Ausgabe 1 >2023

Dennis Komisel Ein typisches Szenario könnte so aussehen: Eine ältere Dame muss nachts zur Toilette, stolpert im Dunklen über die Türschwelle, stürzt. Oberschenkelhalsbruch. Im Klinikum Esslingen wird die Verletzung gut versorgt, doch die alleinstehende Seniorin bleibt – zumindest vorübergehend – in ihrer Mobilität eingeschränkt. Zwischen Krankenhausaufenthalt und RehaBeginn liegen drei Wochen. Zuhause kommt die Patientin noch nicht wieder alleine zurecht. Was nun? Neue Überbrückungslösung Mit einem neuen Angebot wollen die Städtischen Pflegeheime Esslingen Situationen wie diese entschärfen: Seit Februar gibt es eine Kurzzeitpflegeeinrichtung mit 24 Plätzen. Untergebracht werden die Pflegegäste im Pflegeheim am Obertor in einem eigenen Wohnbereich: Der denkmalgeschützte Altbauflügel wurde frisch renoviert. „Die vier Doppel- und 16 Einzelzimmer bieten eine wohnliche Atmosphäre, sind möbliert und mit Fernseher ausgestattet“, berichtet Thilo Naujoks, Leiter der Städtischen Pflegeheime Esslingen. Neben den baulichen Vorbereitungen haben er und sein Team auch die organisatorischen Rahmenbedingungen für das Angebot erfolgreich geschaffen: „Wir haben die vertraglichen Grundlagen mit den Pflegekassen geklärt. Wir haben eine Kooperationsvereinbarung mit dem Klinikum Esslingen abgeschlossen. Und wir haben unser Personal aufgestockt. Mit einem hochmotivierten, engagierten Team gehen wir jetzt an den Start“, so Naujoks. Verlässlichkeit schaffen Die Überbrückungspflege kommt nicht nur Menschen zugute, die nach dem Krankenhausaufenthalt auf einen Rehaplatz warten. Auch wer plötzlich, zum Beispiel nach einem Schlaganfall, dauerhaft pflegebedürftig wird, profitiert von dem Angebot: Während die Betroffenen in der Kurzzeitpflege versorgt sind, haben die Angehörigen Zeit, die häusliche Pflege zu organisieren oder einen festen Heimplatz zu suchen. „Daneben wollen wir auch denjenigen den Rücken stärken, die zuhause einen Angehörigen pflegen. Wenn sie krank oder im Urlaub sind, nehmen wir die Pflegebedürftigen in der Kurzzeitpflege auf“, erklärt Thilo Naujoks. Die Kurzzeitpflege sei ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Versorgung alter Menschen in Esslingen: „Früher konnten wir in den Städtischen Pflegeheimen Kurzzeitpflegegäste nur aufnehmen, wenn gerade ein stationärer Platz frei war. Jetzt schaffen wir ein verlässliches Angebot. Wir gehen davon aus, dass Kurzzeitpflegegäste im Schnitt 15 Tage bei uns bleiben, also können wir im Jahr rund 470 Pflegebedürftigen eine Überbrückungspflege anbieten“, freut sich Naujoks. Der Bedarf sei groß, sagt er, betont aber auch: „Kurzzeitpflege ist zeitlich begrenzt. Sie beinhaltet keinen Anspruch auf einen dauerhaften Heimplatz.“ Das Gesamtbild im Blick Auch wenn Kurzzeitpflege „nur“ eine Lösung auf Zeit bieten kann: Niemand wird mit seiner Zukunftsplanung alleine gelassen. Hier kommt Casemanager Dennis Komisel ins Spiel. Der 31-jährige Sozialpädagoge ist im Pflegeheim Obertor speziell für die Kurzzeitpflege zuständig. „Als Casemanager habe ich das Gesamtbild im Blick und koordiniere die komplette Versorgungskette, vom Krankenhausaufenthalt über die Kurzzeitpflege bis zur Anschlussunterbringung.“ Schon bevor eine Patientin oder ein Patient aus dem Krankenhaus entlassen wird, stimmt Dennis Komisel sich eng mit dem Sozialdienst des Klinikum Esslingen ab. „Das Ziel ist ein reibungsloser Übergang, alles soll vorbereitet, sein, wenn die Pflegegäste bei uns eintreffen: Arztbrief, Medikamente, Rezepte für Physio-, Logo- oder Ergotherapie und so weiter.“ Im Pflegeheim führen Pflegekräfte und Casemanager dann ein Aufnahmegespräch mit Betroffenen und Angehörigen. „Wir klären die Hilfebedürftigkeit ab, machen uns zum Beispiel ein Bild über die kognitiven Fähigkeiten und legen gemeinsam Ziele für die Kurzzeitpflege fest. Basierend darauf wird ein Maßnahmenplan aufgestellt. Außerdem besprechen wir, wie es nach der Kurzzeitpflege weitergeht.“ Welche Hilfsmittel oder baulichen Veränderungen ermöglichen es, trotz körperlicher oder geistiger Einschränkung weiter zuhause zu wohnen? Wie finde ich eine ambulante Pflegekraft? Wie gehe ich bei der Suche nach einem Heimplatz vor? Welche finanziellen Fördermittel gibt es? Dennis Komisel berät, zeigt Optionen auf, teilt Informationen. Kurz: Er gibt Hilfe zur Selbsthilfe. „Ich versetze die Betroffenen und Angehörigen in die Lage, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen und alle wichtigen Dinge für die Zeit nach dem Kurzzeitpflegeaufenthalt selbstständig zu organisieren.“ Rehabilitative Pflege „Wer nach einem Krankenhausaufenthalt zu uns in die Kurzzeitpflege kommt, wünscht sich natürlich in der Regel hinterher zurück ins eigene Zuhause“, weiß Paul Rockel, Pflegedienstleiter im Pflegeheim Obertor. Nicht immer sei das möglich, aber im Pflegeheim könne man wichtige Weichen stellen. „Unsere Kurzzeitpflege ist therapeutisch und rehabilitativ ausgerichtet. Wir wollen die Menschen bestmöglich dabei unterstützen, ihre Mobilität und Selbstständigkeit zurückzugewinnen. Dabei orientieren wir uns nicht an Defiziten, sondern versuchen die individuellen Fähigkeiten zu fördern.“ Thilo Naujoks >>> Paul Rockel 1 | 2023 Esslinger Gesundheitsmagazin 45 „W ir schaffen jetzt ein verlässliches Angebot.“

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