Ausgabe 1 >2018

36 Esslinger Gesundheitsmagazin 1 2018 Klinikum Esslingen Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Kommissarischer Chefarzt Dr. Guido-Johannes Marquardt Telefon 0711 3103-3001 anaesthesie@klinikum-esslingen.de es werden auch kleinste Neugeborene behandelt. Wir kommen jährlich auf über 1000 Kindernarkosen. Wir behandeln sowohl Knochenbrüche als auch Leisten- brüche, Nabelhernien, Phimosen oder Hodenverlagerungen. Aber auch kom- plexe Darmoperationen und sonstige Operationen bis hin zur Ableitung von Hirnflüssigkeit können vorgenommen werden. Statistiken besagen, dass in Häusern, in denen mehr Kindernarkosen gemacht werden, absolut gesehen weniger passiert als in Häusern, in denen nur wenige Nar- kosen bei Kindern durchgeführt werden. Das liegt an der Routine. Kindernarkosen sind nicht schwieriger als Narkosen bei Erwachenen. Sie sind aber anders. Daher braucht man Routine speziell bei Kindern, um sicher zu sein. Je kleiner das Kind, desto größer sind die Unterschiede und die notwendige Routine Gibt es in der Facharztausbildung einen bestimmten Schwerpunkt, der sich mit dem Thema Kinderanäs­ thesie befasst? Kinderanästhesie ist ein sehr kleiner Teil der Facharztausbildung. Für die Facharzt- prüfung muss man 50 Narkosen bei Kin- dern unter fünf Jahren nachweisen. Für jemanden, der wirklich Kinderanästhesie betreibt, ist das natürlich wenig, vor allem ist die Grenze mit fünf Jahren aus Sicht des Kinderanästhesisten sehr hoch. Vor einigen Jahren hat die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin eine Zusatzbezeichnung für Kinderanästhesie einge- führt. Für diese Zusatzbe- zeichnung musste man neben dem Nachweis der notwendi- gen praktischen Erfahrung mit Neugeborenen und schwer- kranken Kindern eine Prüfung absolvieren – die habe ich, gemeinsam mit noch zwei weiteren Kollegen aus dem Haus, gemacht. Leider hat man die Zusatzbezeichnung aus politischen Gründen wieder eingestampft. Das halte ich für einen Fehler. Die Zusatzbezeichnung war nicht für die Befähigung, fünfjährige Kinder mit gebrochenem Arm narkotisieren zu kön- nen, gedacht, sondern es ging umwirklich schwerkranke und sehr kleine Kinder, also Früh- und Neugeborene. Mit einem sol- chen Zertifikat wird die Sonderbefähi- gung des Anästhesisten für solche Fälle kenntlich gemacht. Eben weil Kinder­ anästhesie ein schwieriges Feld ist, bei dem es vor allem auf die Routine des behandelnden Arztes ankommt, wäre so eine Zusatzqualifikation eine sehr sinn- volle Sache. Als Anästhesist betreuen Sie auch postoperativ, also nach der Operation die Schmerztherapie des Kindes. Wie sieht das aus? Es sollte nach Möglichkeit beim Kind keine OP ohne eine Regionalanästhesie gemacht werden, in der Regel aber in Kombination mit einer Vollnarkose. Mit der Regionalanästhesie bereiten wir gleichzeitig den Weg in die postoperative Schmerztherapie. Wir sind nicht nur dafür da, dass der Patient schläft, sondern auch dafür, dass es dem Patienten hinterher gut geht. Eine zusätzliche Regional­ anästhesie ist bei einem Eingriff sehr wirkungsvoll und sorgt auch nach der Operation noch eine ganze Weile für Schmerzfreiheit beim Kind. Medikamente, die gespritzt oder geschluckt werden, machen schmerzarm. Schmerzfreiheit macht nur eine Regionalanästhesie. Warum Voll- und Regionalanästhesie? Wenn wir ein kleines Kind beispielsweise am Arm operieren, können wir nicht nur mit einer Regionalanästhesie arbeiten, wie wir es vielleicht bei einem Erwach- senen tun würden. Wir müssen hier par- allel eine Vollnarkose machen, denn dem Kind kann nicht zugemutet werden, was von seiner eigenen Operation mitzube- kommen. Eine gewisse Kooperations > >> fähigkeit während der Operation ist beim wachen Patienten ebenfalls not- wendig, und die kann bei einem Kind nicht erwartet werden. Und wie geht die Therapie dann weiter? Wir erarbeiten bereits vor dem Eingriff ein Schmerzkonzept. Das Kind bekommt ein Basis-Schmerzmittel, wenn das Kind „normale“ Schmerzen hat, wie sie nach der Operation zu erwarten sind. Hinzu kommt noch ein Reserve-Schmerzmittel für Schmerzspitzen. Um herauszufinden, ob ein Kind starke Schmerzen hat, bedienen wir uns ver- schiedener Schmerzskalen. Kleinkinder zeigen auf Smileys und uns damit, wie es ihnen mit den Schmerzen geht. Bei Babys müssen wir auf Gesichtsausdruck und Bewegungsmuster achten. Trotz lang erprobter Hilfsmittel zur Schmerz­ messung ist es oft recht schwierig, die Schmerzen des Kindes richtig einzu- schätzen. Deshalb erfolgt oft auch eine prophylaktische Schmerzmittelabgabe mit risikoarmen Medikamenten. Ab dem sechsten Lebensjahr können die Kinder sich wenn nötig auch selbst mit Schmerzmittel versorgen. Sie hängen an einem Tropf und können sich per Knopf- druck Schmerzmittel zuführen. Das ist eine sehr sichere und bewährte Methode. Das Gespräch führte Friederike Wahl Schmerzskala für Kleinkinder Tapferkeitsurkunde für kleine Patienten

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