Ausgabe 1 >2024

1 | 2024 Esslinger Gesundheitsmagazin 35 Die heilende Kraft des Singens Singen ist heilsam, ohne Notenblätter und ohne Üben – echt? Ja, sagt Judith Huwé. Sie bietet seit 15 Jahren „Heilsames Singen“ in der psychosomatischen Klinik am Klinikum Esslingen an. Schon oft hat sie von Patientinnen und Patienten gehört, dass das Singen sie am Leben gehalten hat. Die ausgebildete Musiktherapeutin Judith Huwé ist zertifizierte Singleiterin für Krankenhäuser und bietet im Klinikum Esslingen therapeutische Gesangsgruppen an. Gesundheitsförderndes, heilsames Singen ist heute bundesweit in vielen Kliniken etabliert, es gibt sogar einen Verein „Singende Krankenhäuser“. 20 Patientinnen und Patienten singen alle zwei Wochen mit ihr, darunter immer mehr Jugendliche. „Heilsames Singen hat seinen Ursprung in indischen Mantren, die schon seit Jahrtausenden gesungen werden“, erklärt sie. „Ich singe selbststärkende, herzöffnende, tröstende und beruhigende Lieder, die wir immer wiederholen und miteinander variieren, wie es uns gefällt. Manchmal tanzen wir im Kreis oder wir stehen uns gegenüber und besingen Einzelne oder uns gegenseitig. Das ist für die meisten eine sehr intensive Erfahrung, bei manchen sogar eine Emotionsexplosion.“ Oftmals fließen dabei Tränen, wenn ein Lied sehr berührt. Eine 17-jährige Patientin, die unter extremem Selbsthass litt, wünschte sich ein Lied mit dem Titel ,Weißt Du, wie kostbar Du bist?‘. „Als wir es gemeinsam sangen, weinten alle Teilnehmenden. Später sagte sie zu mir: Das Singen war erlösend, es hat mich gerettet“, berichtet die Musiktherapeutin. Es gehe nicht darum, den richtigen Ton zu treffen. Eines ihrer Ziele sei es, dass die Teilnehmenden die eigene Stimme mögen. „Das heißt auch, sich selbst zu akzeptieren.“ Manche sitzen aber auch nur dabei und bringen gar keinen Ton heraus. Alle sind willkommen. Auch die, die meinen, sie könnten nicht singen. „Singen kann keine Krankheiten heilen, aber den Heilungsprozess unterstützen und Selbstheilungskräfte stärken. Dabei fahren die Stresshormone runter und die Glückshormone hoch“, stellt Huwé klar. Forschungen über die gesundheitsfördernde Wirkung des Singens zeigen, dass die Neurotransmitter Serotonin und Oxytozin dabei vermehrt ausgeschüttet werden. Atmung und Herzfrequenz verlangsamen sich, Anspannungen lassen nach. Wir fühlen uns glücklich und geborgen. Teilnehmerin Nadine Zaiser beschreibt es so: „Heilsames Singen ist für mich eine kleine Flucht aus dem All15-jähriges Singjubiläum Das heilsame Singen am Klinikum Esslingen feiert mit allen Interessierten sein 15-jähriges Jubiläum: Am Dienstag, 8.10.2024 von 19 bis etwa 20.30 Uhr im Forum, Haus 15 im Klinikum Esslingen. Alle sind willkommen. tag. Es hat mir in der Klinik geholfen, das ewige Gedankenkreisen zu durchbrechen und lässt mich positiv in die Zukunft blicken." Aber das ist noch nicht alles: Körpereigene Opioide dämpfen die Wahrnehmung von Schmerz. Melatonin ist für unseren Biorhythmus zuständig und wird ebenfalls verstärkt beim Singen ausgeschüttet. Es sorgt für einen erholsamen Schlaf und unterstützt das Immunsystem. „Heilsames Singen wirkt daher nicht nur bei psychosomatischen Erkrankungen, sondern auch bei Demenz, Schlaganfall, Krebs, COPD und bei der Sterbebegleitung“, weiß die Musiktherapeutin. Judith Huwés Gesangsgruppe ist inzwischen zur festen Instanz am Klinikum Esslingen geworden. Anfangs fand das Singen in einem kleinen Raum auf Station statt, dann gab es so viel positive Resonanz, dass die Sängerinnen und Sänger ins 120 qm2 große Foyer ausweichen mussten. Dort singen sie bis heute und feiern dieses Jahr ihr 15. Jubiläum. ast Kontakt Klinikum Esslingen Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Musiktherapie Judith Huwé Telefon 0711 3103-3113 j.huwe@klinikum-esslingen.de www.integrative-musiktherapie.de

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