, spüren alle, dass es keinen Weg daran vorbei gibt, die Versorgung im Sinne der Menschen zu regeln. aw Jasmina Hasan (vorne) im Gespräch mit Heimbewohnerin Lore Eberspächer
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