Ausgabe 1 >2021

1 | 2021 Esslinger Gesundheitsmagazin 49 Abstands- und Hygienerichtlinien. Struk- turen und geschützte Räume sind wichtig. Es gibt feste Abläufe, wiederkehrende Rituale und strenge Regeln: Pünktlichkeit und Hausaufgaben gehören dazu. Häufig kommen die Kinder aus einem unstruk­ turierten Alltag, haben einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus und finden in dem ritualisierten Umfeld der Klinik einen halt- gebenden Rahmen. „Viele Kinder brauchen mehr, weil sie weniger hatten“, fasst die Sonderpädagogin Haaga zusammen. „Lob und Zuspruch sind für sie genauso wichtig wie Ehrlichkeit. Daher ist uns eine offene Feedback-Kultur extrem wichtig. Die Schüler stehen oft unter dem Druck, alles können zu müssen und haben viel Frus­ tration erlebt – da fliegt dann auch mal ein Stuhl durch das Klassenzimmer. Den- noch sind und bleiben wir für die Kinder verlässlich, bei uns gibt es keine Ablehnung und Ausgrenzung. Wir akzeptieren die Wirklichkeit der Kinder und zwingen ihnen nicht unsere auf. Wir fokussieren nicht die Schwächen, sondern lenken den Blick der Schüler auf ihre Stärken und üben behut- sam den Umgang mit Frustration. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum regu­ lären Schulalltag.“ Die Zusammenarbeit mit der Stammschule ist während des Klinikaufenhaltes wich- tiger Bestandteil der Arbeit an den Klinik- schulen. Die meisten Kinder und Jugend- lichen werden nach ihrem zehn bis zwölfwöchigen Klinikaufenthalt in ihre alten oder neuen Schulen integriert. Der Prozess kann vier bis sechs Wochen dauern und fordert nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern, die Therapeuten, die Bezugslehrkraft aus der Klinikschule sowie die Lehrer der alten oder neuen Schule. Die ambulante Unterstützung ist entscheidend für den Erfolg der Rückfüh- rung. Das System der Schulsozialarbeit, also die Möglichkeit an Schulen Sozial­ arbeiter unterstützend hinzuzuziehen, ist häufig sehr hilfreich. Kontakt Rohräckerschulzentrum Sonderpädagogisches Bildungs-und Beratungszentrum Förderschwerpunkt Schüler und Schülerinnen in längerer Krankenhausbehandlung Traifelbergstr. 2, 73734 Esslingen a. N. Telefon 0711 9199350 info@sfkr-es.de „ Heute können wir 60 Schüler am Klinikum Esslingen, weitere 30 an der Filderklinik betreuen. Der Bedarf wächst stetig.“ Zur Person: Brunhilde Haaga Ihrem Abitur folgte ein Soziales Jahr in einem Behindertenheim in Reutlingen. Im Anschluss studierte Brunhilde Haaga Sonderpädagogik mit den Schwerpunkten Sprache und körperliche motorische Fähigkeiten in Reutlingen und Tübingen. Nach dem Referendariat an der Sprachheilschule in Esslingen war sie kurze Zeit in Stuttgart an der Helene-Fernau-Horn-Schule tätig und wechselte 1986 an das SBBZ Sprache am Rohräckerschulzent- rum. Nach Fortbildungen im Bereich Beratung arbeitete sie dort bis 2006 auch als Beratungs­ stellenleiterin. Im Anschluss übernahm sie 2006 die Schulleitung des „Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums Schüler in längerer Krankenhausbehandlung (Klinikschule)“. Das lebendige Umfeld bleibt Das SBBZ (sonderpädagogisches Bil- dungs- und Beratungszentrum) Förder- schwerpunkt SILK (Schüler in längerer Krankenhausbehandlung) , gehört zum Rohräckerschulzentrum Esslingen. „Als ich die Schulleitung am ‚SBBZ Schüler in längerer Krankenhausbehandlung‘ im September 2006 übernommen habe, war die Schule nur halb so groß. Heute können wir 60 Schüler am Klinikum Esslingen, weitere 30 an der Filderklinik betreuen. Der Bedarf wächst stetig“, blickt Brunhilde Haaga auf die letzten 15 Jahre zurück. Unzähligen Kindern und Jugendlichen hat sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in dieser Zeit den Weg zurück in den Alltag geebnet. Als Schulleiterin von 21 Lehrkräf- ten aus allen Schularten waren außerdem Führungskompetenz und Fürsorge gefor- dert. Jetzt geht sie mit einem weinenden und einem lachenden Auge in den Ruhe- stand. „Ein lebendiges Umfeld in einem Netzwerk, wo jeder von jedem profitieren kann, ist für mich unheimlich wichtig. Auch im Ruhestand werde ich nicht ruhen, son- dern mir Projekte suchen, in denen ich ehrenamtlich etwas bewegen kann. Ich begleite aktuell eine syrische Familie, für die ich dann mehr Zeit habe. Außerdem möchte ich, sobald das wieder möglich ist, reisen. Am meisten wird mir die Vielfalt und die Abwechslung fehlen, die vielen Menschen mit ihren eigenen Wirklichkeiten und Wahrheiten und der selbstverständli- che Umgang damit.“ uk

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