Ausgabe 2 >2019

2 2019 Esslinger Gesundheitsmagazin 47 Der linke Stuhl am Frühstückstisch bleibt an diesem Tag leer… Bewohner, Betreuer und Pflegefachkräfte in den Städtischen Pflegeheimen müssen immer wieder mit dem Verlust eines Bewohners zurecht- kommen. Die Teams in den fünf städti- schen Pflegeheimen Obertor, Berkheim, Hohenkreuz, Oberesslingen und Pliensau- vorstadt versuchen, die Bewohner so gut es geht aufzufangen und ihnen Unter- stützung anzubieten. „In regelmäßigen Gedenkfeiern nehmen wir gemeinsam Abschied von den Verstorbenen“, sagt Silvio Schuster, Pflegekoordinator im Pflegeheim Obertor. Der Tod eines Mitbewohners ist für einige Senioren auch Ausgangspunkt, sich mit den eigenen Vorstellungen zum Lebens- ende zu beschäftigen. Durch ein neues Beratungsangebot werden sie nun dabei von den Pflegeheimen intensiv unter- stützt. Seit Mai bieten vier Beraterinnen Gespräche über die sogenannte Versor- gungsplanung am Lebensende an. Dieses Angebot ist freiwillig und wird von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert. Im Vordergrund der Gespräche und des anschließenden Protokolls stehen die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen. „Das unterscheidet das Angebot auch von der Patientenverfügung“, sagt Jasmina Hasan. Sie ist eine der vier Beraterinnen. Mit einer schriftlichen Patientenverfü- gung kann jeder bereits vorsorglich festle- gen, dass bestimmte medizinischeMaßnah­ mendurchzuführen oder zu unterlassen sind, falls man nicht mehr selbst entschei- den kann. So soll sichergestellt werden, dass der Patientenwille umgesetzt wird, auch wenn man nicht in der Lage ist, ihn zu äußern. Wie soll mit Schmerzen und Unruhe umgegangen werden? So bespricht Jasmina Hasan zum Beispiel, was geschehen soll, wenn die Bewohnerin oder der Bewohner keine Nahrung und Flüssigkeit mehr aufnehmen kann oder will. „Manche Senioren wünschen sich dann nur noch Eis zu bekommen. Andere wollen die Mundpflege mit dem Lieblings- saft. Am Lebensende steht für uns im Vor- dergrund, was den Menschen guttut. Und das kann auch sein, dass die Mundpflege mit Sekt erfolgt“, sagt Pflegekoordinator Schuster. Essen und Trinken soll nicht unter Zwang erfolgen. Diesen Wünschen wird Folge geleistet. Im Gespräch wird auch die palliative Versorgung zu Beginn der Sterbephase angesprochen. Möchte der Bewohner Medikamente gegen Unruhe und Angstzustände erhalten? Was soll gegen auftretende Schmerzen getan wer- den und wie wird vorgegangen bei neu- auftretenden Symptomen wie Schwitzen? Neben den praktischen Festlegungen besprechen die Berater mit den Bewoh- nern auch, wen sie am Lebensende noch als Besuch empfangen möchten und auch wen nicht. Besprochen wird, ob der Besuch eines Seelsorgers erwünscht ist oder ob Musik gespielt oder eine Duft- kerze angezündet werden soll. Das Gespräch über die letzten Wochen und Tage führt nicht selten dazu, dass sich die Bewohner damit auseinandersetzen, was ein lebenswertes Leben und Sterben für sie bedeutet. „Für diese besonderen Fra- gen nehmen wir uns viel Zeit und beraten die Bewohner in mehreren Gesprächen“, sagt Hasan. Besonders wichtig ist es den meisten Bewohnern, zu Hause, das heißt im Pflegeheim, zu sterben und nicht im Krankenhaus. Die Gespräche finden in der Regel in den Zimmern der Bewohner statt. Die ver- traute Umgebung und die Ruhe geben den Senioren die Sicherheit und das Ver- trauen, offen über die Wünsche und Sor- gen zu sprechen. Gespräch über die Patientenverfügung Häufig wird bei den Gesprächen auch nochmal eine bestehende Patientenver- fügung besprochen. Denn viele Bewohner haben das Dokument Jahre zuvor verfasst und wissen gar nicht mehr genau, was dort festgelegt wurde. „Im Laufe der Zeit ändern sich die Vorstellungen zur Patien- tenverfügung. Mit 60 denkt man anders darüber als mit 85“, sagt Schuster. Zudem erläutern die Beraterinnen den Bewoh- nern, was sich hinter den medizinischen und juristischen Inhalten der Verfügung verbirgt. Änderungen an der Patientenverfügung können dann mit Unterstützung durch den Verein „Esslinger Initiative vorsorgen – selbst bestimmen e.V.“ vorgenommen werden. Der Verein unterstützt Bürger bei der Formulierung von Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfü- gung. Auch die Städtischen Pflegeheime arbeiten eng mit dem Verein zusammen und können so die Bewohner in allen Fra- gen und Belangen kompetent unterstüt- zen. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite der Initiative: www.esslin- ger-initiative.de. Auf Wunsch der Bewohner können auch Angehörige und der behandelnde Arzt zu den Beratungsgesprächen hinzugezogen werden. „Vielen Bewohnern fällt es aber schwer, vor und mit ihren Kindern über Sterben und Tod zu sprechen. Umso dank- barer sind sie für unser Beratungsange- bot“, sagt Jasmina Hasan. Regelmäßig werden die Bewohner auf das Beratungsangebot zur Versorgungs- planung am Lebensende aufmerksam gemacht. Bei der Heimaufnahme erhalten sie gemeinsam mit anderen Unterlagen auch einen Infobrief zum Thema. Nach drei bis vier Monaten erfragt die Beratungsteam der Städtischen Pflegeheime Esslingen (v.l.): Katrin König, Christine Balbach, Christina Benet und Jasmina Hasan >>>

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