Ausgabe 1 >2018
42 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 2018 Patienten lebensmüde Gedanken, die dann mit einer erhöhten Suizidgefährdung einhergehen. „Zudem zeigen Männer häufig abweichende Symptome. Sie sind ständig gereizt, haben eine geringe Frustrationstoleranz und regen sich schnell auf.“ Auch körperliche Symptome können eine Depression überdecken, wie zum Beispiel ständige Übelkeit, Rückenschmerzen, starke Gewichtszunahme oder eine scheinbare Magersucht. Die körperliche Untersuchung ist deshalb in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie wichtiger Bestandteil für eine umfassende Diagnose. Im Erstgespräch, das grundsätzlich ein Arzt führt, wird mit dem Patienten die Behandlung besprochen. Geklärt wird zunächst, ob ein statio- närer oder ein teilstationärer Aufenthalt in der Klinik nötig ist. Bei der teilstationären Behandlung sind die Patienten für die Therapie nur tagsüber in der Klinik und verbringen die Nächte und die Wochenenden zuhause. Ob ein älterer Jugendlicher in der Erwachsenenabteilung behandelt wird, hängt von seinem „Entwicklungsalter“ ab. „Da gibt es immer wieder Grenzfälle“, sagt Dr. Nolting. So wie der weitgehend selbständige 19- Jährige, der besser in der Erwachsenenabteilung aufgehoben ist, oder der übergewichtige, depressive 21-Jährige, der permanent im Internet surft und besser bei den Jugendlichen behandelt wird. Viele Patienten werden vom Facharzt, von Psychiatern oder Psychotherapeuten in die Klinik überwiesen. Oft wurden sie bereits ambulant behandelt und haben sich schon mit ihrer Erkrankung auseinandergesetzt. Aber auch Allgemeinmediziner, Psychische Störungen sind bei uns inzwischen der zweithäufigste Grund für eine Krankschreibung. Besonders oft stellen die Ärzte dabei die Diagnose Depression. Volkskrankheit Depression Der Gesundheitsreport 2017 der Betriebskrankenkassen – BKK – listet akribisch auf, woran die Deutschen leiden. Mit einem Anteil von 25,2 Prozent sind Erkrankungen des Muskel- Skelett-Systems mit Abstand häufigster Grund für eine Krank- schreibung. Bereits auf Platz zwei folgen mit 16,3 Prozent die psychischen Störungen. Auch welche Erkrankungen sich im Einzelnen hinter diesen Erkrankungsgruppen verbergen, doku- mentiert der Report. Je nachdem wie stark in einem Jahr die Erkältungswelle ausfällt, wechseln Rückenschmerzen und Atemwegsinfektionen die Plätze eins und zwei. Auf Platz drei aber steht kontinuierlich die Diagnose Depression – Tendenz: zunehmend. Bis 2020, so aktuelle Prognosen der Weltgesund- heitsorganisation, werden Depressionen weltweit die zweit- häufigste Volkskrankheit sein. Betrachtet man die Zahl der Krankheitstage, fallen Patienten, die unter einer Depression leiden, mit Abstand am längsten aus. Auch die Dauer einer Krankenhausbehandlung übersteigt die anderer Erkrankungen deutlich. Ohne Zweifel hat sich die Depression in den letzten Jahrzehnten immer mehr zu einer Volkskrankheit entwickelt. „Die Depression gibt es nicht“, stellt Dr. Björn Nolting, Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie allerdings klar. „Es gibt vielmehr eine ganze Reihe verschiedener Formen depressiver Störungen. Auch unterscheiden sich die Symptome einer Depression bei Männern und Frauen oft deutlich.“ Bei einer bipolaren Depression wechseln die Patienten von depressiven zu mani- schen Phasen – von tiefer Niedergeschlagenheit zu über- zogenen Aktivitäten. „Diese Formen der Depression werden eher in psychiatrischen Kliniken behandelt“, erläutert Dr. Nolting. Patienten, die unter einer unipolaren Depression leiden, haben dagegen depressive Phasen, die mit weitgehend gesunden abwechseln. Diese Patientengruppe kann gut in der Esslinger Psychosomatischen Klinik mit ihrem psychothera- peutischen Schwerpunk behandelt werden. Wie aber zeigt sich eine Depression? „Die Patienten berichten über eine permanent gedrückte Stim- mung und Traurigkeit, über ein Gefühl der Gefühllosigkeit, zudem können sie sich zu nichts mehr aufraffen, leiden unter Antriebsverminderung“, nennt Dr. Nolting häufige Symptome. Hinzu können Schlafstörungen, veränderter Appetit und Sexualdesinteresse kommen. Häufig entwickeln depressive „Die Depression gibt es nicht. Es gibt vielmehr eine ganze Reihe verschiedener Formen depressiver Störungen.“
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