Ausgabe 2 >2019
2 2019 Esslinger Gesundheitsmagazin 23 >>> Professor Dr. Ludger Staib und wo er genau lokalisiert ist, erge- ben sich sehr unterschiedliche Therapie- ansätze. Eine differenzierte Diagnostik steht daher am Anfang. Das beginnt mit der Anamnese. Wurde der Patient bei- spielsweise schon im Bauchraum ope- riert? Dann können unter Umständen Verwachsungen eine Ursache sein. Was er gegessen hat, ist eine weitere wich- tige Frage. Auch die genannten zunächst unspezifischen Symptome tragen zum Gesamtbild bei. Sind die Schmerzen stark, kolik- oder krampfartig? Wie sieht das Erbrochene aus? Im seltenen Extremfall und bei einem Darmverschluss im Dick- darm kann es vorkommen, dass der Pati- ent Stuhl erbricht. „Miserere“, lateinisch „erbarme dich“, nennen die Mediziner das, weil die Prognose früher mangels Behand- lungsmöglichkeiten in diesem Fall beson- ders schlecht war. Im Röntgenbild ist der Darmverschluss erkennbar Die Darmgeräusche geben dem Arzt wei- tere Hinweise. Oft sind sie sehr deutlich, weil der Darminhalt sich noch durch eine schmale verbliebene Öffnung zwängt. Genauso kann aber auch „Totenstille“, vor allem nach der Engstelle, herrschen. Klar- heit über Ort und Umfang des Darmver- schlusses liefern aber erst die Bilder aus dem klassischen Röntgen und der Com- putertomografie (CT). „Auf dem Röntgen- bild im Stehen oder auf der linken Seite liegend sind dann charakteristische Spie- gel erkennbar, die die Oberkante des Nah- rungsbreis im Darm zeigen.“ Auch die Engstelle ist oft hier schon zu sehen. Deutlicher wird der Verschluss im CT-Bild. Ein Kontrastmittel, das der Patient schlu- cken muss, macht weitere Einzelheiten deutlich. Erkennbar sind jetzt der Schwe- regrad, der genaue Ort und oft auch die Ursache für den Darmverschluss. Auch bereits eingetretene Komplikationen, wie eine Minderdurchblutung oder eine Darmperforation, sind im CT-Bild sichtbar. „Die Ileus-Therapie hängt dann sehr stark von der Art des Darmverschlusses und der Ursache ab. Sie reicht von konser- vativen Maßnahmen mit Medikamenten bis zur unverzüglichen Notfall-Opera- tion“, sagt Professor Staib. In manchen Fällen handelt es sich um eine Vorstufe eines Darmverschlusses, einen sogenann- ten Subileus. Die Grenze zwischen Ileus und Subileus ist fließend, aber die Vor- stufe lässt sich eigentlich immer kon- servativ behandeln. „Manche Patienten haben zu viel Kirschen oder zu viel Pasta gegessen“, nennt Professor Staib Auslö- ser für den gestörten Nahrungstransport durch den Darm. „Auch Pilze, die verklum- pen, im Frühjahr zu viel Spargel und ganz allgemein das Herunterschlingen einer Mahlzeit können Probleme bereiten.“ Oft reicht dann schon das bei der CT-Unter- suchung verabreichte Kontrastmittel, um die Verstopfung zu lösen, denn das Mit- tel wirkt abführend. Bei einer hartnäcki- geren Verstopfung, eventuell auch mit Erbrechen, kann die aufgestaute Nahrung auch über eine Magensonde abgeleitet werden. „Beim Erbrechen des schon ange- dauten Nahrungsbreis können Teile über die Luftröhre in die Lungen gelangen, mit der Gefahr einer Lungenentzündung. Da ist die Magensonde der unangenehmere, aber sicherere Weg.“ Viele Ursachen können zum Darmverschluss führen Unterschieden wird weiterhin der mecha- nische Ileus vom paralytischen Ileus. Ursachen für einen mechanisch ausgelös- ten Darmverschluss können Verwachsun- gen im Bauchraum sein, die den Darm abschnüren, oder auch eine Verdrehung des Darms selbst. Auch Hernien, also Leis- ten- oder Zwerchfellbrüche, können Darmschlingen einklemmen und so zu einem Ileus führen. Schließlich ist nicht selten ein Tumor am Dünndarm, häufiger am Dickdarm, Ursache dafür, dass der Darm bis zum Verschluss eingeengt wird. Beim paralytischen (=lähmenden) Ileus dagegen reagiert der Darm selbst nicht mehr, die Darmbewegung, die sogenannte Peristaltik, kommt zum Erliegen und die Darmwand erschlafft. Nach großen Ope- rationen kann das etwa der Fall sein. Des- halb wird, wenn der Patienten über Ver- dauungsstörungen klagt, spätestens am dritten Tag nach der Operation die Darm- bewegung, also die Peristaltik, medika- mentös angeregt. Auch Koliken anderer Organe oder Vergiftungen können den Darm paralysieren. Dramatisch wird es bei Durchblutungsstörungen des Darms. Wie bei einem Herzinfarkt kann der Verschluss eines Blutgefäßes, das den Darm versorgt, dazu führen, dass der betroffene Darm- abschnitt in kurzer Zeit abstirbt. Entspre- chend rasch muss gehandelt und operiert werden. So sprechen die Mediziner auch hier von einem Infarkt, einem Mesenteri- alinfarkt. Der tritt aber mit 0,1 Prozent aller Aufnahmediagnosen im Krankenhaus relativ selten auf. Schließlich entwickelt sich auch jeder unbehandelte mechani- sche Ileus zu einem paralytischen Ileus, weil durch die Verdrehung, Abschnürung oder Einengung der betroffene Darmab- schnitt abstirbt und somit paralysiert ist. Rechtzeitig erkannt ist der Darmverschluss behandelbar Bei aller Dramatik, die ein Darmverschluss haben kann, sind die Behandlungsmög- lichkeiten sehr gut. Da der Ileus in der Regel mit heftigen Bauchschmerzen ver- bunden ist, kommen die allermeisten Pati- enten auch rechtzeitig ins Krankenhaus, wo die Ärzte für das Krankheitsbild sen- sibilisiert sind und meist sehr früh eine entsprechende Verdachtsdiagnose stellen. Hat sich die Diagnose bestätigt, werden die Patienten gleich über eine Infusion mit Flüssigkeit und Elektrolyten versorgt, denn der Darmverschluss hat auch erheb- lichen Einfluss auf den Wasserhaushalt des Körpers. Bei einer mechanischen Abklemmung, einem vollständigen Ver- schluss oder Mangeldurchblutung des Darms ist eine möglichst rasche Operation angezeigt. „Dabei gilt die schon 1924 in einem medizinischen Lehrbuch genannte Empfehlung auch heute noch“, sagt Pro- fessor Staib: „Für den Kranken ist es oft besser, frühzeitig von einem weniger geübten, als zu spät von einem Im Röntgenbild deuten sogenannte Spiegel, die wie schwarze Halbkreise aussehen, auf einen Darmverschluss hin. Sie kommen durch still stehende Flüssigkeit zustande, über der ein luftgefüllter Hohlraum entsteht.
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