Ausgabe 1 >2018

1 2018 Esslinger Gesundheitsmagazin 23 und nicht-alkoholischen Fettlebern. Es ist jedoch schwierig, eine durch Übergewicht bedingte von einer alkoholischen Fettleber zu unterscheiden. Eine Ultraschalluntersuchung liefert erste Erkenntnisse über den Grad der Leberverfettung. Anschließend folgt die Anam- nese. „Wir befragen den Patienten nach seinen Lebens – und Trinkgewohnheiten. Auch wenn diese Frage oft als stigmati- sierend empfunden wird, ist sie für eine Diagnose unabding- bar“, sagt der Mediziner. „Zudem bekommen wir durch eine Messung der Leber- und Gallenwerte wichtige zusätzliche Informationen über das Ausmaß der Entzündung.“ Kohlenhydrate lagern sich ab Die Fettleber entsteht durch eine vermehrte Speicherung von freien Fettsäuren und Triglyceriden. „Die Leber verarbeitet Energieträger wie Kohlenhydrate und Fettsäuren und gibt sie in Form von Neutralfetten ins Blut ab. Zuviel davon kann die Leber aber nicht mehr abtransportieren. Die Energieträger setzen sich in den Leberzellen fest und lassen diese verfetten“, erklärt Dr. Hartmann. Nehmen Dr. Hartmann und seine Kollegen eine Biopsie der Leber vor, erkennen sie, dass in jeder Leberzelle ein kleines Fettauge schwimmt. Darauf reagiert die Leberzelle mit einer Entzündung. Es kommt zum Abbau von gesundem Leberge- webe, das durch kollagenes Bindegewebe ersetzt wird. Diesen Prozess nennt man Fibrosierung. „Irgendwann besteht die Leber aus mehr Binde- als gesundem Lebergewebe. Das Endstadium der Fibrosierung ist die Leberzirrhose. Die eigent- liche Aufgabe, nämlich die Organisation des Stoffwechsels sowie die Verarbeitung von Giftstoffen, kann nicht mehr über- nommen werden“, erklärt Professor Geißler. Besonders schädlich für die Leber ist übermäßiger Alkoholkon- sum. Alkohol enthält nicht nur eine an Menge Kohlenhydraten, sondern wandelt sich auch in der Leber zu Acetaldehyd, einer toxischen Substanz. Die Folge ist eine alkoholisch bedingte Leberentzündung. Die Selbstheilungskraft der Leber Doch es gibt Hoffnung: Wird eine Fettleber rechtzeitig erkannt, setzen die Experten vom Leberzentrum auf das Regenera­ tionsvermögen des Organs. Die Leber ist so konstruiert, dass sie es schafft, sich über längere Zeit selbstständig zu erholen. Eine strenge Diät, Alkoholverzicht und viel Bewegung sind dann wichtigste Therapiegrundlagen. Der Prozess von einer Fettleber hin zu einer Hepatitis ist schlei- chend und kann sich über Jahre hinziehen, ohne dass der Pati- ent Verdacht schöpft. Das hat mit der Beschaffenheit des Organs zu tun. Erste Anzeichen für Lebererkrankungen sind unspezifisch und Schmerzen selten. „Daher sagen wir, dass die Müdigkeit der Schmerz der Leber ist.“ Sie ist oft das einzige Symptom, dass auf eine mögliche Leberschädigung hinweist. Die im Volksmund als Gelbsucht bezeichnete Verfärbung von Augen, Haut und Schleimhäuten gehört hingegen zu den Spät- symptomen. Der Experte erklärt: „Verantwortlich für die gelbe Farbe ist der Anstieg an Bilirubin, das beim Abbau alter roter Blutkörperchen entsteht. Wegen der Leberschädigung kommt es zu einer Störung im Stoffwechsel und der Farbstoff lagert sich im Gewebe an.“ Klinikum Esslingen Leberzentrum Professor Dr. Michael Geißler Dr. Christoph Hartmann Telefon 0711 310324 7 leberzentrum@klinikum-esslingen.de Je weiter die Fibrosierung fortgeschritten, desto wahrscheinli- cher ist die Entstehung einer Zirrhose, auch Schrumpfleber genannt. Das gesamte Lebergewebe beginnt sich zu vernarben. Die Leber wächst also nicht mit ihren Aufgaben, sie wird klei- ner und verhärtet sich. Viele wichtige Funktionen wie Entgif- tung, Verdauung und Blutgerinnung sind bei einer Leberzirrhose eingeschränkt, das Risiko für Leberkrebs erhöht. Auch das Blut kann nicht mehr ungehindert durch die vernarbte Leber fließen und staut sich zurück. Es bilden sich neue Blutgefäße, die die Leber umgehen. Es drohen Komplikationen wie ein Wasser- bauch oder Blutungen aus Krampfadern im Magen oder Spei- seröhre. Häufig hilft dann nur noch eine Lebertransplantation, denn der Selbstheilungsmechanismus der Leber ist erschöpft. Ein neues Organ Mehr als 700 Lebertransplantationen wurden in den vergan- genen Jahren durchgeführt. Viele davon am Transplantations- zentrum der Universitätsklinik Tübingen. Das überregionale Leberzentrum des Klinikums Esslingen steht in engem Kontakt mit den dortigen Experten und überweist Patienten dorthin. Die Hürden, um aber überhaupt für eine Transplantation in Frage zu kommen, sind hoch. Nicht nur Blutwerte müssen stim- men, es müssen auch sonstige mögliche Erkrankungen ausge- schlossen werden, die eine Transplantation unmöglich machen. Die Patienten werden deshalb zunächst gründlich an der Klinik untersucht. „Benötigt ein Patient ein neues Organ, wird er auf eine Warteliste gesetzt. Patienten, die aufgrund von Alkohol eine neue Leber benötigen, müssen außerdem nachweisen, min- destens ein halbes Jahr ‚trocken‘ gelebt zu haben“, sagt Dr. Hartmann. Und dennoch – immer wieder können die Esslinger und Tübinger Ärzte Patienten zu einem neuen Organ verhelfen. Die Nachsorge findet dann am Klinikum Esslingen statt und hat den Vorteil, dass nachfolgende Untersuchungen wohnortnah stattfinden können. Doch soweit muss es nicht kommen. Professor Geißler rät: „Wer einmal jährlich vom Hausarzt seine Leberwerte checken lässt, hat gute Chancen, seine Leber in ihrer gesunden Größe fit für ihre Aufgaben zu halten.“ fw Dr. Christoph Hartmann Professor Dr. Michael Geißler

RkJQdWJsaXNoZXIy MTU2Njg=